Um gleich mit der Wahrheit in den Hausflur zu fallen: Dates bereiten mir in etwa so viel Freude wie Kartoffeln schälen und im Grunde ists ja auch kaum etwas anderes. Man muss eben ein bisschen rumpopeln, um irgendwann zum Genuss zu gelangen. Manch eine Langzeitsbeziehungsfreundin sieht das Ganze durchaus positiver als ich, fast schon romantisch-verklärt: als Singlefrau lebe man schließlich im unerschöpflichen Schlaraffenland der Leckerbissen, ganz so, als würde hinter jeder zweiten Ecke ein knuspriges Männer-Croissant nur darauf warten, endlich angeknabbert zu werden. Das ist vielleicht sogar fast wahr. Hätte der Ofen des Lebens das männliche Auslage-Sortiment nicht hier und da ein wenig zu heiß gebacken. Oder sogar zu kurz. Nach dem ersten Bissen bleibt dann nichts als eine einzige halbgare Schweinerei übrig, obwohl das Antlitz gerade doch noch so makellos gülden erschien. Verschwendete Liebesmüh nennt man solche Fälle und Momente, in denen man seinen Kopf am liebsten schon nach den ersten drei W-Fragen und vor dem Hauptgericht feste auf den in Kerzenschein getränkten Dinner-Tisch knallen will. Als Alternative zum polnischen Abgang, in der Hoffnung rasch ohnmächtig und von starken Sanitätern vor der fortlaufenden Katastrophe gerettet zu werden.
Ich bleibe meist einfach sitzen, schon allein deshalb, weil ich seit jeher Sklavin meiner antrainierten Höflichkeit bin. Jedenfalls habe ich dann irgendwann den Salat und noch dazu das Stück Bratkartoffel auf meinem Sofa sitzen.
Man könnte spätestens jetzt so etwas ehrliches sagen wie „Wenn du Romeo bist und ich Julia, dann wären wir lieber sofort gestorben“, aber dazu fehlt mir der Mut, man will ja nicht, dass das Gegenüber denkt, es läge an ihm. Also fange ich irgendwann an, mich subtil daneben zu benehmen. How to lose a guy in 10 days – ihr erinnert euch. Geht aber auch gern schief. Einmal, ich war natürlich noch viel jünger als jetzt, habe ich ein bisschen Gras ausgepackt, das meine spirituelle Mitbewohnerin nach einer Meditiations-Einheit im Wohnzimmer vergessen hatte, es sorgfältig auf dem Couchtisch ausgebreitet und anschließend eines der getrockneten Blätter zwischen Daumen und Zeigefinger genommen, um es mir mit einer übertrieben lasziven Handbewegung in den Wangenbeutel zu legen. Ich hätte Asthma, deshalb würde ich schon lange nicht mehr kiffen, aber ohne sei mit mir wirklich nicht gut Kirschen essen. Die Bratkartoffel schaute mir verliebt in die Augen und nahm sich auch ein Stück. Immerhin konnten wir nicht mehr küssen.
Aus Fehlern lässt sich bekanntlich lernen. Was man aber nicht lernen kann, oder zumindest nur sehr schwer, ist das Ich-Bleiben und Lässig-Sein im Angesicht des schönsten Hörnchens von allen, das noch dazu mit Nougat-Creme gefüllt ist, statt mit dünner Luft. Dann wird es richtig schlimm und womöglich mutiert man sogar selbst zur Kartoffel, noch bevor das 4-Sterne-Dating-Desaster überhaupt seinen Lauf nimmt. Ich zum Beispiel schaffe es vor lauter Panik häufig noch nicht einmal zur ersten Verabredung. Mein Terminkalender ist auf Nachfrage bis übernächstes Jahr voll, Hunger habe ich nur bei Vollmond, Kinofilme zerstören mein Weltbild und beim Spaziergehen blendet mich die Sonne. Nach der fünfzehnten Einladung geben die Balzenden meist auf, ich lösche den Verlauf aus dem Handy, verdränge alle heimlich gehörten Hochzeitsglocken aus der blühenden Phantasie und fange von vorn damit an, kein Date zu haben.
Das hat einen einzigen, universellen Grund: Es macht mich fertig, in Momenten der Balz gefallen zu müssen, ich weiß das aus Erfahrung. Schon allein der Gedanke an mit Selbstvermarktung belegte Pizza beim Italiener bereitet mir Durchfall. Lieber wäre es mir, der Angeschmachtete würde heimlich Mäuschen spielen und sich ganz nebenbei und unauffällig in meine flachen Witze und vielen Macken verlieben, die sich allesamt schrecklich schlecht auf dem verabredeten Präsentierteller servieren lassen. Geht es nämlich wirklich um die Wurst, rutscht mir das Hirn noch nicht einmal in die Hose, sondern komplett zu den Ohren heraus. Ich gebe höchstens vier-Wort-Sätze von mir oder viel zu viele. Ich sage Sachen, die ich nicht so meine und lasse das Wichtigste weg. Ich vergesse zu Schlucken und sammle Sprechkäse in den Mundwinkeln, statt die roten Lippen zu spitzen. Bei Nervosität fasse ich mir so ungünstig an die Nase, dass es aussieht, als würde ich popeln. Ich vertausche die Namen sämtlicher Literaten und Philosophen, benutze Schweinskramswörter, wenn ich über Politik rede und mache zu lange Pausen, wenn ich nachdenken muss. Ich schiele, wenn ich mich aufrege und schnaube statt zu lachen. Ihr kennt das vielleicht. Freundinnen packen hier schrecklich gern die Keule der liebeswerten Eigenarten aus, während sie mich scharf ausschimpfen, weil so viel Selbstzweifel ja wohl wenig mit Emanzipation zu tun hätten. Furcht interessiert sich aber nicht für feministische Parolen und ich schwöre euch, meine Angst vor Dates ist beinahe pathologischer Natur.
Sollte mich allerdings jemals eine SMS mit den Worten „Wollen wir uns morgen Nachmittag an die Spree setzen und nicht miteinander reden?“ erreichen, ich wäre Feuer und Flamme und auf jeden Fall da. Welch wahnsinnig wohlige Utopie: kein Kreuzverhör, kein Druck, keine peinlichen Pausen. Nur ein erstes gemeinsames Schweigen, der Himmel und wir. Und da, wo wir säßen, würde ich ein Croissant in ein Herz aus Sand malen, mit einer Kartoffel daneben.