Jenna Behrends wirft der CDU Sexismus vor und zeigt, dass auch Frauen sexistisch sind.

28.09.2016 Feminismus, Gesellschaft

jenna behrendsEs gibt, Männer, die bezeichnen sich ganz öffentlich als Feministen. Das sollte zwar selbstverständlich sein, gilt aber noch immer als Ausnahme. Jetzt könnte man natürlich meinen, unter Frauen sei die Stimmung durchweg positiv, aber auch hier: Fehlanzeige. Schon der durch die Jahrzehnte extrem emotional aufgeladene Begriff allein macht die Tatsache, dass die 4. Welle des Feminismus die grundsätzliche Gleichberechtigung des Menschen an sich meint, statt sich allein durch Geschlechter-spezifische Fragen zu definieren, für viele noch immer schwer greifbar. Ein Umstand, der nicht gänzlich unverständlich ist, weshalb mitunter sogar immer mehr Medien zum „Humanismus“ wechseln und dabei das Gleiche meinen.

Wie auch immer wir das Kind aber nun nennen wollen, es kassiert ohnehin von beiden Seiten Schelte, genau wie jedes Thema, das irgendwie mit ihm verbunden scheint. Männer beispielsweise fühlen sich vermehrt zu Unrecht des Sexismus beschuldigt, vor allem seit Gina Lisa, wohingegen Frauen den Sexismus tragischerweise häufig selbst befeuern, ohne sich dessen auch nur im Ansatz bewusst zu sein; Zusammenhalt wird von Konkurrenz überschattet. Schuld ist in beiden Fällen nicht selten der allgemein herrschende Konservatismus, also das Bedürfnis nach Kontinuität, Identität und Sicherheit. Ein Paradoxon in sich. Kontinuität ist durch das Festhalten an alten Strukturen selbstverständlich greifbar, aber wie soll man eine Identität ohne bedingungslose Freiheit entfalten, wie kann man sich sicher fühlen, wenn so etwas wie Respekt sogar am Arbeitsplatz als Mangelware gilt. Jenna Behrends fragt sich gerade ähnliches. Die Jura-Studentin ist seit einem Jahr Mitglied der CDU und hat sich in einem offenen Brief an ihre Partei gewandt. Es geht in ihren Zeilen vor allem um reellen Sexismus innerhalb der eigenen Reihen. Behrends ist es satt, von Kollegen als „süße große Maus“ geneckt zu werden. Auch will sie sich als erfolgreiche Quereinsteigerin keine weiteren (nackten) Spekulationen mehr über ihren Erfolg anhören müssen. Und noch weniger akzeptieren, dass die „Frauenquote“ aus überaus fadenscheinigen Gründen noch nicht einmal Partei-intern funktioniert:

„Liebe Partei, ich weiß, du lästerst gerne bei zu viel Bier. Aber die junge Frau, die bereit wäre, sich für ein kommunales Ehrenamt hochzuschlafen, gibt es nur in deiner schmutzigen Fantasie. Die junge Frau, die ständig mit den Gerüchten um ihre angeblichen Affären konfrontiert wird, die gibt es in echt. Kannst du dir in deiner kleinen Welt wirklich nicht vorstellen, dass ich als junge Mutter meine Freizeit lieber mit meiner Tochter und meinen Freunden verbringen würde, als in einer Männerrunde, die mir erklärt, sie seien im Gegensatz zu mir wahre Feministen, weil ich ein Komplettverbot der Burka für falsch halte?“, schreibt Behrends da etwa. Und weiter: „(…)Auch wenn ich mich anfangs mehr am angeblichen Hochschlafen gestört habe, bin ich mir unschlüssig, ob ich den „Die-hat-zu-große-Ambitionen“-Vorwurf von einer anderen Frau nicht noch vernichtender finde.“ (Edition F)

Zu allererst: Es gab viel Zuspruch, auf allen Ebenen. Von der Öffentlichkeit, von Kolleginnen und Kollegen. Das ist erfreulich und nicht selbstverständlich, vor allem innerhalb einer Faktion, die christliche Grundsätze noch immer nicht von ihrer Politik trennen will. Es sind dennoch etliche Negativbeispiele deftiger Diskreditierung, die besonders hervorstechen. Ich bin da ganz ehrlich: Das herablassende Stammtisch-Verhalten alter Männer, die fürchten, ihr Gesicht zu verlieren, überrascht mich nicht sonderlich. Auch weitere Reaktionen derselbigen auf Frau Behrends mutige Anklage, die mitunter scharf an CDU-Chef Frank Henkel appelliert, war abzusehen. Jürgen Presser etwa, der stellvertretende Bundesvorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der CDU/CSU, antwortete Behrends via Twitter mit dem Wort: „Mimimi“. Ein fast schon stereotyper Gegenschlag. Einer von vielen. Was sich die weiblichen Kolleginnen derzeit allerdings leisten, grenzt nicht minder an attestierte Schwachsinnigkeit. Ein Schlag in die Magengrube, nicht nur in die von Behrends, sondern in die aller Frauen:

Sandra Cegla, Vorsitzende der Frauen Union Berlin-Mitte, betitelte Behrends jüngst als „zweifelhafte Persönlichkeit“ (Welt). In einem Interview mit dem Berliner Kurier heißt es weiter: „Ausgerechnet Jenna, die ihre weiblichen Reize spielen ließ und den Männern halb auf dem Schoß saß – ein Hohn.“ Eine Affäre mit Bundesgeneralsekretär Peter Tauber habe sie außerdem gepflegt. Edition F fragt hier völlig zu recht: Was hat das alles miteinander zu tun?

Genau. Gar nichts. Und da sind wir wieder angelangt, beim Victim- und Slut-Shaming, sowie der Königsdisziplin großer Teile der weiblichen Spezies: Stutenbissigkeit. Während man sich in der Internetwelt derzeit über allzu freizügige Bloggerinnen echauffiert, geht es in der Politik vor allem darum, dass hier eine Frau stellvertretend für viele Frauen von anderen Frauen unterstellt wird, angeblich lieber eiskalt berechnend die Beine breit zu machen, als aufrichtig für die Karriere zu arbeiten. Männer sehen das selbstredend ähnlich. Es geht um vermeintlich schlüpfriges Verhalten, das Sexismus rechtfertigen soll. Um Optik, statt um Hirn. Und darum, dass einige Frauen, wie etwa oben zitierte Abgeordnete Cegla, offenbar noch immer lieber das Patriarchat streicheln und verteidigen, statt im richtigen Augenblick zuzubeißen. Aus Angst? Aus Bequemlichkeit? Vielleicht ist auch schlicht eine verrostete Weltanschauung Schuld. Denn sich gegenseitig ausreichend Grips für einen sauberen Aufstieg auf der Karriereleiter zuzuschreiben, fällt wie gesagt schwer. Viel wahrscheinlicher erscheint der ein oder anderen Kollegin auch hinsichtlich Behrends das offenherzige Ausspielen von Reizen als Grund für den rasanten Erfolg der jungen Studentin. Zana Ramadani, Kreisvorsitzende in Mitte, mutmaßte gegenüber dem „Tagesspiegel“ außerdem: „Wir befürchten, es geht (im Fall des offenen Briefes) schlicht um Machtkämpfe.“ Und auch Alexandra Loock-Nester spricht laut Bento von “Selbstüberschätzung“. Ob es auch plausible Gründe dafür gibt, dass die männliche Belegschaft seit längerem darüber spekulierte, wer die süße Behrends wohl schon „gefickt“ hat? Wer weiß. Sicher ist: Wir haben es hier mit unterschiedlichsten Frechheiten zu tun, die aber dennoch vom selben Stern stammen.

So lange wir allerdings selbst nicht aufhören, über Dinge zu urteilen oder spekulieren, die weit außerhalb unseres Zuständigkeitsbereiches liegen, solange wir nicht lernen, gemeinsam gegen Sexismus jedweder Coleur einzustehen und solange wir weiterhin darin scheitern, veraltete Rollenbilder sowie die Objektivierung und Beurteilung unserer und fremder Körper und Gesten gänzlich zu überwinden, wird die Sache mit der Väterherrschaft und dem Hühnerhacken immer wieder von vorn beginnen, wird echter Feminismus von der Allgemeinheit weiter belächelt werden und gänzlich unverstanden bleiben. Von Männern wie Frauen gleichermaßen.

Dabei ist es im Grunde so einfach: Feminismus bedeutet Freiheit. Oder: frei sein von Geschlechter-Zwängen und sämtlicher damit einhergehender Diskrimierungen. Ich wette, davon träumt heimlich sogar eine Sandra Cegla, auf deren verbalen Fehltritt die Schriftführerin der Frauen Union CDU Mitte, Anja Pfeffermann, übrigens überaus groß reagierte: „Ich habe heute schweren Herzens mein Amt als Schriftführerin in der Frauen Union der CDU Mitte niedergelegt. Aus meiner Begründung: Eine Frau, die Vorwürfe von Sexismus erhebt, als „zweifelhafte Persönlichkeit“ zu bezeichnen und dabei weitere harsche Äußerungen dieser Art zu tätigen, ist einer Frauen-Union-Vorsitzenden unwürdig. Es schadet uns allen als engagierte Frauen in der Partei und darüber hinaus in der Gesellschaft.“ Na also. Geht doch.

7 Kommentare

  1. Nina

    Ehrlich gesagt finde ich die ganze Sache sehr verwirrend, im Prinzip macht das für mich den Anschein einer parteiinternen Schlammschlacht, die an die Öffentlichkeit getragen wurde . Nun habe ich keine Ahnung, was in der CDU Mitte abgeht und eigentlich interessiert es mich auch nicht so wahnsinnig. Aber ich verstehe auch die Argumentationslinie hier nicht ganz, denn eigentlich wirfst du doch, wenn ich das richtig verstehe, den beteiligten Frauen vor, dass sie Frau B. nicht Recht geben. Aber wenn ich einer Frau nur Recht gebe, weil sie auch eine Frau ist, auch wenn ich gar nicht deren Auffassung bin, dann ist das doch wohl Sexismus in Reinform, denn ich folge ja einem einfachen Gut-Böse-Schema: Frau ehrlich und gut, Mann böse und sexistisch. Opfer – Täter. Ist das nicht das Gegenteil von einem Feminismus, der ein Humanismus sein will? Oder verstehe ich das falsch?
    Ziel wäre es hingegen doch, sich vom Geschlecht zu lösen und den Sachverhalt zu sehen. Dann darf es aber kein vorher festgelegtes: du muss solidarisch sein! geben. Und ja, auch wenn heute die männliche Strukutr noch überwiegt, halte ich nix davon, etwas Gutes (Gleichbereichtigung, Egalité) mit Geschlechtersolidarität (auch Sexismus) zu erreichen. So haben diverse Mörder in diversen blutigen Revolutionen auch argumentiert und das war meistens großer Mist. Oder eigentlich immer.
    Und was die nackten Tatsachen im Internet betrifft: Natürlich ist nackt oder halbnackt herumzulaufen keine Rechtfertigung für Belästigung oder schlimmeres (aber was man sich vorstellt, was Männer dann vor dem Bildschirm machen ist halt eine Frage der Realitätsbezogenheit). Sicher nicht. Dennoch: Rein modegeschichtlich ist es seit dem Aufkommen des bürgerlichen Zeitalters so, dass in der Damenmode immer irgendwie Körperbetontheit zu sehen ist, während die Männer eine eher neutrale „Uniform“ tragen, also Abendkleid gegen Anzug, T-shirt mit und ohne Ausschnitt. Heutzutage gibt es natürlich in der Männermode gewisse „feminine“ TEndenzen, wenn man das so nennen will. Vor der Frz. Revolution aber gingen Männer durchaus auch „sexy“ in extrem engen Hosen und polsterten ihr Geschlecht aus, also dem Push-up vergleichbar. (Nachzulesen bei Barbara Vincken: Angezogen). Es ist also eine traditionelle Linie des Patriarchats, dass Frauen ihre Körger präsentieren, sich somit gewissermaßen objektisieren. Und ich finde das ist eine ziemliche Zwickmühle, denn offentsichtilich ist es ein kulturgeschichtliches Problem. Und das müsste natürlich durchbrochen werden, aber wie? Im Sack gehen sehe ich ebensowenig als Alternative wie halbnackt. Klar, erstrebenswert ist die Freiheit, dass jeder macht, wie er will, ohne „beurteilt“ zu werden, aber es mag noch dauern, bis wir dahin kommen.

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    1. Fritzi

      So sehe ich das ehrlich gesagt auch. Gerade habe ich noch gelesen, dass die Affäre Henkel „das Genick bricht“. Ich kann mir zu dem Thema keine Meinung erlauben, denn ich kann nicht beurteilen, was wirklich vorgefallen ist. Von daher möchte ich mich auch nicht blind mit Frau Behrends solidarisieren, nur weil sie eine Frau ist. Überspitzt dargestellt könnte man es auch umgekehrt sehen (was ich keinesfalls tue): Frau packt den Vorwurf der sexuellen Belästigung aus, Karriere des Mannes beendet.

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      1. Nike Jane Artikelautorin

        Ihr Lieben, ich glaube, wir reden aneinander vorbei. Es besteht doch ein sehr großer Unterschied zwischen der wertfreien Annahme, Frau Behrends könne auch Unfug erzählen und dem hier vorgefallenen Sexismus vonseiten diverser Partei-Kolleginnen: „Ausgerechnet Jenna, die ihre weiblichen Reize spielen ließ und den Männern halb auf dem Schoß saß – ein Hohn.“ – eine solche Aussage darf weder akzeptiert, noch toleriert werden. Und hat nichts mit blinder Solidarität gegenüber Jenna Behrends zu tun. Ob sie die Wahrheit sagt, weiß ich nicht. Und es ist verständlich, hierzu Zurückhaltung zu wahren. Nicht aber im Fall der auf den Brief gefolgten Reaktionen. Die sind doch, gelinde gesagt, unter aller Sau.

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        1. Nina

          Ich würde mir unabhängig von diesem Fall einfach eine Welt wünschen, in der niemand von seinem Geschlecht profitiert oder deshalb Nachteile erleidet. Das heißt weder dumme Klischeesprüche von beiden Seiten, noch Handlungen im Stile von sog. Waffen einer Frau bzw. Pseudostammtischgehabe.

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