Der neue – weibliche – Ghostbusters-Film ist zur Abstimmung darüber geworden, ob Filme von bzw. mit Frauen überhaupt jemand sehen will und ob diese gut sind. Das nervt.
Ein Nachmittag im Kino, voller Erwartung auf den neuen X-Men-Streifen. Während auf der Leinwand der gefühlt hundertste Trailer zu irgendeinem Film läuft, dreht sich mein Bekannter zu mir: „Guckst du dir eigentlich den neuen Ghostbusters-Film an? Mit den Frauen?“ „Klar“, sage ich, woraufhin mein Bekannter das Gesicht verzieht: „Aber der hat auf Youtube total schlechte Kritiken bekommen. Ich glaube, der Film ist echt mies – und das sage ich nicht, weil die Hauptpersonen Frauen sind.“
Ich bin baff: Seit wann gelten Youtube- „Kritiken“ ( = Klicks auf den Daumenhoch/Daumenrunter-Button plus User-Kommentare) als Hinweis darauf, ob ein Film gut oder schlecht ist? Und warum muss extra betont werden, das Problem seien nicht die Frauen – wenn sie es offensichtlich sind? (Letztens las ich einen Artikel, der ernsthaft den Titel trug: I despise Hillary Clinton and it has nothing to do with her gender – genau, schon klar). Ich werde den neuen Ghostbusters-Film mit Kristen Wiig, Leslie Jones, Melissa McCarthy und Kate McKinnon gucken, keine Frage: Jede einzelne dieser Frauen finde ich witzig und unterhaltsam und warum sollte die Kombination aus all diesen Frauen nicht einen lustigen Film ergeben?
Männliche Fanboys fühlen sich verraten
Allerdings: Ich habe mittlerweile auch Angst, den Film zu sehen. Was, wenn er schlecht ist? Unwitzig? Dumm? Eigentlich sollte Ghostbusters ein Feel-Good-Summer-Movie sein, eines, das man sich anguckt, um Spaß zu haben und sich gut unterhalten zu fühlen. Tatsächlich ist Ghostbusters aber mittlerweile zu einer Art politischem Akt geworden. Ihn zu sehen ist feministische Pflicht – und wehe, er erfüllt nicht die Erwartungen. Das nervt. Und wem haben wir all das zu verdanken? Gefrusteten Männern, für die weibliche Ghostbusters einer Apokalypse nahekommen, die alles vernichtet, was ihnen lieb und teuer ist. Sie klickten so oft den Daumenrunter-Button auf Youtube, dass der Filmtrailer nach seiner Veröffentlichung im März 2016 schnell zum „most-disliked movie trailer in Youtube history“ wurde. Gratulation zu dieser konzertierten Aktion! Bei den Kommentatoren unter dem Trailer scheint es sich hauptsächlich um Männer zu handeln, die in dem Film einen Angriff auf ihre Kindheit sehen: Es kann nur ein Ghostbusters geben (nämlich den Film von 1984 mit Billy Murray, Dan Aykroyd, Harold Ramis und Ernie Hudson)! Als ob durch ein Remake der Original-Film irgendwie inexsistent gemacht würde.
Seit der Reboot des 1984er Films und das Casting von Melissa McCarthy & Co bekannt gegeben wurde, macht eine kleine, aber gut organisierte Gruppe von männlichen Online-Trollen und Fanboys Stimmung gegen das Projekt. Das sei ja auch eine Form von Sexismus, so eines der logischen Argumente, wenn man nun alle Männer durch Frauen ersetze. Die Fanboys fühlen sich verraten – ein Remake mit einem Cast, der so ganz anders ist als der im Original? Skandal! Viele von ihnen „wissen“ jetzt schon, dass der Film mies sein wird, warum sich also im Kino selber eine Meinung dazu bilden? Geldverschwendung! Auch der beunruhigend orange-leuchtende, professionelle Frauen- und Minderheitenhasser Donald Trump hat dazu eine Meinung: „They’re remaking Indiana Jones without Harrison Ford – you can’t do that! And now they’re making Ghostbusters with only women. What’s going on?”
Männer gelten nicht als Risiko, Frauen schon
Ja, what’s going on? Vor allem doch das: Seit dem Überraschungshit Bridesmaids von 2011 steht fest, auch Frauen können lustig sein. Klingt komisch, ist aber so. Trotzdem haben solche Filme es nach wie vor schwer, überhaupt auf die Leinwand zu gelangen. Wenn ein Film, mit männlichem Regisseur und männlichen Hauptdarstellern schlecht läuft, ist das halt so. Der nächste Film dieser Art kommt bestimmt. Auf Filme von Frauen mit Frauen trifft das nicht zu – jeder Film von einer Regisseurin und/oder mit weiblichen Hauptdarstellern wird zur Abstimmung darüber erklärt, ob Filme von bzw. mit Frauen überhaupt jemand sehen will und ob diese gut sind. Wie oft schon habe ich von männlichen Freunden gehört, der Film Sisters von 2015 mit Amy Poehler und Tina Fey sei wirklich wirklich schlecht – Freunde, die sich trotzdem jeden Adam Sandler-Film anschauen. In Hollywood gilt: Mit Männern ist man bereit, ein Risiko einzugehen. Mit Frauen nicht. Beziehungsweise: Männer gelten einfach generell nicht als Risiko, Frauen schon.
All das führt dazu, dass Ghostbuster die an ihn gestellten Erwartungen überhaupt nicht erfüllen kann. Im Rennen um den Sommer-Blockbuster ist der Film zu „dem“ feministischen Kandidaten mutiert – wenn er schlecht läuft oder schlechte Kritiken bekommt (oder beides), wird das vermutlich direkte Auswirkungen auf die Chancen von Frauen in Hollywood haben, vor und hinter der Kamera. Das nervt. Ghostbusters sollte unterhalten, zum Lachen bringen, eine Geschichte erzählen. Er sollte nicht zum erneuten Beweis dafür werden müssen, dass Frauen a) lustig sein können und b) Menschen diese lustigen Frauen auf der Leinwand sehen wollen. Ghosbusters startet am 4. August in Deutschland. Ich werde mir ein Ticket dafür kaufen, wahrscheinlich viel lachen und am Ende das Kino mit dem Gefühl verlassen, gut unterhalten worden zu sein. Und um mehr sollte es dabei eigentlich auch nicht gehen.
Von Julia Korbik.
Julia Korbik (*1988) lebt als freie Journalistin und Autorin in Berlin. 2014 erschien ihr Buch Stand Up. Feminismus für Anfänger und Fortgeschrittene (Rogner & Bernhard). Julia ist Gründerin und zuständige Redakteurin von Mind the Gap, der Gender-Rubrik des sechssprachigen Europa-Onlinemagazins cafébabel. Auf ihrem Blog Oh, Simone dreht sich alles um die französische Schriftstellerin und Philosophin Simone de Beauvoir.
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