Der Grund, warum ich vor vielen Jahren angefangen habe, mich mehr mit Nachhaltigkeit zu beschäftigen, war der wohl zweithäufigste Begriff, der in Inhaltsstoffen auftauchte: „pflanzliches Fett“. Ich hatte kurz zuvor erfahren, dass es sich dabei in den allermeisten Fällen um Palmöl handelt. Das wäre ja bis zu dieser Stelle auch alles überhaupt kein Problem, wenn die Produktion des Öls in den Hauptanbauländern Indonesien und Malaysia nicht eine ökologische und soziale Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes wäre.
Und das meine ich wortwörtlich so: Jedes Jahr sterben durch die Palmölproduktion mehr als 2000 vom Aussterben bedrohte Orang-Utans und alleine in Indonesien wurden bereits mehr als 10 Millionen Hektar Regenwaldfläche für den Anbau von Ölplantagen zerstört. Dazu werden Kleinbauern und Ureinwohner von ihrem Land vertrieben – und das alles unter den Augen der teilweise korrupten Regierungen. Die Informationslage über die Produktionsbedingungen ist derart vernichtend, dass man eigentlich sofort und auf der Stelle alle Produkte boykottieren muss, die besagtes Öl enthalten. Palmöl ist aber leider extrem vielseitig einsetzbar und findet sich deshalb alleine im Supermarkt in jedem zweiten Produkt – in nahezu jedem Shampoo, in jeder (!) Margarine, in Waschmitteln, Schokoaufstrichen, Keksen, Make-Up und Lippenstift, you name it. Ein Verzicht scheint unter diesen Umständen absolut unmöglich. Was aber kann ich tun, um möglichst wenig Palmöl zu konsumieren? Welche Siegel gibt es und ist eventuell biozertifiziertes Palmöl eine Alternative?
Was ist Palmöl und wie wird es gewonnen?
Palmöl gehört seit ungefähr 10 Jahren zu den wichtigsten Pflanzenölen der Welt und wird aus den Früchten der Ölpalme gewonnen. Nach der Ernte müssen die Früchte möglichst schnell verarbeitet werden, um nicht zu verderben. Dies geschieht in lokalen Ölraffinieren, wo die Früchte gekocht, ausgepresst und geklärt werden. Palmöl ist deshalb so beliebt, weil es günstig und hitzebeständig ist und vor allem bei Zimmertemperatur eine perfekte Streichfähigkeit aufweist. Für folgende Bereiche wird Palmöl hauptsächlich verwendet: Biosprit, Lebensmittel, Industrie (z.B. Kosmetika) und Futtermittel. Es ist außerdem das mit Abstand günstigste Pflanzenöl – aus keiner anderen Pflanze kann pro Hektor so viel Öl gewonnen werden. (Genau aus diesem letzten Grund ist es übrigens auch aus nachhaltiger Sicht keine brauchbare Herangehensweise, Palmöl durch ein anderes auf dem aktuellen Markt erhältliches Öl zu ersetzen, weil so eine noch größere Fläche für die Produktion in Anspruch genommen werden müsste.) Und so ist der Palmöl-Boom ungebrochen. Die indonesische Regierung kündigte beispielsweise an, den Anbau bis 2026 auf 26 Millionen Hektar auszuweiten, was der sechsfache Flächengröße der Schweiz entsprechen würde.
Warum ist Palmöl ein Problem?
- Regenwaldflächen und CO2
Der Anbau von Palmöl geschieht oftmals auf Regenwaldgebiet, denn das bietet nicht nur besonders gute Anbaubedingungen, sondern ist auch sehr günstig zu haben. Die Flächen werden gerodet, was die Vernichtung tausender Tiere und Pflanzen bedeutet und gleichzeitig massive Mengen CO2 freisetzt. Keine neu angepflanzte Plantage kann diese Freisetzung des schädlichen Klimagases anschließend wieder kompensieren.
- Kleinbauern und Ureinwohner
Das gerodete Land gehörte in vielen Fällen ursprünglich Kleinbauern oder Ureinwohnern, deren Existenz von diesem Land abhängt. Da in vielen Ländern die Besitzansprüche nicht offiziell geklärt und die Regierungen oft korrupt sind und darüber hinaus die betroffenen Menschen über keinerlei finanzielle Mittel für Rechtsschutz verfügen, werden sie kurzerhand vertrieben. Einige von ihnen arbeiten später auch für einen Hungerlohn auf den Plantagen auf ihrem ehemaligen Land. Der Anbau von Palmöl verursachte bereits mehr als 5000 Land- und Menschenrechtskonflikte – allein in Indonesien.
- Orang-Utans
Orang-Utans sind direkt und indirekt ebenfalls Opfer der Palmölproduktion. Umweltorganisationen prognostizieren aktuell ein Aussterben der Menschenaffen innerhalb der nächsten 10 Jahre. Orang-Utans besiedeln die Regenwaldflächen, die für die Palmölplantagen in Anspruch genommen werden und müssen aus diesem Grund ihr Leben lassen: Sie verbrennen während des Rodungsprozesses, werden gezielt von den Plantagenbesitzern als „Eindringlinge“ erschossen oder verlieren schlichtweg ihren Lebensraum.
Welche nachhaltigen Zertifizierungen gibt es für Palmöl?
- Biologisches Palmöl
Es gibt zwei Hauptlieferanten von biozertifiziertem Palmöl weltweit: Daabon und Agropalma. Daabon ist der größte Exporteur und wird unter anderem von der Organisation Rettet den Regenwald e.V. beschuldigt, an Landvertreibung von Kleinbauern und Umweltverschmutzungen beteiligt zu sein. RdR ist sogar der Meinung, dass es zur Zeit gar kein ökologisch und sozial verträgliches Palmöl gebe, auch wenn das auf den Webseiten einiger Bioanbieter natürlich ganz anders klingt. In meinen Augen ist biologisches Palmöl aber immer noch besser als konventionelles, da es immerhin in den Bereichen Pestizide und Dünger größere Einschränkungen gibt.
- Das RSPO-Siegel
Der RSPO (Runder Tisch für nachhaltiges Palmöl) wurde vom WWF ins Leben gerufen und war ursprünglich einmal dafür gedacht, Industrie und Lieferanten an einen Tisch zu bringen, um den Anbau von Palmöl nachhaltiger und sozialer zu gestalten. Mittlerweile gibt aber sogar der WWF selbst zu, dass das RSPO-Siegel nicht für Nachhaltigkeit, sondern gerade mal für die absoluten Mindestanforderungen steht. Andere Organisationen lehnen den RSPO deshalb kategorisch ab. Eigentlich reicht es auch zu wissen, dass der Vorsitz dieses Tisches ein Manager von Unilever ist, während Unilever gleichzeitig der größte Abnehmer von Palmöl ist. Hello Interessenkonflikt.
Woran erkenne ich Palmöl und was kann ich tun?
- Kennzeichnungspflicht von Palmöl auf EU-Ebene
Die EU hat 2014 eine Kennzeichnungspflicht für Palmöl in den Inhaltsangaben von Lebensmitteln beschlossen. Es gibt eine Übergangsfrist von zwei Jahren, also kann man seit diesem Jahr mit nur einem Blick auf die Verpackung erkennen, ob Palmöl als direkter Zusatzstoff in einem Produkt enthalten ist.
- Palmöl vermeiden
Aus bereits genannten Gründen ist es sehr schwer, zu 100% auf Palmöl zu verzichten. Auch der Umstieg auf ein anderes Öl in der gleichen Mengenkategorie macht keinen Sinn. Konkret mach ich selber in meinem Alltag aber folgendes:
- möglichst mit natürlichen und frischen Zutaten kochen, Fertigprodukte vermeiden
- auf Anbieter zurückgreifen, die konsequent auf Palmöl verzichten (siehe „Wer geht mit gutem Beispiel voran?“)
- immer mal wieder Kekse, Schokoaufstrich und Eis einfach selber machen und nebenbei auch noch Geld sparen
- nur Kerzen aus 100% Sojawachs kaufen, ein Beispiel findet ihr im Happy Heart Juli
- manchmal hilfreich sind folgende Apps: Zero und Codecheck
- keinen Biosprit tanken
- Umweltorganisationen unterstützen
Regelmäßig Petitionen unterschreiben (zum Beispiel hier), informiert bleiben und ggf. eine Mitgliedschaft in einer seriösen Umweltorganisation abschließen (dazu zählt in meinen Augen der WWF nicht!). Ich finde Greenpeace und ganz besonders Rettet den Regenwald e.V. in dieser Hinsicht am besten aufgestellt.
Wer geht mit gutem Beispiel voran?
Drei gute Beispiele dafür, dass eine Produktion von Palmöl durchaus möglich ist:
- Lush ist auf einem guten Weg zu einer Produktpalette ohne Palmöl. Vor allem die synthetische Inhaltsstoffe, die von externen Lieferanten kommen, sind aktuell noch ein Problem. Allerdings darf ich mal kurz freudig aus dem Nähkästchen plaudern und verkünden: Ab Oktober sind schon mal die Halloween und Winterseifen zu 100% palmölfrei, inklusive der synthetischen Inhaltsstoffe. Das Rezept für die palmölfreie Seifenbasis bietet Lush übrigens anderen Unternehmen sogar kostenlos an.
- Wheaty stellt veganen Fleischersatz auf Seitanbasis her und verzichtet seit Gründung des Unternehmens vollständig auf Palmöl.
- Pure Skin Food ist eine Kosmetikmarke aus Österreich, die vegan, biozertifiziert und palmölfrei ist
Für alle, die gerne noch mehr zum Thema wissen möchten, gibt es außerdem zwei sehr gute Dokumentationen über Palmöl und die Auswirkungen auf die Lebensräume der Orang-Utans. Zum einen diese Dokumentation des WDR und dann noch diese von Arte: