Rachel Comey hatte eigentlich gar nicht vor, in die Modebranche zu arbeiten, sondern studierte zunächst Bildhauerei und machte ihren Abschluss in Kunst an der University of Vermont. Ihr Umzug nach New York brachte sie allerdings mit Kostüm- und Set-Design in Verbindung und bot ihr die Möglichkeit, letztendlich eben auch Bühnenkostüme zu designen, bevor sie ihr eigenes Label im Jahr 2001 gründete. Auch hier schlug Comey zuallererst eine andere Richtung ein und konzentrierte sich anfangs ausschließlich auf Männermode. Der Durchbruch gelang ihr, als ihre Arbeiten in der Whitney Biennial-Ausstellung gezeigt wurden und David Bowie ein Rachel Comey-Shirt bei der Late Show mit David Letterman trug. Die Amerikanerin hörte sensibelst auf das Kaufverhalten ihrer Kunden und stellte überraschenderweise fest, dass vor allem Frauen zu ihren Fans gehörten, die die Männermode vornehmlich in kleinen Größen ergatterten. Comey disponierte um und entschloss sich im darauffolgenden Jahr, ihr Sortiment um Womanswear zu erweitern. Ein cleverer Schachzug, denn der Laden brummte jetzt erst so richtig.
Rachel Comeys Erfolgsformel? Die Dinge so nehmen, wie sie kommen, Kundinnenbedürfnisse zu verstehen und zu adaptieren. Nachdem die Designerin in der vergangenen Saison ihre Mitarbeiterinnen verpflichtete, die eigenen Kreationen vorzustellen, geht Comey jetzt einen Schritt weiter und widmet sich weiter der Diversität und dem Versuch, ihre Kundschaft noch besser in ihren Lookbooks abzubilden: Mit noch mehr Nahbarkeit, weniger Retusche und ein Potpourri an verschiedensten Stilen. Grund genug, euch die Bilder des Tages aka Comey neueste Winterkollektion für 2016 keineswegs vorzuenthalten.
Gemeinsam statt allein: Hier treffen unterschiedliche Generationen, Frauen mit verschiedenen kulturellen Hintergründen, Rocknudeln, adrette Damen und Mädels von nebenan aufeinander. Einzig und allein die Tatsache, dass Comey gänzlich auf fülligere Damen verzichtet hat, fällt hier fast schon irritierend auf.
Hochglanz suchen wir hier dennoch vergeblich, ebenso wie Make-Up und aufgedrehte Haare. Das Frauenbild in der Modewelt wird zunehmend umgekrempelt: Comeys Entwürfe implizieren das Gegenteil von offensichtlicher Sexyness, dafür sind deren Trägerinnen umso stärker, selbstbestimmter und diverser. Für Rachel gilt Ähnliches wie für Phoebe Philo und Marques’Almeida: Wer wollen wir auf dieser Welt eigentlich sein und was wollen wir sehen? Und: Ist es an der Zeit, wieder mehr Realismus walten zu lassen? fragten wir uns erst kürzlich. Und sind wir überhaupt bereit dafür? Eine Antwort haben wir darauf noch nicht ganz gefunden. Eines aber wissen wir mit Sicherheit: Es braucht mehr Comeys, Philos und Marques’Almeidas, damit mehr Selbstverständlichkeit in unseren Köpfen Platz findet und das Unperfekte wirklich perfekt wird.
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