Papieransammlungen sind mir ein Graus. Ich empfinde sie als schwerfällige Staubfänger, die aus mysteriösen Gründen täglich unbemerkt an Volumen zunehmen. Irgendwann ist dann kein Platz mehr im Regal, die Schublade geht nicht mehr zu und beim Gedanken an den bevorstehenden Umzug schmeißen wir uns gleich heulend in die Ecke. Unordnung führt in der Regel dazu, dass man jeden einzelnen Tag verflucht, an dem das aus-den-Augen-aus-dem-Sinn-Prinzip im ersten Moment zeitersparender gewirkt hat, als sich tatsächlich zu kümmern. Was mich vom Papier-Messie zum Paperless-Suchti machte, waren eine Kombination aus zwei Dingen: Platzmangel im Regal und ein Umzug, mit dem wir uns auch noch verkleinert haben. „Jetzt ist Schluss“ dachte ich mir und schwor Ordnern und Ablagen auf der Stelle ab. Ein Jahr ist seitdem vergangen und abgesehen von Büchern, die mir etwas bedeuten, unumgänglichen Verpackungen und Zeitschriften (immerhin gebe ich ja selbst eine heraus), findet man in meiner Wohnung nur noch sehr wenig in Papierform.
Warum man nicht alles aufheben muss und wie in 5 Schritten mein Leben papierloser gestaltet habe, könnt ihr hier lesen:
Man kann getrost sagen, dass ich süchtig bin. Süchtig nach Raum und Leere in meiner Umgebung. Ich habe meine freie Zeit seit über einem Jahr dem Decluttering verschrieben und schaffe ständig neuen Platz, den ich nie wieder füllen will. Es ist ein unerschöpflicher Wunsch nach dem Gefühl, weniger zu besitzen. Woher der kommt? Vielleicht liegt es an der völligen jobbedingten Überflutung meines Gehirns durch Social Media und beschleunigten virtuellen Kommunikation, die meinen Kopf bis zur Oberkante füllen. Oder aber an dem unbändigen Wunsch nach positiver Veränderung, die nie stehenbleibt. Veränderungen haben mich – und seien sie aus noch so negativen Gründen entstanden – bisher immer gestärkt und mir oft so einen derartigen Push versetzt, dass ich hinterher nicht mehr fassen konnte, wie mein Leben vorher funktioniert hat.
Go digital
Bis ich angefangen habe, mich mit Minimalismus und Decluttering zu beschäftigen, war ich eine Art aufgeräumter Messie – alles was mir in die Hände kam, habe ich fein säuberlich abgeheftet und nie etwas weggeschmissen. Meine Schränke waren vollgestopft mit mehr oder weniger sinnvollen Papierleichen, die mich und mein Leben kein Stück weiterbrachten. Ich habe vor meinem akuten Declutteringanfall keinen Gedanken daran verschwendet, dass Papier nicht nur in der Masse ein relativ hohes Volumen hat, sondern auch keine wirklich effektive Erinnerungs- und Archivierungsmethode darstellt. Weder konnte ich schnell und einfach nach einem bestimmten Dokument suchen, noch es einer dritten Person in Kopie zukommen lassen. Die Antwort: eine digitale Lösung – und heute kann ich getrost behaupten, dass ich nahezu papierlos lebe. Außer einem Notizbuch und wichtigen amtlichen Dokumenten absolut nichts mehr analog besitze. Und so geht’s:
Wie man sich mental vorbereitet
Was man braucht, um Dokumente in Papierform sinnvoll zu archivieren und so Platz und Freiraum in seinen vier Wänden zu schaffen sind Mut und ein bisschen Radikalität.
Ich habe 3-5 Runden Ordner-Durchblättern gebraucht, um endlich zu erkennen, dass sich mein Handyvertrag auch online einsehen lässt und niemand meine SV-Urkunde aus Schulzeiten jemals im Original sehen wollen wird. Stück für Stück habe ich mich von Ordner zu Ordner vorgearbeitet und lieber in Etappen die Papiertonne gefüllt. Dazwischen lagen immer ein Paar Tage Pause, um dem kleinen Messie in mir beruhigend über den Kopf zu streicheln und durchzuatmen.
In 5 Schritten zu einem papierloseren Leben
Werkzeuge und Utensilien, die du während des Prozesses brauchst: einen Enthefter für Tackerklemmen, einen Aktenvernichter (als Alternative bieten auch Staples und Co. einen solchen Service an), einen Scanner oder eine Scanner App (ich benutze Scanner Pro und Everscan).
- Verschaffe dir einen Überblick über deine Papieransammlungen (Ordner, Kisten, Hefter, Ablagen), potenzielle Papierquellen (Werbeflyer, Werbebriefe, Infomaterial) und teile sie dir in realistische Tageskontingente ein.
- Wenn du dich durch einen Papierstapel sortierst, kannst du dir drei Stapel anlegen:
- Müll – wird sofort in der Papiertonne recycelt oder vereinzelt als Notiz-/Schmierpapier verwendet
- nicht verzichtbare Dokumente – werden mit Hilfe eines Scanners oder einer Scannerapp digitalisiert und in einem digitalen Archiv (Cloud oder externe Festplatte) abgelegt
- Wichtige Dokumente – im Original aufheben und in sehr wenigen Ordnern oder Heftern verstauen
- Da man eingehende Post, Pakete und behördliche Dokumente noch nicht vollständig digital verarbeiten und verschicken kann, habe ich drei Ablagefächer, die ich regelmäßig sortiere
- Ablage 1 enthält Dinge, an denen ich aktuell arbeite und die ich nicht dauerhaft auf meinem Schreibtisch brauche
- Die zweite Ablage enthält Steuersachen und Quittungen
- Ablage 3 sammelt alle zu scannende Dokumente aus Punkt 2
- Das Wichtigste ist, dass man keinen neuen Müll anhäuft. Konkret bedeutet das: überflüssige analoge Abos abbestellen, Sticker für Werbestopp an den Briefkasten, personalisierte Werbung per Email oder Anruf abbestellen, Infozettel unterwegs vor Ort einscannen und nicht mitnehmen.
- Übrig gebliebene Ablagen, Ordner und Kisten können verschenkt, verkauft oder wiederverwertet werden.
Mir ist bewusst, dass das Abspeichern von Daten in Clouds durchaus problematisch sein kann. Für mich überwiegen aber ganz klar die Vorteile und ich habe mich entschieden den gängigen Cloudanbietern einfach zu vertrauen. Das muss natürlich jeder für sich selber entscheiden und wahrscheinlich gibt es da gar kein Richtig oder Falsch. Ich wünsche euch jedenfalls viel Spaß beim Wegschmeißen, Umräumen und Ausmisten – ich kann mir für meinen Sonntag nichts schöneres Vorstellen. Fast nichts. <3
Credits Collage: Aus der Vegan Good Life Issue 03 by Eric Mirbach. freshideen.com, Pinterest (Gigi New York, House of Ideas, Shopstyle, sinnenrausch)