Jessie Kahnweiler lebt zusammen mit ihren Pflanzen in Los Angeles, ist Künstlerin auf ziemlich vielen Ebenen, noch dazu Drehbuchautorin, Feministin und womöglich auf dem besten Weg dahin, in die Fußstapfen von Lena Dunham zu treten. Weil sie sich keine Therapie leisten kann, dreht sie stattdessen Youtube-Videos und macht Kurzfilme. Auch, um sich auf der Welt zuhause zu fühlen, aber vor allem, um Themen auf den Tisch zu bringen, die von der Gesellschaft und manchmal auch von uns selbst nur allzu gern unter den Teppich gekehrt werden. Die eigene Vergewaltigung zum Beispiel („Meet my rapist“ wurde 2014 beim Sundance Festival gezeigt), rassistische Privilegien oder Bulimie.
Und dann ist da noch „The Skinny„, Kahnweilers neueste Dark-Comedy-Webserie, in der sich die Regisseurin und zugleich Protagonistin offenbar hin und wieder selbst spielt. Die 10-minütigen Episoden erzählen vom Krieg führen gegen den eigenen Körper, vom Wahnsinn, Freundschaft, und dem Drama als Millenial mit all seinen Zweifeln und Möglichkeiten geboren worden zu sein – nicht selten möchte man durch den Bildschirm springen, um Jessie am Schlafittchen aus der sichtbaren Zone des Internets zu ziehen.
„The Skinny“ ist keineswegs genial, ich bin mir aber ziemlich sicher, dass Jessie es ist und zwar gleichermaßen als Hauptfigur (die ebenfalls Jessie heißt) und Drehbuchautorin. Irgendwie schafft sie es mit jeder Folge, den Horror des Lebens mit Humor zu nehmen und zwar so sehr, dass man beim Anschauen ihrer Marotten als Bulimie-Kranke, die gern ein Youtube-Starlett wär, nicht selten in einem gigantischen Erdloch versinken will. Die Stärke der Serie an sich liegt damit wohl weniger in der Handlung verborgen als vielmehr im heftigen Auftritt ihrer Charaktere. Manch eine Sequenz mag überzeichnet wirken, am Ende ist es aber gerade diese ungewohnte und ungeschönte Ehrlichkeit, die uns Jessie, ihrer jüdischen Glucken-Mutter und dem Ex-Freund, der gerade frisch aus der Entzugsklinik kommt, näher bringt als sämtlichen anderen Anti-Helden der Serienlandschaft. Wo GIRLS also noch zaghaft an unserer Schamgrenze kratzt, sitzen wir bei The Skinny schon längst bis zum Haaransatz in feuerroter Farbe und wünschen uns nichts sehnlicher, als dass es doch bitte bald erträglicher werden würde. Nicht für uns, sondern für die junge Frau, die da vor unseren Augen scheitert, aufsteht, weitermacht, sich zwischendurch übergibt und nach dem Glück sucht.
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