Kann Konsum feministisch sein? Marken wie H&M und Monki wollen uns das glauben machen.
Jahrzehntelang war Feminismus eine soziale Bewegung, ein Kampf für Gleichberechtigung. Feminist*innen galten wahlweise als behaarte Emanzen, lila Latzhosenträger*innen oder frustrierte Furien, die dringend mal flachgelegt werden müssen (weil, wie wir wissen, Sex für alles die Lösung ist). Doch jetzt ist alles anders: Die Zeiten, in denen Feminismus in etwa so attraktiv erschien wie neongrüne Crocks sind vorbei! Feminismus ist offiziell angesagt. Statt soziale Bewegung ist er nun zu einer irgendwie diffusen „Empowerment“-Haltung geworden – und die lässt sich wunderbar für Marketing-Zwecke nutzen.
So ist alles plötzlich feministisch: Unterhosen (Schlagzeile: „Bras you won’t want to burn“), Shampoos, Körperpflege, Hygieneartikel. Die US-amerikanische Journalistin Andi Zeisler stellt in ihrem neuen Buch We were feminists once: From Riot Grrrl to CoverGirl, the buying and selling of a political movement frustriert fest: „Der Kampf für Geschlechtergerechtigkeit hat sich auf wundersame Weise von einem gemeinsamen Ziel in eine Verbrauchermarke verwandelt.“ Im Gegensatz zum Feminismus als Bewegung geht es diesem „Markt-Feminismus“ nicht um Macht, um kollektive Anstrengungen – es geht um ein individuelles „Feel Good“-Gefühl, um das herrlich vieldeutige „Empowerment“ eben.
Mit Shampoo zur Emanzipation
H&M zeigt in seiner neuen Herbstkampagne eine Reihe von selbstbewussten Frauen, die, untermalt von Lion Babes „She’s a Lady“-Cover, achselbehaart im Bett herumlungern, breitbeinig in der Bahn sitzen und sich selbst bewundernd im Spiegel betrachten. Die Botschaft: Was eine Lady ist, bestimmst du selbst! Natürlich lässt sich dagegen überhaupt nichts einwenden, genauso wenig wie gegen das von Monki initiierte #Monkifesto: Coole Frauen, die in kurzen Videos über das sprechen, was sie begeistert und ausmacht und dabei in ihren Monki-Klamotten erfrischend normal aussehen. Das Modehaus Dior bedruckt T-Shirts mit dem Slogan „We should all be feminists“ und ja, das sollten wir alle.
Was sich aber bei all diesen positiven Botschaften nicht so einfach verdrängen lässt: Dass hier Produkte verkauft werden sollen. Und zwar auf dem Rücken einer Bewegung mit eindeutigen gesellschaftlichen und politischen Zielen. Aber um Ziele geht es den Unternehmen nicht und auch nicht darum, ob eine empowernde Botschaft überhaupt zum Produkt passt. H&M will Frauen angeblich unterstützen – aber offensichtlich nicht die Frauen, die für Hungerlöhne in H&Ms Textilfabriken schuften. Die ikonische Dove „Real Women“-Kampagne feierte zwar verschiedene Körperformen – auf Photoshop wollte man aber doch nicht verzichten. Pantene Pro V fordert Frauen auf, sich nicht ständig für alles Mögliche zu entschuldigen („Sorry, not sorry“) – wie genau ihnen ein Shampoo dabei helfen soll, bleibt offen. Vielleicht hat glänzendes Haar (#ShineStrong) ja Superkräfte?
Kaufen als feministische Handlung
Nun ist das sogenannte „Femvertising“ – also Werbung, die darauf abzielt, Mädchen und Frauen zu „empowern“ – kein neues Phänomen. Schon 1968 schaffte es die Zigarettenmarke Virginia Slims erfolgreich, die bis dahin hauptsächlich von Männern konsumierten Glimmstängel an die Frau zu bringen; mit einer Kampagne, die eine Reihe von rauchenden Frauen zeigte, dazu der Spruch „You’ve come a long way, baby“. Übersetzt in etwa: Ihr habt schon so viel erreicht, liebe Frauen, und jetzt dürft ihr genauso Lungenkrebs bekommen wie Männer. So sieht Gleichberechtigung aus!
In der Welt des „Markt-Feminismus” wird das Kaufen selbst zu einer feministischen Handlung. Ich konsumiere, also bin ich Feminist*in! Die Möglichkeit zum Konsum hat jedoch nicht jede*r. Der nahezu bis zur Unkenntlichkeit verwässerte, entradikalisierte Feminismus, wie er uns in der Werbung begegnet, ist also keineswegs so zugänglich und barrierefrei, wie uns vermittelt wird. Marken wie H & M oder Dove legen es nicht wirklich darauf an, Weltbilder und Strukturen zu verändern – sondern darum, individuellen Frauen ein gutes Gefühl zu vermitteln. Das ist nicht unbedingt negativ: Für einige beginnt der Weg zum Feminismus bei sich selbst. Es zeigt außerdem, dass wir mittlerweile an einem Punkt angelangt sind, wo Anti-Sexismus ein wirksames Marketing-Instrument ist. Allerdings, so Andi Zeisler: „Die Beschreibung ‚feministisch‘ wird nun benutzt, um alles mit Lob zu überschütten, was nicht offenkundig herabsetzend, erniedrigend und ausbeuterisch gegenüber Frauen ist.“ Eine frustrierend niedrige Messlatte.
Ablenkung von den eigentlichen Problemen
Das „Femvertising“-Phänomen ist vielem zuzuschreiben – der Erkenntnis, dass Frauen eine wichtige Zielgruppe sind (Überraschung!), der Macht von Social Media. Aber es hat nichts damit zu tun, dass Feminismus plötzlich als wichtig und notwendig angesehen wird – feministische Überzeugungen gelten vielen immer noch als Ausdruck weinerlicher privilegierter Frauen, die nicht einmal ihre Klappe halten können. Nein, tatsächlich lassen wir uns vom glänzenden Feel-Good-Feminismus von den eigentlichen Problemen ablenken: Feministische Energie wird von konkreten Formen des Aktivismus auf Kleiderstangen und Kosmetikregale im Drogeriemarkt gelenkt. Das ist nicht empowernd, sondern sogar das Gegenteil. Die Ungleichheit in unserer Gesellschaft, der alltägliche Sexismus, sexuelle Gewalt und Diskriminierung: Das alles sind Probleme, die sich nicht mit dem Erwerb eines Pullovers oder einer Bodylotion lösen lassen.