Ich hatte mal einen Freund, irgendwann in wilden Jahren, der sagte, ihm sei es ja im Grunde genommen recht egal, welche Größe oder Kleine der Busen seiner Angetrauten habe, aber im Bikini, da sähe so ein bisschen mehr Vorbau schon sehr viel besser aus, man denke ja nur mal an die üppig bestückten Covergirls der Sports Illustrated oder an Victoria Secrets Laufstege, in heißen Gewässern wie diesen würden sich schließlich auch keine Waschbrett-flachen Model-Fische tummeln. Ich hatte auch eine Freundin, die interessierte sich eigentlich überhaupt nicht dafür, wer wo wann wieviel Oberweite mit sich herum zu schleppen hatte, bloß wirkten mondgroße Möpse ihrer Meinung nach leider zweifelsohne primitiv, da nutze weder ein adretter Ausschnitt, noch eine bedeckende Mönchs-Kutte irgendwas. Ich hatte mal einen Gedanken dazu, der da lautete: Warum müssen wir überhaupt noch drüber reden. Über, pardon, Titten.
Wir haben ja schließlich alle welche, sogar Männer. Allerdings sprechen wir im Vergleich nur äußerst selten über die beiden Extreme der Wonne weicher Man Boobs oder steinharter Vierecke mit Adonis-Nippeln dran. Ohnehin scheint es, als sei das Busen-Bewusstsein der meisten männlichen Wesen unantastbar, sogar der dicke Ulrich fährt im Sommer oben ohne durch sein Dorf. Fahre ich hingegen zwar nicht ganz ohne, aber immerhin ohne Büstenhalter mit der U8 gen Berlin Mitte, traut die Menschheit zuweilen ihren eigenen Augen kaum. Aus selbigen lassen sich dann Gedanken wie „Ach du Scheiße, das wippt ja voll, und da, schau, eine Brustwarze, nein sogar zwei, aber wo eigentlich, das hängt ja schon, Pfuiteufel.“ heraus lesen.
Oder neulich, ich schwang gerade selbstverloren das Tanzbein, während ich eine nachtblaue Bluse mit gewagtem Ausschnitt trug (man sah überhaupt nichts, weil da ja nunmal fast überhaupt nichts ist), als eine weibliche Stimme neben mir immer lauter wurde, ich konnte sie irgendwann ganz deutlich reden hören. Oder eher schimpfen und zwar über mich und meinen obszönen Ausgeh-Look. Der Kumpel, der das Getratsche abbekam, zwinkerte mir beim Beäugen des Auslösers für den Ärger lange lüstern zu. Ich glaube, er antworte seiner Whiskey-Gefährtin ausschließlich mit Zunge-Schnalzen und dachte ansonsten nicht viel, außer vielleicht, dass es durchaus als Kompliment durchgehen könne, eine Fremde samt ihrer zwei tiefer gelegten Busenaugen mit einem beharrlichem Starren zu beglücken. Man hat ja schließlich sonst keine Freuden als Frau mit laszifen Ausschnitt, und nur eine einzige Absicht: Geil sein. Willig. Und diebisch, wenn es um anderer Frauens Männer geht.
Zur Erinnerung: Wir schreiben das Jahr 2016. Demnach übernahm der BH vor mehr als 90 Jahren die Rolle des Befreiers, weg mit dem Korsett, hurra. Später dann wurde er als Symbol der Unterdrückung öffentlich verbrannt, überall wippte und baumelte es, in allen erdenklichen Formen. Heute machen wir uns Gedanken darüber, ob ein kleiner Busen edler ist als ein großer oder ein großer betörender als ein kleiner. Wir betreiben Slut-Shaming wann immer eine Frau tief blicken lässt, wenn sie den üppigen Vorbau bis unters Kinn schnallt und sich genüsslich-gut dabei fühlt. Die freie Sicht bis runter zum Bauchnabel missfällt uns auch dann, wenn gar kein Busen vorhanden ist. Ist kein BH da, wird das Unbehagen des Betrachters besonders groß. Selbst bei 30 Grad im Schatten. Finde den Fehler, der die Freiheit auffrisst.
Ulkig genug, dass wir Frauen es uns tatsächlich noch immer (gegenseitig) schwer machen, ganz so, als würden all die kleinen Einschränkungen durch zufälligen Sexismus nicht längst genügen. Aber vielleicht können wir ja gar nicht anders. Weil sich so vieles um unsere Möpse dreht, irgendwie immer, irgendwo. Weil sie nicht Körperteil sind, sondern Sex. Das macht verletzlich und garstig und auch konkurrierend.
Ich mache da nicht mehr mit. Es gibt in der Welt des zierenden Bindegewebes nunmal kein besser, schöner, heißer. Nur ein anders. Und ich hätte bitte gerne die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, was ich mit diesen zwei Brüsten anfange, die viel zu lange nicht ganz richtig waren, zu klein eben, dann zu Milcheinschuss-monströs und später zu leer und platt und schlaff. Ich möchte sie hochschnallen und in ein enges Kleid quetschen können, ohne dass der Rest meines Seins damit für mein Gegenüber unsichtbar wird. Ich möchte im Sommer Freischwingerin unterm Spaghetti-Top sein, wenn die Sonne scheint, ohne verstörte, lüsterne oder angewiderte Blicke. Ich möchte endlich wieder Stolz empfinden dürfen für meinen Körper und tragen, was womöglich nur mich allein anspricht. Nicht, weil ich andere aufreizen oder verärgern, sondern weil ich mir selbst gefallen möchte. Weil es mir dabei scheiße nochmal nicht um meinen Busen geht, sondern um das, was mich da kleidet. Weil Brüste nicht Accessoire sind, sondern Natur. Sie sind einfach da. Und schön in jedem Zwirn, jeder Form, Größe und Farbe. #freeyourboobs. Mehr sage ich dazu jetzt auch wirklich nicht mehr, versprochen.