Es ist gar nicht so einfach, als Frau in einem roten Kleid durch die Stadt zu flanieren, ohne dabei angestarrt zu werden. Oder angepfiffen. Als sei man ein Stier oder so etwas, allzeit bereit jedenfalls und überaus willig ungefragt Kommentare unterschiedlichster Art zu empfangen. Das war mir bis gestern nicht klar, ich besaß nämlich noch nie zuvor ein solches Exemplar in Erdbeerfarben. Und Lust auf Ringelpiez hatte ich in Wahrheit wirklich überhaupt nicht, an meiner Aura kann es also nicht gelegen haben, ganz im Gegenteil, ich war ja noch nicht einmal zu kommunizieren in der Lage, als man mir schon Frivolitäten aus einem fahrenden Auto heraus hinterher rief. Dabei hatten Lio und ich gerade erst um ein Haar die Tagesmutter verpasst und zwar nachdem sein Müsli auf dem Boden, die Zahnpasta auf den Füßen und meine Nerven im Keller gelandet waren. Das ist übrigens noch so eine wahre Wonne: Eine Frau im roten Kleid, die einen Kinderwagen schiebt – die Legitimation für quasi alles.
Jetzt kann man natürlich argumentieren, dass man durchaus auch hätte ein graues Kleid wählen können, wenn man doch ohnehin viel lieber unsichtbar geblieben wäre. Ja, aber nein. Es muss doch möglich sein, einen Springbrunnen der guten Laune gegen den vermasselten Start in den Tag ausführen zu können, ohne dabei Unhöflichkeiten zu erfahren. Es ist ja nicht so, als würde ich mich nicht über ein ernst gemeintes Kompliment oder gar ein Lächeln freuen. Auch Kritik vertrage ich, aber was bitteschön soll ich denn auf „Böh, darf ich deine Beine lecken? „antworten. „Klar, macht dann ein Eis am Stiel, bitte.“? Ja, nun. Ihr würdet es ja eh nicht tun. Dann lasst doch einfach die dumme Quatscherei und schenkt Kleidern, die ihr mögt, ein nettes Lächeln. Danke.
Kleid: H&M (die Träger habe ich mir kürzer genäht) // Slipper; Gucci // Tasche: thanks to Closed