Feminismus und Konsum //
Kann Konsum feministisch sein?

31.10.2016 Feminismus, box1

feminismus und konsumKann Konsum feministisch sein? Marken wie H&M und Monki wollen uns das glauben machen.

Jahrzehntelang war Feminismus eine soziale Bewegung, ein Kampf für Gleichberechtigung. Feminist*innen galten wahlweise als behaarte Emanzen, lila Latzhosenträger*innen oder frustrierte Furien, die dringend mal flachgelegt werden müssen (weil, wie wir wissen, Sex für alles die Lösung ist). Doch jetzt ist alles anders: Die Zeiten, in denen Feminismus in etwa so attraktiv erschien wie neongrüne Crocks sind vorbei! Feminismus ist offiziell angesagt. Statt soziale Bewegung ist er nun zu einer irgendwie diffusen „Empowerment“-Haltung geworden – und die lässt sich wunderbar für Marketing-Zwecke nutzen.

So ist alles plötzlich feministisch: Unterhosen (Schlagzeile: „Bras you won’t want to burn“), Shampoos, Körperpflege, Hygieneartikel. Die US-amerikanische Journalistin Andi Zeisler stellt in ihrem neuen Buch We were feminists once: From Riot Grrrl to CoverGirl, the buying and selling of a political movement frustriert fest: „Der Kampf für Geschlechtergerechtigkeit hat sich auf wundersame Weise von einem gemeinsamen Ziel in eine Verbrauchermarke verwandelt.“ Im Gegensatz zum Feminismus als Bewegung geht es diesem „Markt-Feminismus“ nicht um Macht, um kollektive Anstrengungen – es geht um ein individuelles „Feel Good“-Gefühl, um das herrlich vieldeutige „Empowerment“ eben.

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Mit Shampoo zur Emanzipation

H&M zeigt in seiner neuen Herbstkampagne eine Reihe von selbstbewussten Frauen, die, untermalt von Lion Babes „She’s a Lady“-Cover, achselbehaart im Bett herumlungern, breitbeinig in der Bahn sitzen und sich selbst bewundernd im Spiegel betrachten. Die Botschaft: Was eine Lady ist, bestimmst du selbst! Natürlich lässt sich dagegen überhaupt nichts einwenden, genauso wenig wie gegen das von Monki initiierte #Monkifesto: Coole Frauen, die in kurzen Videos über das sprechen, was sie begeistert und ausmacht und dabei in ihren Monki-Klamotten erfrischend normal aussehen. Das Modehaus Dior bedruckt T-Shirts mit dem Slogan „We should all be feminists“ und ja, das sollten wir alle.

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Monkifesto

Was sich aber bei all diesen positiven Botschaften nicht so einfach verdrängen lässt: Dass hier Produkte verkauft werden sollen. Und zwar auf dem Rücken einer Bewegung mit eindeutigen gesellschaftlichen und politischen Zielen. Aber um Ziele geht es den Unternehmen nicht und auch nicht darum, ob eine empowernde Botschaft überhaupt zum Produkt passt. H&M will Frauen angeblich unterstützen – aber offensichtlich nicht die Frauen, die für Hungerlöhne in H&Ms Textilfabriken schuften. Die ikonische Dove „Real Women“-Kampagne feierte zwar verschiedene Körperformen – auf Photoshop wollte man aber doch nicht verzichten. Pantene Pro V fordert Frauen auf, sich nicht ständig für alles Mögliche zu entschuldigen („Sorry, not sorry“) – wie genau ihnen ein Shampoo dabei helfen soll, bleibt offen. Vielleicht hat glänzendes Haar (#ShineStrong) ja Superkräfte?

Dove "Real Women" Campaign

Dove „Real Women“ Campaign

Kaufen als feministische Handlung

Nun ist das sogenannte „Femvertising“ – also Werbung, die darauf abzielt, Mädchen und Frauen zu „empowern“ – kein neues Phänomen. Schon 1968 schaffte es die Zigarettenmarke Virginia Slims erfolgreich, die bis dahin hauptsächlich von Männern konsumierten Glimmstängel an die Frau zu bringen; mit einer Kampagne, die eine Reihe von rauchenden Frauen zeigte, dazu der Spruch „You’ve come a long way, baby“. Übersetzt in etwa: Ihr habt schon so viel erreicht, liebe Frauen, und jetzt dürft ihr genauso Lungenkrebs bekommen wie Männer. So sieht Gleichberechtigung aus!

In der Welt des „Markt-Feminismus” wird das Kaufen selbst zu einer feministischen Handlung. Ich konsumiere, also bin ich Feminist*in! Die Möglichkeit zum Konsum hat jedoch nicht jede*r. Der nahezu bis zur Unkenntlichkeit verwässerte, entradikalisierte Feminismus, wie er uns in der Werbung begegnet, ist also keineswegs so zugänglich und barrierefrei, wie uns vermittelt wird. Marken wie H & M oder Dove legen es nicht wirklich darauf an, Weltbilder und Strukturen zu verändern – sondern darum, individuellen Frauen ein gutes Gefühl zu vermitteln. Das ist nicht unbedingt negativ: Für einige beginnt der Weg zum Feminismus bei sich selbst. Es zeigt außerdem, dass wir mittlerweile an einem Punkt angelangt sind, wo Anti-Sexismus ein wirksames Marketing-Instrument ist. Allerdings, so Andi Zeisler: „Die Beschreibung ‚feministisch‘ wird nun benutzt, um alles mit Lob zu überschütten, was nicht offenkundig herabsetzend, erniedrigend und ausbeuterisch gegenüber Frauen ist.“ Eine frustrierend niedrige Messlatte.

Ablenkung von den eigentlichen Problemen

Das „Femvertising“-Phänomen ist vielem zuzuschreiben – der Erkenntnis, dass Frauen eine wichtige Zielgruppe sind (Überraschung!), der Macht von Social Media. Aber es hat nichts damit zu tun, dass Feminismus plötzlich als wichtig und notwendig angesehen wird – feministische Überzeugungen gelten vielen immer noch als Ausdruck weinerlicher privilegierter Frauen, die nicht einmal ihre Klappe halten können. Nein, tatsächlich lassen wir uns vom glänzenden Feel-Good-Feminismus von den eigentlichen Problemen ablenken: Feministische Energie wird von konkreten Formen des Aktivismus auf Kleiderstangen und Kosmetikregale im Drogeriemarkt gelenkt. Das ist nicht empowernd, sondern sogar das Gegenteil. Die Ungleichheit in unserer Gesellschaft, der alltägliche Sexismus, sexuelle Gewalt und Diskriminierung: Das alles sind Probleme, die sich nicht mit dem Erwerb eines Pullovers oder einer Bodylotion lösen lassen.

11 Kommentare

  1. Mari

    Spannend, ich habe bei der Überschrift einen ganz anderen Artikel erwartet. In meinem Kopf tauchte bei ‚feministischem Konsum‘ eher Man Repeller auf, als irgendein bestimmtes Shampoo. Scheint also noch nicht so gut zu funktionieren, die Kampagne ;).

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  2. Ina*

    Danke sehr für den Artikel. Habe auch viel darüber nachdenken müssen.

    Ich arbeite beruflich zum Thema Menstruation (MenstrualHygiene Day) und Kiran Ghandi , vom Monkifesto , ist eine super Vorbild. Ich bin da auch im totalen Zwiespalt : ist es förderlich das Marken jetzt unterbesetzte Themen in die Öffentlichkeit pushen, und diese mehr & notwendige Aufmerksamkeit bekommen.
    Oder ist es einfach nur Trend gerade um Aufmerksamkeit und Authentizität zu vermitteln, und doch ein paar mehr Produkte zu verkaufen. Und, BINGO – damit bin ich dann ja volle Markenzielgruppe für Monki.

    Ich würde mir von den Marken längerfristigeres „ehrliches“ Engagement zu den Themen wünschen (zum Beispiel im CSR Bereich)

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  3. Annekathrin

    Für manche mag das zutreffen, dass sie glauben durch den richtigen Konsum feminsitisch zu sein. Für andere aber nicht. Insgesamt denke ich schon, dass es auf lange Sicht gerade dadurch, dass sich Frauen eine eigene Ästhetik schaffen und diese durch Konsumprodukte popularisieren (sie sind nun mal das beste Massenmedium!) zu einer Sensibilisierung für die Anliegen des Feminismus führen. Begriffe und ihre Verwendungsweisen sich durchsetzen, es neue Topoi geben wird. Hier vertrete ich zum Beispiel eher die gegenteilige These: https://sofrischsogut.com/2016/03/14/pretty-in-pink-and-blood/

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  4. superspezial

    Probleme lassen sich natürlich nicht durch Bodylotion lösen, aber manche kleine Unternehmen versuchen es tatsächlich – und zwar leidenschaftlich. Zum Beispiel wir von i+m Naturkosmetik Berlin. Ein kleines, aber engagiertes Berliner Naturkosmetikunternehmen hat sich auf die Fahnen geschrieben mit den eigenen Kosmetikprodukten nicht nur die Haut, sondern auch die Welt ein bißchen schöner zu machen. Wir verwenden nur schonend gewonnene, feinste Bio-Pflanzenwirkstoffe, wie kaltgepresste Öle, natürlich aus fairem Handel, wir geben keine Wirkversprechen, sondern motivieren unsere Kund*innen zu einem liebenden Blick auf sich selbst, wir initiieren aus eigenen Mitteln ein Frauenhaus in Sambia und unterhalten dieses durch die Produktion von speziellen Sondereditionen unserer Produkte und spenden insgesamt 40% unserer Erlöse an ökofaire Projekte im Aufbau, wir haben gerade erst neulich unserer Firmen-Gründerin Inge Stamm eine eigene Pflegeserie gewidmet, um ihre Verdienste als Bio- & Vegan-Pionierin, innovative Naturkosmetikentwicklerin und engagierte Frauenrechtlerin zu ehren. Wir versuchen wenigstens mit unseren Produkten Aktivismus über Kosmetikregale hinweg zu betreiben. Also, schreibt doch mal was über uns und setzt nicht immer nur den Fokus auf die üblichen Verdächtigen, die doch eh nichts Gutes im Sinn haben 🙂

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      1. VielSchönes

        Ich auch! bei meinem Wirken im Bereich ‚Bewusster Aktivismus‘, bin ich immer wieder auf die Firma i+m Naturkosmetik Berlin gestoßen, die nicht nur ein super cooles Design hat sondern sich auch super cool für soziale Gerchtigkeit, Umweltschutz und Tierschutz einsetzt. so ne wirklich politische Marke. Da ist echt drin, was drauf steht.
        Wäre toll, wenn auch mal so ne kleine aber feine Firma und nicht nur die Großen in den Artikeln genannt wird.

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    1. Alice

      Ich mag eure Produkte sehr (Phyto Balance!), aber ist das jetzt grad euer Ernst, dass ihr dieses Kommentarfeld dazu nutzt, um Werbung zu machen statt auf den Artikel einzugehen / das Thema Konsum kritisch zu hinterleuchten? Natürlich ists‘ wichtig nicht nur schwarz zu malen, aber zu schweigen und in die zufrieden-seichte-Konsumblatze zu kriechen verändert nichts. Ja, ihr habt anscheinend vieles richtig gemacht mit eurer Marke und euren Produkten und das ist schön und wichtig. Aber dieser Kommentar zeigt auch so gut die Krux der ganzen Sache, wirkt als ob ihr den Artikel nur überflogen hättet. Boah, echt nicht schön.

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  5. Werbung geh weg

    Könnte dieses Thema bitte sachlich behandelt werden?! Könnt Kotzen wenn ich bei so nem Thema dann auch noch billigste Werbung und Selbstdarstellung von einem weiteren „ach so Feministischem Unternehmen“ sehe. Ja es gibt unterschiede in Unternehmensführung, aber das Problem heißt auch immer noch Kapitalismus! Ein Feminismus ohne Kritik an Staat und Kapital, bleibt immer zurück geworfen auf feel good Feminismus. Dann kann ich auch bei H&M einkaufen, weil ich mir den Schund von irgendeinem trendy Startup aus der Hauptstadt wahrscheinlich nicht leisten kann!

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    1. Pi

      marktwirtschaft ist nun mal „state of the art“ entwickelter gesellschafts- und wirtschaftssysteme und hat sich gegen andere utopien durchgesetzt, die ganz schnell zu distopien und diktaturen wurden, damit müssen wir jetzt also erstmal arbeiten.

      und ein guter weg ist es, marktwirtschaft wirklich ein bischen sozial- , umwelt- , feminismus- und wohlfahrtsverträglicher (für ALLE!) werden zu lassen, anstatt sie nur sozial, grün, feministisch und feel good regenbogenbunt anzumalen, um den same old shit zu verkaufen, der einen noch nicht mal wie versprochen glücklicher machen kann. oder hast du einen besseren, konstruktiven vorschlag für die zukunft von wirtschaft und gesellschaft?

      das hier erwähnte unternehmen (das wohl schon 37 jahre alt und damit nicht wirklich ein trendy start up ist), scheint wirklich etwas besser machen zu wollen und nicht nur auf gewinnmaximierung durch feel good washing zu setzen, ich für meinen teil sehe das als validen weg in die richtige richtung an und würde da sehr gern mehr drüber lesen!

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  6. Pingback: Social Media Januar von Annekathrin Kohout 15.1.2017 | POP-ZEITSCHRIFT

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