Die Band Jennifer Rostock hat vergangene Woche das Video zum Song Hengstin veröffentlicht. Im Song selbst geht es um Sexismus, um Diskriminierung – und die Reaktionen einiger Medien zeigen beispielhaft, warum das Thema eben kein „kalter Kaffee“ ist.
Ich bin ehrlich gesagt kein großer Fan von Jennifer Rostock – irgendwie nicht meine Musik. Aber Hengstin, den neuen Song der Band, mag ich. Sehr sogar. Noch mehr mag ich das dazugehörige Video, das letzten Freitag veröffentlicht wurde. Darin bouncen Tänzer*innen auf verstörende Art ziemlich cool herum, verschiedene Frauen schauen herausfordernd in die Kamera und Sängerin Jennifer Weist ist manchmal nackt und am Ende eine Zentaurin, also eine Pferdefrau. Hengstin eben. Der eigentliche Knaller ist aber natürlich der Text: „Erzähl mir nicht, dass das Thema kalter Kaffee ist / man muss nicht alles schwarz anmalen, um zu erkennen was Sache ist. Wir leben in ’nem Herrenwitz, der nicht zum Lachen ist / doch wenn man ihn nur gut erzählt, merkt keine Sau, wie flach er ist“, rappt Weist an einer Stelle.
Eine einzige Provokation
Wie wahr. Dass das Thema Sexismus und Diskriminierung kein kalter Kaffee ist zeigte sich nämlich direkt nach Veröffentlichung des Videos. Diversen Medien scheint immerhin aufgefallen zu sein, dass es in dem Song irgendwie um Gleichberechtigung geht – die, jetzt kommt’s, Jennifer Weist nackt einfordert! „Jennifer Rostock kämpfen für Feminismus – nackt!“, schnappatmete Die Welt, während der Stern befand: „Die Band Jennifer Rostock will mit Song ‚Hengstin‘ ein Zeichen für mehr Gleichberechtigung setzen – und setzt dabei auf viel nackte Haut.“ Garniert waren diese Artikel natürlich mit einem Bild des nackten, tätowierten Körpers von Weist.
Nun ist es natürlich so, dass die Band und vor allem Sängerin Weist sich sehr wohl was dabei gedacht haben werden, in einem Video zu einem Song, der Sexismus thematisiert, nackte Haut zu zeigen. Song sowie Video sind eine einzige Provokation und natürlich kann man darüber diskutieren, inwiefern es jetzt wirklich Nacktheit brauchte, um die Botschaft rüberzubringen. Andererseits: Weists nackter Körper macht einen nur winzig kleinen, eher uninteressanten Teil des Videos aus. Im Rest des Videos passiert so viel mehr, gibt es so viele starke Posen und beunruhigende Bilder. Tatsächlich gehört das Video zum Besten, was die deutsche Poplandschaft in letzter Zeit so geboten hat. Was aber bleibt? Die Erkenntnis: sex sells, immer noch und immer wieder.
Reden wir Tacheles!
Jennifer Weist ist Kommentare zu ihrem freizügigen Auftreten ja sowieso gewöhnt. „Mein Körper, meine Regeln“, sagt sie und das ist ihr gutes Recht. Ich selbst bin beim Thema „Blankziehen für die Emanzipation“ etwas kritisch, insbesondere wenn es um die Gruppierung Femen geht. Meiner Meinung nach haben die es zum Beispiel mit ihren blanken Brüsten nicht besonders gut hinbekommen, Aufmerksamkeit für irgendetwas anderes als sich selbst zu schaffen. In Jennifer Rostocks Fall finde ich aber: Das ist alles stimmig. Weil Song und Video ein ausgestreckter Mittelfinger sind, mit den Erwartungen an Frauen spielen, damit, wie diese zu sein haben – nämlich nicht laut und provokant und vor allem nicht nackt, denn das ist ja dann doch irgendwie anstößig. Nicht jugendfrei.
Vielleicht sind die Reaktionen der Medien (Nackt für Feminismus!) also genau das, was Jennifer Rostock antizipiert hatten. Im Song heißt es: „Du fragst, was Sache ist? / Reden wir Tacheles / Ich glaube nicht daran, dass man Geschlecht das schwache ist / ich glaube nicht, dass mein Körper meine Waffe ist / ich glaube nicht, dass mein Körper deine Sache ist.“ Bei dieser Textzeile sollten einige Medien nochmal ganz genau hinhören.
»Eine Hengstin ist für mich eine Macherin. Eine, die ihr Leben in die Hand nimmt,
macht was sie möchte und sich nicht beirren lässt.« Jennifer Weist