Für die weit verbreitete Praxis des Body Shamings dienen vor allem die sozialen Medien immer wieder als Spielwiese chronisch gelangweilter, pöbelnder Weltverbesserer, die der Meinung sind, zu jeder Tages- und Nachtzeit über das Körpergefühl, das Essverhalten und den Schönheits-Grad sämtlicher sich im World Wide Web tummelnder Frauenkörper richten zu dürfen. Zuletzt wurde das Plus Size-Model Iskra Lawrence Zielscheibe widerwärtiger Kobolde, die natürlich lieber anonyme Beleidigungen, statt handfeste Argumente für ihre Aversionen gegenüber wohlig-wunderschöner Rundungen anbrachten und noch immer bringen. Da wurde zum Beispiel die Fast-Food-Keule ausgepackt und noch dazu freche Unterstellungen, die jegliche Selbstliebe aufgrund oder trotz kleiner Abweichungen von der dürren Modemagazine-Norm zur eindeutigen Lebenslüge abstempelten.
Wann außerdem endlich dieses überflüssige „Plus Size“ Labeling aufhört, steht nochmal auf einem ganz anderen Blatt geschrieben, es ist ja beinahe so, als käme die Welt nicht mehr ohne die eigentlich der Zoologie vorbehaltene Arten-Bestimmung aus. Wie falsch das und vieles andere ist, weiß immerhin der denkende Teil der Bevölkerung dieses Planeten. Sollte man jedenfalls meinen. Dem ist aber natürlich nicht so – ein Umstand, der uns alle gerade im Angesicht des nahenden Sommers zum gezielten Griff an die eigene Nase motivieren sollte.
Es ist nämlich noch immer nicht unser Bier, ob jemand nun dick, dünn, schwabbelig oder stählern ist, bloß vergessen wir das gern, Body Shaming funktioniert mittlerweile sogar in beide Richtungen, die Dünnen sind ebenso doof wie die Dicken, so richtig recht machen kann man es mit dem eigenen Körper also sowieso niemandem mehr und schon gar nicht uns selbst. Was jammern wir ständig über zu viel oder zu wenig und ersaufen in sinnlosen und vor allem krankmachenden Vergleichen. Ich kenne das ja selbst. Vor der Schwangerschaft war da meiner Meinung nach zuweilen mal ein kleiner eingebildeter Donut-Ring nach Ostern zu viel, nach der Schwangerschaft stieß ich mich dann eine Zeit lang an meinen eigenen Knochen, trotz ausgeglichener mit Käse überbackender Nahrung. Auch nicht cool. Oma war besorgt und Mama hackte auf den herausstehenden Wangenknochen herum, ob ich jetzt wegen der Modebranche essgestört geworden sei, meinte sogar ein Onkel. Kaum laufe ich seit ein paar Wochen wieder mit hart angefutterten drei Kilo mehr auf den Hüften herum, wurde mir auch schon wieder neckisch über den Hosenrand gekniffen. Da wird doch der Hund in der Pfanne verrückt. Wir müssen also wohl oder übel zu allererst damit anfangen, uns durch die verliebten Augen unserer eigenen Freunde zu betrachten, um uns endlich so akzeptieren zu können wie wir ohne viel Tamtam sind und immun zu werden gegen äußere Bewertungen. Oder aber wir denken kurz darüber nach, von welchem Menschen wir die ein oder andere optische Eigenart wohl vererbt bekommen haben könnten, dann kommt die Liebe manchmal ganz von allein. Ich bin ja gar nicht gegen Sport, wenn es mal irgendwo zwickt. Oder gegen Extra-Torte aufgrund des A-Körbchen, jeder darf schließlich hin und wieder nach Belieben und in einem gesunden Maß am eigenen Sein herumschrauben, aber dieser ständigen Selbstoptimierung müssen doch irgendwo Grenzen gesetzt werden. Genau wie der menschenverachtenden Gabe des permanenten Urteilens über Fremde.
Neulich erst schlenderte ich mit einer alten Freundin durch die Stadt, ein liebes Mädchen mit einem Herzen aus Gold, dem man sofort höchste Toleranz attestieren würde. Man kann sich in etwa vorstellen, wie plötzlich ich zusammen zuckte als ein „Uuurgh, muss das denn sein?!“ seinen Weg in mein empfindliches Ohr fand. „Nike, jetzt sag doch mal, das geht doch so nicht?!“. Nach einem heimlichen Blinzler über die linke Schulter entdeckte ich nichts weiter als eine Frau mittleren Alters, die dem Frühlingsanfang im Minirock huldigte. Ein paar Knie mit etwas Haut drum herum waren auch noch zu sehen, genau wie stramme, fast kugelrunde Waden. Und jetzt? „Ja, also kann die sich nicht eine Hose oder sowas drüber ziehen?“ Ich brauchte einen Moment bis ich verstand, dass das Internet gar nicht nötig ist, um Body Shaming zu betreiben. Die meisten von uns partizipieren womöglich selbst an dieser Unart, ich selbst ja auch. Ich sage dann zwar nichts, aber ich denke. Und das ist schlimm genug.
Leute, lasst uns einfach mit der Scheiße aufhören. Es wird wirklich Zeit – 2016, hallo. Stattdessen sollten wir grün vor positivem Neid werden, wann immer uns ein Exemplar der überaus raren Gattung von mit sich selbst im Reinen zu sein scheinenden Superfrauen begegnet, ganz gleich in welchem Körper die Gute nun steckt. Im nächsten Schritt könnten wir dann die Sache mit den Komplimenten nochmal üben. Am besten lassen wir dabei den Körper sogar komplett außer Acht und konzentrieren uns stattdessen auf das Eingemachte. Die Ausstrahlung zum Beispiel – Die lässt sich nämlich weder durch lange Kleider verstecken, noch durch Wonder Bras herbei zaubern. Nur logisch also, dass der ganze Kladeradatsch, der da an der Aura noch mit dran hängt, in Wahrheit in etwa so schnurzpiepegal ist wie jedes Kilo zu viel oder wenig auf den Rippen.