Feminismus ist keine Beschäftigung für gelangweilte, privilegierte Frauen und auch kein Hobby.
Ehrlich gesagt, manchmal wäre ich lieber keine Feministin. Manchmal glaube ich, mein Leben wäre dadurch einfacher. Ich könnte die Augen vor gewissen Dingen verschließen und eine trotzige Mir-doch-egal-Haltung einnehmen. Dann bliebe mir vieles erspart. Bilde ich mir zumindest in gewissen Momenten ein.
Denn manchmal finde ich Feministin sein anstrengend und frustrierend. Dann will ich mich nur in mein Bett verziehen und Mamma Mia gucken (mein ultimativer Feel-Good-Film). Ich will mich nicht immer rechtfertigen müssen für das, was ich bin. Ich will keine Kommentare von Männern lesen müssen – ob auf Twitter oder unter Online-Artikeln – die mir erklären, warum Feminismus so böse, schlecht und vor allem überflüssig ist. Ja, wer schlau ist, meidet die Kommentarspalten. Manchmal verirrt man sich dann aber aus Versehen doch dorthin. Und entdeckt mit hundertprozentiger Wahrscheinlichkeit unter Artikeln, in denen das Wort „Feminismus“ auftaucht, Kommentare wie diese: Feminist*innen schaffen Probleme, wo keine sind, Feminist*innen sollen sich mal nicht so anstellen, Feminist*innen nölen immer nur rum, dabei geht es ihnen in Deutschland doch super. Feminismus scheint vielen Kommentatoren eine Art nettes Hobby zu sein, eine Beschäftigung für gelangweilte, privilegierte Frauen.
Tausche feministische gegen rosarote Brille
Von wegen: Feminist*in sein ist verdammt hart. Die Sache ist die: Wenn man die feministische Brille erst einmal aufgesetzt hat, sieht man viele Dinge, die andere vielleicht nicht sehen. Man erkennt Ungleichheiten, die einem vorher nicht aufgefallen sind. Man schafft keine Probleme – diese Probleme waren schon immer da, aber erst jetzt sieht man sie. Sie werden, im wahrsten Sinne des Wortes, sichtbar.
Und ja, manchmal würde ich liebend gerne sagen: Danke danke, ich will das alles nicht mehr sehen. Ich tausche die feministische gegen eine rosarote Brille, mit der meine Umgebung und alles, was darin passiert, in weiche Töne getaucht wird. Vielleicht werde ich dann nicht mehr von einem Typen angequatscht, wenn ich spätabends allein an der Bushaltestelle stehe. Muss dann nicht mehr zehn Minuten damit verbringen, ihn abzuwimmeln, während ich hektisch überlege, ob der Typ nur nervig oder sogar gefährlich ist. Vielleicht vergesse ich dann einfach, dass mir passierte, was so vielen anderen Frauen auch passiert – weniger Gehalt als der männliche Kollege, bei gleicher Qualifikation. Dazu noch ein Chef, dem ich ständig beweisen musste, dass ich es kann, obwohl ich eine Frau bin. Vielleicht kann ich dann auch die oftmals sexistische Berichterstattung ignorieren, wie gerade im Fall Gina-Lisa. Die Männer, die mir auf Twitter erklären, Frauen würden Vergewaltigungen größtenteils nur erfinden. Durch meine rosarote Brille würde mir auch nicht auffallen, dass Frauen in Europa immer noch für das Recht auf Abtreibung kämpfen, Homosexuelle wie Außenseiter behandelt und Transsexuelle und Transgender ermordet werden – täglich. Das alles würde mich einfach nicht mehr betreffen.
Hohe Ansprüche
Aber so läuft es nun mal nicht. Und so bleibt die Tatsache: Feminist*in sein ist anstrengend. Weil man eben so vieles sieht, so vieles mitbekommt und dann nicht einfach sagen kann: Betrifft mich nicht. Feminist*in sein ist kein Hobby, sondern eine Lebenseinstellung. Man hat den Anspruch, die Dinge zu ändern. Und deshalb hat man auch hohe Ansprüche an sich selbst. In meinem Privatleben mache ich vermutlich täglich Dinge, die nicht besonders feministisch sind. Ich bleibe stumm, wenn mir auf der Straße eine Gruppe von Typen anzügliche Bemerkungen hinterherruft. Ich gucke Germany’s Next Topmodel (wenn auch nur im Schnitt eine Folge pro Staffel). Unter anderem. Natürlich weiß ich, dass das okay und menschlich ist. Das alles macht mich nicht zu einer „schlechten Feministin“. Roxane Gay schreibt in ihrer Essay-Sammlung Bad Feminist: „I embrace the label of bad feminist because I am human. I am messy. I’m not trying to be an example. I am not trying to be perfect. I am not trying to say I have all the answers. I am not trying to say I’m right. I am just trying – trying to support wat I believe in, trying to do some good in this world, trying to make some noise with my writing while also being myself.” So geschrieben klingt das völlig einleuchtend. Mir fällt es manchen Tagen trotzdem schwer, mich von Erwartungen freizumachen – von meinen eigenen und denen der anderen. Erwartungen an mich als Feministin. Ich bilde mir nicht ein, dass alle Welt auf mich guckt. Aber ich will trotzdem das Richtige sagen und machen. Ein bisschen Vorbild sein.
Also ja: Feminist*in sein ist anstrengend. Das sage ich nicht jammernd oder klagend. Ich stelle es einfach fest. Und meistens komme ich mit dieser Tatsache gut klar. Denn: Feminismus ist zwar anstrengend und kräftezehrend, er gibt einem aber auch unheimlich viel. Er öffnet den Blick und lässt einen Dinge ganz neu sehen, entdecken. Feminismus lässt mich nicht nur die Probleme erkennen – sondern auch die Möglichkeiten. Die Potenziale. Er bietet Lösungsansätze. Er empowert. Er lässt mich erkennen: Oft bin nicht ich das Problem, sondern etwas ganz anderes. Wenn es mal wieder soweit ist und ich nur Meryl Streep zusehen möchte, wie sie „Gimme gimme gimme“ schmettert, erinnere ich mich daran. Dass mein Leben vielleicht einfacher wäre ohne Feminismus. Aber auch grauer, uninteressanter, lebloser.