Ein einziger Mann* hat mir in meiner Schwangerschaft prophezeit, dass alles immer nur noch schöner wird. Dass diese kleinen Menschen, die von heute auf morgen einfach da sind, zwar alles auf den Kopf stellen werden, aber jeder Tag eben besser wird. Erst können sie gar nichts, dann schlafen sie nur und langsam aber sicher formen sie sich zu ganz eigenen Charakteren. Ich fand diese Worte so schön und so einprägsam, weil ich fast ausschließlich von „Schlaf vor, es wird so anstrengend“, „Warte mal ab, du schaffst gar nichts mehr“ und „Genieß die Zeit alleine noch“ umgeben war.
Längst wollte ich euch ein Update geben, ein Update über das Leben mit Kind, über das erste Jahr, über Donnerwetter-Tage und Sonnenschein-Momente – aber der Alltag und die Arbeit für Jane Wayne kamen mir einfach dazwischen. Wenn man schwanger ist, hat man eine ungefähre Vorstellungen, wie das Leben mit Kind sein könnte. Oder man hat gar keine. In der Schwangerschaft zählte ich mich immer zur ersteren Riege, immerhin bekam ich bei Nike alles hautnah mit, bei meiner Schwester auch und an die Säuglingszeit meiner jüngsten Schwester meine ich mich auch in etwa noch zu erinnern. Ich dachte, ich wüsste, wie es wäre, demnächst mit Kind durch die Welt zu wuseln. Aber im Grunde genommen hatte ich keine Ahnung. Wie auch? Schließlich ist jedes Kind anders, jedes Paar völlig unterschiedlich und jede Lebensrealität sowieso. Wie sich das neue Leben also wirklich anfühlen wird, kann niemand vorher sagen. Man kann wohl nur versuchen, es zu ungefähr zu skizzieren. Bloß hilft der positive Blick in die Zukunft uns wohl eher, als nett gemeinte, wappnende Ratschläge. Und so war’s also bei mir:
Nach der etwas turbulenten, natürlichen Geburt, berappelte ich mich erstaunlich schnell. Meine Mama kam gleich für eine Woche nach Berlin und sorgte dafür, dass mein Eisenhaushalt von 6 wieder hoch hinaus schoss, sie gab mir die besten Tipps und vor allem das Gefühl, dass alles gelingen würde. Und so fand ich mich bereits zwei Wochen nach Wilmas Geburt vor dem Rechner wieder, um fleißig Artikel zu tippen und mein altes Leben mit dem neuen zu vermischen. Genau das war meine persönliche Challenge, vor der ich vor Wilmas Geburt immer den höllischsten Respekt hatte, prophezeite mir doch jede andere Mama, dass ich die Sache mit der Arbeit sowieso nicht parallel mit dem Kind wuppen könnte. Pah, von wegen, dachte ich und haute voller Elan in die Tasten. Wilma schlief zwar längst nicht viel von Anfang an, ihre großen, hellgrauen Augen fanden das Erleben nämlich schon immer viel spannender, als das Schlafen, aber neben dem Wurm zu sitzen, mit einer Hand auf dem kleinen Körper, mit der anderen auf der Tastatur, tippte es sich ganz hervorragend. Es funktionierte also trotz aller miesepetrigen Meinungen ganz gut. Das Stillen lief, das Unterwegssein auch (bloß jetzt im Doppelpack) und auch die Beziehung fand sich in ihrer neuen Rolle ein.
Ich weiß manchmal selbst nicht mehr ganz genau, wie das alles funktioniert hat, aber es hat. Vor allem die ersten drei Monate liefen wie am Schnürchen. Bloß nach Weihnachten, da holte mich eine ganz andere Realität ein: Der Verlust meines Vaters riss mir den Boden unter den Füßen weg und stellte alles auf den Kopf. Hätte ich meine Familie nicht gehabt, meinen Freund, der über sich hinauswuchs und zum Superhero mutierte, ich hätte mich höchstwahrscheinlich irgendwo eingeschlossen und wäre nie wieder rausgekommen. Völlig egoistisch, vollkommen überfordert war ich mit der ganzen Situation. Ich kam kaum mit mir klar, wie sollte ich da parallel noch Mama sein? Zwischen maßloser Überforderung, viel zu vielen Baustellen und Steinen auf der Brust, haben wir uns also irgendwie durch den späten Winter geboxt, geweint und über das Leben sinniert, gelacht, getröstet und sind wieder aufgestanden.
Es ist schon erschreckend wie die Zeit rennt, was alles passiert, und wie oft man hart an seine Grenzen kommt. Wie aus dem kleinen, zierlichen Mädchen ein kleiner Brummer wird, wie höllisch aufgeregt ich nach dem ersten „Örööö“-Ton war, wie furchtbar viel Spaß sie dabei hatte, auf mein Glucksen mit weiteren „Öröös“ zu reagieren. Wie schnell sie vom Löffel aß und alles wieder ausspuckte, wie kerzengerade sie saß, aber sich partout nicht bewegen wollte und auch heute noch immer nicht läuft, stattdessen wie ein aufgezogenes Durcacel-Häschen durch die Wohnung krabbelt und am allerliebsten Fangen spielt. Wie sehr sie sich kaputt lacht, wenn ich sie kriege oder mich hinter Objekten verstecke und hervorspringe und wie sehr sie es liebt, Seiten zu blättern und Schiebebücher zu entdecken, statt auch nur ein paar Sekunden auf einer Seite zu verharren. Ich bin so furchtbar stolz auf dieses kleine Wesen, dass mir oft die Brust platzt vor Glück.
Wilma hat mein Leben komplett auf den Kopf gestellt und manchmal hätte ich mir gewünscht, nicht arbeiten zu wollen und zu müssen, sondern mit ihr und ihrem Papa auf eine Südsee-Insel zu schippern und dort einfach zu bleiben. Nicht ein Jahr lang Nachtschichten um Nachtschichten zu schieben, sondern immer schlafen zu gehen, wenn auch ihre Power Nap Zeit anstand. Gleichzeitig weiß ich genau, dass ich höchstwahrscheinlich (und auch leider!) niemals der Typ dafür sein werde, der still rumsitzt und das Leben mit kreisenden Daumen genießt. Wir sind alle zu verschieden für den einen, gleichen Weg – und heute blicke ich ziemlich stolz zurück auf das, was in den vergangenen Monaten manchmal so rasant an mir vorbei zog. Fast so, als wäre ich im Urlaub gewesen. Auf meiner eigenen kleinen Insel.
Der 8. Monat war besonders hart. Vielleicht, weil ich mich nicht mehr mochte, und Wilma das am allermeisten spürte. Weil wir fertig waren, ausgepowert und ausgebrandt, Wilma partout nicht durchschlafen wollte und ich nicht mehr wusste, wo oben und unten war. Aber die Zeit ging vorbei und die schlechte Laune-Phase schien bloß ein ganz normaler Ausschnitt aus dem Leben, die schneller vergessen war als präsent im Kopf bleibt.
Auch wenn ich im Vorfeld die ewigen Ratschläge ums Vorschlafen nicht mehr hören konnte (und wollte), so weiß ich jetzt, was alle meinten. Bloß bleibe ich Team „Es wird immer schöner“. Vorschlafen, das gibt’s gar nicht, hilft niemanden wirklich weiter und wappnet nicht für die Zukunft. Zumindest würde ich das ganz frech behaupten. Eine positive Einstellung allerdings sehr, ein ehrlich Umgang erst recht und zuhören am allermeisten. Denn wenn eine Schwangere mit großen Plänen vor uns steht, dann sollten wir ihr jubelnd zureden, statt sie klein zu machen. Schon gar nicht sollten wir auf ihr Scheitern hinarbeiten und beim ersten Fall mit einem „Siehste! Hab ichs doch gesagt.“ parat stehen.
Schlafen kann ich auch, wenn Wilma wieder älter ist, scheitern gehört sowieso zum Leben und Phasen vorm Abgrund sind für uns alle kein Fremdwort. Vielmehr sollten wir manchmal versuchen, an unserer Einstellung zu arbeiten – und uns immer wieder sagen: „Es wird immer schöner“. Denn so ist es!
*Ehrlicherweise waren es bestimmt noch mehr. Bloß sind’s vor allem Franks Worte, die mir noch immer in den Ohren stecken. Ich danke dir dafür <3