Geht es um Feminismus und Aktivismus, fallen oft immer gleichen Namen: Klar, Lena Dunham und Co sind toll – aber es gibt noch so viele andere Menschen, die zu entdecken sich lohnt. Hier sind also neun junge Frauen und ein*e Transgender, die zu merken sich lohnt.
Caitlin Stasey (Schauspielerin)
Caitlin Stasey ist vor allem für ihre Rolle als sexy Hofdame Kenna in der Serie Reign bekannt. Reign hat Stasey aber schon lange hinter sich gelassen – genauso wie ihre Bereitschaft, Kompromisse zu machen. Sie will nicht die sexy aussehende, unkomplizierte junge Frau sein, die sich für ein Interview bereitwillig in Dessous fotografieren lässt. Stattdessen spricht Stasey öffentlich über Sexismus in der Filmbranche und zieht sich zu ihren eigenen Bedingungen aus, nämlich für ihre Webseite Herself.com. Die kehrt den allgegenwärtigen male gaze um – eine Seite von Frauen für Frauen. Ob durch vegane Ernährung oder Busen-Blitzer auf Instagram: Caitlin Stasey will diese Welt auf ihre ganz eigene Art zu einer besseren machen. Nemi El-Hassan (Poetry Slammerin und Aktivistin) Nemi El-Hassan wurde im Januar 2015 quasi über Nacht deutschlandweit bekannt – und all das dank AfD und Co! Naja, so ähnlich. El-Hassan nahm an der Veranstaltung „offen und bunt“ in Dresden teil – ein Protest gegen die Pegida-Bewegung. Vor einem riesigen Publikum betrat die Berliner Humanmedizin-Studentin die Bühne und legte mit ihrem Poetry Slam los: „Angst, Angst, Angst. Die Welt hat Angst, Deutschland hat Angst“. Seitdem ist El-Hassan nahezu unermüdlich unterwegs, Deutschland von seiner Angst vor dem vermeintlich Fremden zu befreien. Das macht sie in Form von Kolumnen, Slams, Vorträgen oder zusammen mit dem von ihr mitgegründeten Kollektiv Datteltäter. Letztere wollen mit Humor darüber aufklären, wie Muslime denn nun wirklich sind und drehen dafür regelmäßig unterhaltsam-ironische Videos – zum Beispiel über den sogenannten „Islamischen Staat“ oder den Ramadan. Als ob all das noch nicht genug wäre, schreibt El-Hassan auf Facebook auch noch nachdenkliche und zum Nachdenken anregende Texte: Darüber, wie es ist, als kopftuchtragende Muslima in Deutschland zu leben oder plötzlich als Expertin für Terror und Frauenunterdrückung zu gelten. Elizabeth Plank (Journalistin)
Wenn die kanadische Journalistin nicht gerade den feministischen Schwiegermutter-Traum Justin Trudeau zum Interview trifft, beschäftigt sie sich mit den Sorgen und Nöten der „Millenials“ oder heimst Preise für ihre Online-Serie Flip the Script ein, in der es um Themen wie Feminismus, Anti-Islamismus und Homophobie geht. Liz Plank ist lustig, schlau und telegen. Ihr neues Projekt heißt 2016ish: Eine Serie, in der die Journalistin sich mit der anstehenden US-Wahl beschäftigt. Ob Transgender-Rechte, Gender Pay Gap oder Donald Trump – Plank nimmt sich all dieser Themen an und gibt den Menschen eine Stimme, die viel zu oft nicht gehört werden. Kurzweilig, aber immer informativ.
Amandla Stenberg (Schauspielerin und Aktivistin)
Viele kennen Amandla Stenberg noch als kleine Rue im ersten Teil der Hunger Games-Reihe. Seitdem ist die Schauspielerin erwachsen geworden, das britische Dazed Magazin erklärte sie 2015 zu „one of the most incendiary voices of her generation“. Tatsächlich hat Stenberg jede Menge zu sagen, zum Beispiel über cultural appropriation. Immer wieder weist sie darauf hin, wie weiße Menschen sich z.B. afroamerikanische Frisuren aneignen und diese dadurch plötzlich als cool gelten – aber nur, weil Weiße sie tragen. Hör gut zu, Kylie Jenner! Ein anderes wichtiges Thema für Stenberg ist Intersektionalität, also Mehrfachdiskriminierung: Eine schwarze Frau erlebt Diskriminierung anders als eine weiße, eine lesbische Frau wird auf eine andere Art diskriminiert als eine heterosexuelle. Stenberg selbst bezeichnet sich als nicht-binär und bisexuell. Bethany Cosentino (Musikerin)
In einer coolen Indie-Rock-Band zu spielen ist sicher der Traum vieler und so gesehen hat Bethany Cosentino das große Los gezogen: Seit 2009 ist sie als Sängerin, Songwriterin und Gitarristin Teil der Band Best Coast. Was eher nicht so traumhaft ist, sind die Belästigungen und sexistischen Kommentare, mit denen Cosentino sich als Leadsängerin herumschlagen muss. Irgendwann reichte es Cosentino – sie schrieb einen wütenden Essay für Lena Dunhams Lennyletter: „I recently read a review that mostly lauded a Best Coast show — it specified how great the band sounded and how „sexy“ I looked — but it bemoaned my lack of smiling. (…) This reviewer’s gendered critique of my presence onstage revealed how he thought a woman who he saw as „sexy“ should behave.” Wenn mehr Frauen diese Missstände anprangern, davon ist Cosentino überzeugt, macht das anderen Mut, das gleiche zu tun. Schweigen ist eben nicht immer Gold.
Jessica Williams (Schauspielerin und Stand-up-Comedian)
Erst zarte 22 Jahre war Williams alt, als die Daily Show sie anheuerte – und außerdem die erste afroamerikanische Frau unter den sogenannten „Berichterstatter“, die Moderator John Stewart (seit September 2015: Trevor Noah) unterstützen. Anfang Juli 2016 gab Williams ihren Ausstieg aus der Sendung bekannt und wir alle müssen nun ohne ihre urkomischen, aber immer relevanten Einlagen auskommen. Einlagen, in denen Williams die Welt unter anderem darüber aufklärte, dass Beyoncé schwarz und Catcalling kein Kompliment ist. Who knew! Bis Williams’s neues Projekt startet – sie entwickelt eine eigene Serie für den Sender Comedy Central – bleibt immer noch, ihrem Podcast 2 Dope Queens zu lauschen, den sie mit der ebenfalls einmaligen Phoebe Robinson moderiert (ernsthaft, Robinsons Scandal-Recaps sind vermutlich der einzige Grund, weshalb überhaupt noch jemand diese Serie guckt – sorry, Shonda Rhimes). Jack Monroe (Aktivist*in) Jack Monroes Karriere begann denkbar unglamourös: Kein Schulabschluss, Arbeit in einer Pommesbude und einer Feuerwache – und dann auch noch ein Baby. Arbeit und Kind zu vereinbaren, war für Monroe unmöglich, zu unflexibel waren die Arbeitszeiten (und die Chefs). Was folgte, war Arbeitslosigkeit und Armut. Und dann, eine gute Idee: Monroe begann, den Blog A Girl Called Jack (später: Cooking on a Bootstrap) zu schreiben, teilte darauf billige Rezepte – Rezepte, die Monroe als Alleinerziehende*r mit einem kleinen Kind erfand. Irgendwann bekam Monroe eine Kolumne im Guardian und schrieb mehrere Kochbücher. Die Erfahrungen mit Armut haben Monroe tief geprägt: Monroe unterstützt heute u.a. Oxfam und Child Poverty Action Group. 2015 outete Monroe sich öffentlich als transgender. Im Guardian schrieb Monroe im Mai 2016: „I’m a little bit female and a little bit male“. Als „Leader“ sieht Monroe sich nicht: „ I don’t consider myself a leader. I live my life and do what I love and feel strongly about, and every now and again when I turn around there are people behind me helping me on. I am here, writing and talking about this at last, because I stand on the shoulders of giants, those pioneers who have gone before me and pushed for these conversations (…)”. Penelope Kemekenidou (Aktivistin) Dinge, die viele Menschen nicht wissen, Folge 3648: In Deutschland zahlen wir 19 Prozent Steuern auf Tampons – während auf andere, für den täglichen Gebrauch notwendige Produkte, nur 7 Prozent entfallen (dazu gehört u.a., völlig logisch, Lachskaviar). Die Münchener Aktivistin Penelope Kemekenidou fand das ungerecht: Sie startete eine Petition zur Senkung der Tamponsteuer. In Frankreich war eine ähnliche Kampagne bereits erfolgreich. Darüber hinaus kämpft Kemekenidou auch gegen die sogenannte „pink tax“: Produkte werden oft völlig unnötig gegendert – pinke Rasierer, anyone? –, die weibliche Version kostet dann mehr als die männliche. Außerdem will Kemekenidou das Thema Menstruation enttabuisieren und setzt sich mit Stop Bild Sexism gegen den Sexismus der BILD-Zeitung ein. Tess Holliday (Model und Aktivistin)
„Plus Model / Mom /Feminist” lautet Tess Hollidays Instagram-Profil und damit wäre schon viel Wichtiges, aber eben nicht alles über die Amerikanerin gesagt. 2013 ernannte die italienische Vogue sie zu einem der „Top 6 Plus-Size-Models“ in der Welt. 2015 unterschrieb Holliday bei Milk Model Management, was sie zum schwersten Plus-Size-Model machte, das von einer Mainstream-Model-Agentur unter Vertrag genommen wurde. Hollidays Körper ist mit Tattoos bedeckt und sie hat kein Problem damit, eben diesen übergewichtigen, speckrolligen Körper nackt zu zeigen – sie definiert lieber selbst, was Schönheit ist, als sich von anderen erzählen zu lassen, wie sie auszusehen hat. Holliday setzt sich für Vielfalt ein, wenn es um Körperformen und Aussehen geht: 2013 startete sie die Bewegung #effyourbeautystandards auf Instagram. Holliday spricht von sich selbst als „fett“ und hat auch mit dem oft kritisierten Begriff „Plus-Size“ kein Problem. Auf Instagram schreibt sie: „Just because we’re plus size, doesn’t mean we have to prove that we’re healthy, just as someone who is smaller than us or average size doesn’t have to prove they are healthy. We should be able to exist in our bodies. I am technically healthy but my body is no more valid than someone’s who isn’t.”
Sarah Maple
Als die britisch-iranische Künstlerin Sarah Maple ein Gemälde namens „The Opposite of a Feminist Is an Arshole“ präsentierte, erhielt sie als Reaktion darauf ein Bild von einem echten Arschloch – charmant. Maple selbst kann darüber nur lachen. Kritik an ihrer Arbeit ist sie gewöhnt: Als Tochter eines weißen Briten und einer muslimischen Iranerin beschäftigt sie sich in ihren Fotos und Gemälden mit Religion, Penissen, Menstruation und haarigen Achselhöhlen. Maple lotet aus, was es heute bedeutet, eine Frau zu sein – und dann auch noch eine mit einem muslimisch-katholischen Hintergrund. Sie selbst sagt: „I always found it difficult culturally knowing where I fit in.“ Ihre Kunst spiegelt diese Wiedersprüche wider: Das Cover ihres aktuellen Buches ziert eine Hidschab-tragende, rauchende Frau (Maple selbst). Eines ihrer Gemälde zeigt Maple nackt, Brüste und Vulva bedeckt mit der Aufschrift „Using my intelligence“. Die Künstlerin beschränkt sich aber nicht auf Fotografie und Malerei, sie veranstaltet auch Performances (z.B. in Form des „Anti-Rape-Cloak“) und dreht Videos (z.B. „Keeping up with the Kapulets“). 2015 gewann Maple ein Sky Academy Art scholarship von 30.000 Euro – die will sie nutzen, um sich in ihrer Kunst dem Thema Redefreiheit zu widmen.
Julia Korbik (*1988) lebt als freie Journalistin und Autorin in Berlin. 2014 erschien ihr Buch Stand Up. Feminismus für Anfänger und Fortgeschrittene (Rogner & Bernhard). Julia ist Gründerin und zuständige Redakteurin von Mind the Gap, der Gender-Rubrik des sechssprachigen Europa-Onlinemagazins cafébabel. Auf ihrem Blog Oh, Simone dreht sich alles um die französische Schriftstellerin und Philosophin Simone de Beauvoir.
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