Ich hatte schon ein paar feste Freunde, etwa vier richtige waren es, und manchmal überkam mich die seltsame Panik, ich könne dennoch so etwas wie ein leichtes Mädchen sein, weil zwischen ebendiesen Partnern auch immer wieder Nicht-Partner für gelegentliches DVD-Schauen auftauchten, meist dann, wenn ich lieber Single als zweisam war, aber eben doch nicht auf sämtliche Vorzüge des menschlichen Miteinanders verzichten wollte. Erstaunlich auch, dass ich das lose Anbändeln irgendwann nicht nur als etwas exotisches betrachtete, das man lieber nicht an die große Glocke hängt, die Leute hätten ja tuscheln können, sondern das In-Einer-Beziehung-Sein im gleichen Atemzug als etwas empfand, das gesellschaftlich irgendwie akzeptierter schien. Jedenfalls fiel es nicht immer leicht, zu erklären, dass XY vermutlich nicht mein Zukünftiger werden würde und zwar einfach darum.
Weil es Phasen in meinem Leben gab, in denen ich lieber Chips im Bett aß, während meine beste Freundin sich auf dem Sessel gegenüber die Fußnägel lackierte, als einem Mann Auskunft darüber zu erteilen, weshalb ich die nächsten zwei Wochen lieber für mich allein buchen würde. Was war ich also froh, als ich endlich mein vermeintliches Deckelchen fand, den Vater meines Kindes nämlich, und dass ich fortan an Pärchen-Tischen sitzen konnte, ohne eine Verkuppelungs-Angst im Nacken zu spüren. Zuvor hatte ich hin und wieder einen Julius kennenlernen oder meinen Nachtisch mit Torben teilen müssen. Alles paletti also, puh. Bis zur Trennung, die Topf und Deckelchen einvernehmlich entschieden, weil aus einer Papiertüte voll bunter Liebe eine leere Tüte geworden war, eine, in der es immerhin noch nach tiefer Freundschaft roch. Da ging die Farce von vorne los. Und Achtung, jetzt kommen wir nämlich zum Knackpunkt, denn wie man es macht, macht man es offenbar falsch oder zumindest entgegen jeder Logik.
Das Aus besagter Beziehung etwa, ja wie kann denn das sein, wenn man sich doch mag und nicht streitet und noch dazu ein Kind zusammen gemacht hat, da müssen die Protagonisten doch von purem Egoismus getrieben sein. Stimmt ja auch ein bisschen. Aber in erster Linie haben wir uns dazu entschieden, glücklich zu sein. Und Glück ist nunmal ein sehr vager, bedeutungsschwangerer Begriff, der viel Raum für Interpretation und unterschiedlichste Lebensmodelle lässt. Jedenfalls folgte dann eine Portion unangebrachtes Mitleid und eine Gesamtsituation, die mich schnell wieder an den Tisch der Problemfälle manövrierte. Dabei hatte ich kein Problem. Ich hatte, und das klingt jetzt frech, tendenziell sogar ein Problem weniger. Und noch dazu einen wunderbaren Sohn, der fortan vor zwei Türen, statt nur einer „Hurra, Zuhause“ jauchzte. Trotzdem übermannte mich hin und wieder das Single-Sein-Deja-Vu. Fast 30, mein Gott, wann soll denn das nächste Kind folgen und wenn es folgt, dann gäbe es ja schon zwei Väter, puh. Natürlich hörte ich Vorangegangenes immer nur durch dritte Ohren, ich kann mir das alles aber ziemlich gut vorstellen. Bestimmt dachte das ein oder andere findige Hirn auch, ich hätte von Beziehungen jetzt gewiss erstmal die Schnauze voll und würde stattdessen als Power-Emanze den Berg der ewigen Männerhasserinnen erklimmen. Das wäre selbstverständlich nicht richtig gewesen, natürlich nicht, denn der Mensch braucht ja in den Augen der Hollywood-beschwipsten Allgemeinheit einen Lebenspartner. Es wäre aber auch nicht falsch gewesen fortan keusch zu leben, denn allzu schnell auf einen neuen Liebes-Zug aufspringen, Gott, dann wären wir ja wieder beim leichten Mädchen angelangt, oder sogar schlimmer: Bei purer Naivität.
Scheitern ist schließlich das Schlimmste. Als würdest du dir für eine Tüte voll Süßkram so richtig den Arsch aufreißen, echt was investieren und dann ziemlich belämmert dastehen, weil statt süßer Schlümpfe und saurer Apfelringe nur ein fettes, ausgefranstes Loch im Papier übrig ist. Da kann man jetzt natürlich von Anfang an kapitulieren und sich einreden, man sei zum Leiden verdammt, dazu, es niemandem recht machen zu können, aber das stimmt nicht. Was wir nämlich nicht vergessen dürfen, und das klingt jetzt wirklich sehr egoistisch und frech und womöglich auch naiv: Wir können und sollten es in erster Linie uns ganz allein recht machen (was meist zur Folge hat, dass unsere engsten Vertrauten und Kinder nicht minder glücklich davon kommen – zwei, drei Fliegen mit einer Klappe also, wow).
Und so kam es, dass ich mich schnell, bestimmt und mit aller Wucht in die große, neue Liebe stürzte. Als mutig, verfrüht, unverantwortlich oder wahnsinnig empfanden das die einen, nur logisch fand ich es. Wer sich vor dem Aufprall schützt, wird doch niemals richtig hoch fliegen und überhaupt, solange es kein Patent auf Wahrsagerkugeln gibt, ist es wahrscheinlich, dass wir mal das Denkmal sind und mal die Taube. Es wird immer Ewiges geben und auch Schnapsideen, aber niemals eine Garantie, für gar nichts. Nicht dafür, dass es gut geht und nicht dafür, dass es irgendwann nicht mehr geht. Es kann heute vorbei sein oder erst in hundert Jahren. Aber das macht nichts, solange wir nicht zu feige sind, etwas zu wagen und daran glauben, dass das Leben zum Leben gedacht ist und nicht zum Zögern und Zweifeln. Denn Liebe ist wie Süßkram aus der Papiertüte: In erster Linie köstlich. Und zu keiner Zeit verkehrt.