In den Medien geistern die immer gleichen Bilder von Frauen herum: weiß, schlank, haarlos. Die australische Schauspielerin Caitlin Stasey will dem mit ihrer Seite Herself.com etwas entgegensetzen – und nimmt dafür berufliche Nachteile in Kauf.
Jeder hat so seine guilty pleasures und zu meinen gehört die TV-Serie Reign. Eindeutig keine Serie, mit der man andere Serien-Fans beeindrucken kann – ist halt kein Breaking Bad. Egal. Ich mag Reign und ich mag die Geschichte der schottischen Königin Mary Stuart, die darin erzählt wird. Wobei man es dabei mit den historischen Fakten nicht so genau nimmt und das Ganze oft eher was von Gossip Girl im 16. Jahrhundert hat. Sex, Skandale, schöne Kleider. Und haufenweise gutaussehende Menschen, die mit britischem Akzent sprechen. Schmacht.
Frauen in den Medien: haar- und hilflos
Ohne Reign wäre ich außerdem nie auf Caitlin Stasey gestoßen, die in der Serie Marys Hofdame Kenna spielt (oder eher: spielte – dazu später mehr). Diese 1990 in Melbourne geborene Caitlin Stasey ist seit Monaten mein #womancrush. Warum? Das ist erstmal nicht so offensichtlich.
Bevor sie ab 2013 als Kenna den französischen König verführte, spielte Stasey u.a. in der australischen Soap Neighbours mit. So weit, so unspektakulär, und auch als Kenna interessierte die Australierin mich eher am Rande. Aber dann startete Stasey Anfang 2015 ihre eigene Webseite Herself.com und selbst der Spiegel berichtete. Kein Wunder, es ging ja auch um nackte Frauen. Tatsächlich sind auf der Seite jede Menge kunstvoll fotografierte, nackte Frauen zu sehen, begleitet von ausführlichen Interviews mit den Fotografierten: Have you ever been embarassed, burdened or ashamed of your sexuality? What are your feelings about contraceptives? Where do you feel unsafe as a woman?
Auch Caitlin Stasey selbst ließ sich nackt fotografieren. Im dazugehörigen Interview sagt sie: „We have come to understand the world as a ‚Man’s space‘ and that we women are merely travelling through that space, and although not all people feel this way, it is evident in catcalls, street harassment and the constant pursuit of women by strange men.” Es ist dieser männliche Blick, der male gaze, den die Schauspielerin kritisiert. Sie erlebt ihn insbesondere in den Medien: „It depicts us as sexless unless corrupt, hairless unless masculine & helpless unless evil. We’re not allowed to be gross or crass & intelligent, or beautiful & funny. We have to fit into neat little boxes.”
Vielfalt weiblicher Körper
Herself.com kehrt den male gaze um, indem es den Frauen überlassen wird, wie sie sich darstellen: „Women’s bodies are so often taken from them, objectified, sexualized, used to sell something”, kritisiert Caitlin Stasey. Ihre Seite soll deswegen ein Ort für Frauen sein, an dem diese ihre Körper so darstellen, wie sie es möchten und ihre Gedanken zu einer Bandbreite an Themen teilen – von Sex über Identität bis hin zu Körpergefühl. Eine Seite von Frauen für Frauen, wo eine Vielfalt weiblicher Körper gezeigt werden: schwarze, weiße, dicke, schlanke. Alle in Szene gesetzt von weiblichen Fotografen. Kommentarfunktion? Gibt es nicht. Stasey möchte den Frauen auf Herself.com die Möglichkeit geben, eine Meinung zu haben, sich offen auszudrücken – ohne Gefahr zu laufen, in den Kommentaren von Mansplainern, Trollen oder anderen Dumpfbacken angegriffen zu werden.
Nun könnte man sagen: Eine wie Caitlin Stasey hat ja gut reden. Sie ist weiß, schlank, mit langen Haaren und Rehaugen, entspricht also dem gängigen Schönheitsideal. Mal ehrlich, wie schwer kann so eine es haben? Tatsache ist, Staseys feministisches Engagement hat für sie konkrete berufliche Folgen gehabt. Als Frau eine Meinung zu haben und den Mund aufzumachen, gilt bei vielen eben immer noch als unattraktiv. Und wenn das dann auch noch von einer Art Nacktprotest begleitet wird… Zufall oder nicht, dass Staseys Kenna Ende der zweiten Reign-Staffel auf Reisen ging und in der dritten Staffel (seit Ende 2015 und damit nach dem Launch von Herself.com) nicht mehr gesehen wurde? In einem Interview mit The Daily Beast stellte Stasey fest: „I have not been offered any films. I have to struggle against it every day to prove to people that I can act despite it.” Für eine Frau sei es zwar okay, nackt in einer Serie oder einem Film aufzutauchen (sprich: wenn diese Nacktheit sich an Männer richtet) – nicht aber, sich zu ihren eigenen Bedingungen nackt zu zeigen.
Sex sells
Das Magazin The Good Weekend hatte auch so seine ganz eigenen Bedingungen. Nach dem Launch von Herself.com führte es ein Interview mit Caitlin Stasey. Darin ging es, natürlich, um Herself.com und Staseys feministisches Engagement. Für die Bebilderung hatte man(n) dann auch gleich eine tolle Idee: ein sexy Fotoshooting in Unterwäsche. Nach einigem Hin und Her zog Caitlin Stasey das Interview zurück – lieber gar kein Interview als so eines. Der Chefredakteur des Magazins verbreitete derweil über die Medien die Version, das sexy Shooting sei mit Stasey abgesprochen gewesen. Zickige Caitlin. Die wiederum schrieb für die feministische Seite Jezebel schrieb einen wütenden Essay über diese Episode: When a magazine only wants you if you’re willing to pose nude.
Mittlerweile hat Caitlin Stasey sich damit abgefunden, dass viele Menschen denken, sie sei immer zickig, wütend und freudlos. Das war früher anders: „I’ve been so concerned with not alienating people, not offending people, that I’ve become quite fearful”, sagte Stasey im Rahmen des What’s Underneath-Projekts von StyleLikeU. Auch heute noch kämpft die Schauspielerin gegen Unsicherheiten, hadert ab und zu mit ihrem eigenen Körper und wäre gerne selbstbewusster. Das hält sie aber nicht davon ab, öffentlich wütend zu sein, auf Ungerechtigkeit und Diskriminierung aufmerksam zu machen – manchmal durchaus auch mit Hilfe ihrer Achselhaare. Die ängstlichen Zeiten sind eindeutig vorbei.
Von Julia Korbik
Julia Korbik ist freie Journalistin und Autorin. Das Kompliment vom Sportlehrer, sie mache Liegestütze so gut wie ein Junge, fand Julia Korbik schon in ihrer Schulzeit daneben. In Frankreich und Deutschland studierte sie European Studies, Kommunikationswissenschaften und Journalismus – und ärgerte sich über Leselisten, die nur männliche Autoren enthielten. Bevor es sie 2012 nach Berlin und zum Debattenmagazin The European verschlug, arbeitet sie u.a. für die WAZ und Cafébabel. 2014 erschien Julias Buch Stand Up. Feminismus für Anfänger und Fortgeschrittene (Rogner & Bernhard).