Ein Instagram Post, den ich vergangene Nacht in einem Anflug von Schlaflosigkeit niedergetippt hatte, erschien mir noch beim Upload als überaus logisch, durchaus angebracht und dingend notwendig. Nur ist gut gemeint, längst nicht automatisch gut gemacht, was sich alsbald in den darauffolgenden Kommentaren zeigen sollte und mich für einen kurzen Augenblick zunächst ernsthaft an meiner geistigen Konstitution zweifeln ließ und dann an der Fähigkeit, mich für jedermann und -frau verständlich auszudrücken. Deshalb versuche ich es auf diesem Kanal ein zweites Mal, mit ein bisschen mehr Raum für die Erklärung meiner Beweggründe – Obwohl ich ehrlich gesagt vornehmlich eine ganz grundsätzliche Hasskappe auf Soziale Medien und deren Mutation zur Pest für Körper und Seele hegte (vermutlich auch, weil ich selbst Teil davon bin) und noch dazu zu viel Cola getrunken hatte.
Aber jedenfalls schrieb ich irgendetwas von wegen „Leute. Eine Designertasche macht euch nicht glücklicher als ein Spaziergang durch den Park. Vor allem, wenn ihr erst 20 seid. Und wenn ihr doch so ein teures Taschenscheißerchen kauft, dann achtet zumindest darauf, dass es euer Herz mit echter Freude erfüllt, etwa, weil es für einen bestimmten Abschnitt in eurem Leben steht, einen großen Schritt, weil es euch aus welchen Gründen auch immer so richtig etwas bedeutet und dadurch zu einem bescheuerten aber lieb gewonnenes Symbol heranwächst. Aber nicht nur wegen des Logos. Oder etlicher Influencer. Die meisten von ihnen müssen für diesen Luxus nämlich noch dazu einen (nicht in Geldscheinen abzählbaren) Preis bezahlen, den die allermeisten Menschen überhaupt nicht zahlen wollen würden.“ Ich beschloss ganz einfach, das müsse endlich mal gesagt werden und am besten auch immer wieder.
Was damals die Modemagazine waren, sind heute nunmal zu großen Teilen auch Instagrammer*innen und genau hier liegt zwar das Schöne, aber eben auch die Gefahr verborgen. So ein Foto-hochladender Mensch ist ohne Zweifel nahbarer als ein bedrucktes Stück Hochglanzpapier und bietet damit gefährlich viel Identifikationsfläche. Es wird also ganz gern vergessen, dass häufig ein neumodischer Job und hier und da bestimmt auch die ein oder andere dem Konsum-Wahnsinn entsprungene Geisteskrankheit hinter all dem scheinbar unbefleckten Bling Bling steckt. Aber selbst wenn wir vom Besten ausgehen, nämlich, dass der Mensch hinter den Bildern und Logos bei klaren Verstand und wahrhaft glücklich ist, muss irgendwie deutlich werden, dass sich diese Wonne nicht durch den Kauf von überhaupt irgendetwas auf eine andere Person übertragen lässt. Und vor allem: Nicht übertragen lassen MUSS. Pi hatte diesen Konflikt an dieser Stelle bereits in fachmännische Worte gefasst. Eine der wichtigsten Erkenntnisse lautet:
„In unserer Gesellschaft wird auf multiplen Kanälen suggeriert, dass wir Glück, Zufriedenheit, Erfolg, Image, Selbstwert, schlicht „das gute Leben“, mit den richtigen Produkten erkaufen können. Jedes Lebensgefühl wird heutzutage konsumierbar gemacht (…) Verliebt man sich z.B. in einen tollen, massiven, riesigen Esstisch, ist dabei meist nicht der Tisch an sich das wirkliche Objekt der Begierde (auch wenn er noch so ein toller Designklassiker ist, aus ganz fantastischem Material). Was man wirklich in ihm sieht, geht meist viel tiefer. Vielleicht tagträumt man schon davon, mit Familie und Freunden an diesem Tisch zu sitzen, sieht sich gemeinsam lachen, essen, tolle Gespräche führen. Hat man den Tisch dann aber gekauft, werden diese eigentlichen Bedürfnisse dadurch ja nicht erfüllt. Man sehnt sich weiterhin und sucht weiter nach Befriedigung im Konsum.“ Mit Luxusgütern verhält es sich wohl sehr deckungsgleich.
Ich verzichte jetzt ganz bewusst darauf, meinen eigene Konsumlust zu rechtfertigen, dass wir Logo-Käuferinnen allesamt gehörig einen an der Waffel haben, aus unterschiedlichsten Gründen, ist klar wie Kloßbrühe. Ich weiß sehr wohl, dass ich mir mit diversen Designerhandtaschen, die ich mir übrigens allesamt von meinem eigenen Geld zugelegt habe, entweder ein Stückchen der in meinen Augen magischen Aura eines hochgelobten Lieblingsdesigners und dessen Visionen um den Arm hängen und mich damit schmücken, oder mir leider Gottes selbst verdeutlichen möchte, dass es sich gelohnt hat, jahrelang ein fleißiger Zahn mit null Komma null Freizeit gewesen zu sein, der einst auf Sicherheit verzichtete, um alsbald in die Selbstständigkeit mit all ihren Vor- und Nachteilen zu stolpern. Der Zirkus gleicht bei mir einem immerhin sorgsam überdachten Belohnungsmechanismus, nach Abgaben verhasster Projekte etwa. Vielleicht sogar einer Entschädigung für verlorene Jugendjahre, um ein bisschen dramatisch zu werden und gleichzeitig zu verdeutlichen, dass mein Weg und die damit verbundenen Privilegien nicht unbedingt erstrebenswert sein müssen. Und sollte er es für den ein oder anderen doch sein, dann aber vielleicht lieber aus anderen Gründen als Gucci.
Das alles heißt aber auch: Ich weiß jede Anschaffung zu schätzen. Sehr sogar. Und bin noch dazu in der glücklichen Lage, für solch einen Firlefanz keine Kompromisse eingehen zu müssen. Das ist, glaube ich, ein großer der tausend Knackpunkte. Es gab nämlich selbstverständlich auch ganz andere Zeiten. Bloß war ich damals keineswegs unglücklicher. Eine rosa Handtasche ist im Grunde vergänglich wie ein wilder Sommer und sollte irgendwann wieder ein Winter einbrechen, darf das nichts am persönlichen Wohlergehen ändern. Bei jenen, die etwa auf Urlaube oder gutes Essen verzichten, um der Umwelt vorgaukeln zu können, dass genug Geld zur Verschwendung vorhanden ist, wegen des allgemein Drucks zum Beispiel, oder für die eine solche Ausgabe ohnehin nicht infrage kommt, tut es das aber. Da hängt das Glück am Täschenhenkel, wenn auch nur im übertragenden Sinne. Das musste ich jüngst jedenfalls in aller Deutlichkeit spüren, zuletzt, als ich die Geschichte der guten Freundin einer meiner beiden kleinen Schwestern hörte. Und ich verstehe das. Weil zu wenig Transparenz herrscht und es darüber hinaus kaum zum Austausch zwischen Betrachtenden und Posierenden kommt.
Besagte Freundin etwa vergöttert eine der größten deutschen Influencerinnen und folgt noch dazu sämtlichen Internetstars, die meist satte zehn Jahre älter sind und längst nicht mehr die Füße unter Mamas Tisch stellen, die durch die Welt jagen oder im Überfluss baden oder beides gleichzeitig. Es wäre schön, könnte man nun sagen: Es sei ihnen gegönnt. Denn auch ich würde nicht tauschen wollen und belasse es beim Betrachten bunter Bilder. Aber so leicht ist es häufig nicht. Durch das Ansehen fremder Leben wurde besagte 16-Jährige irgendwann dauerhaft tieftraurig. Und zwar nur, weil ihr Esstisch keine goldenen Beine vorzuweisen hatte und die Schuhe kein Logo. Sie hatte den Überblick, den Sinn für das Echte und für Relationen, für Sein und Schein und echte Freude verloren. Dafür, dass diese funkelnden Gestalten da draußen höchstens Stil-Inspirationen, aber keine wahren Vorbilder sein sollten. Zumindest nicht wegen der Anzahl von Dolce & Gabbana Produkten im Kleiderschrank. Deshalb auch mein Post.
Man darf andere Menschen, wenn es denn unbedingt sein muss, selbstverständlich für das Tragen von Designerfummel verurteilen. Man kann andere Prioritäten setzen. Man darf auch selbst welchen tragen – zur richtigen Zeit. Vielleicht mit 20, vielleicht mit 40 oder erst mit 60, weil man es kann, oder weil Sparen Spaß macht, weil man geerbt oder gearbeitet und meinetwegen auch, weil der Macker Mäuse hat. Aber man sollte tunlichst Abstand davon nehmen, Besitztümer anderer auf die eigene Zufriedenheit Einfluss nehmen zu lassen. Andere Menschen, anderes Leben, andere Gründe, vielleicht auch nur andere Prioritäten, so simpel und schwer zugleich. Und wenn all das Gerde nicht hilft, dann müssen wir vielleicht hin und wieder die Augen schließen und an den glückseligsten Menschen denken, den wir persönlich kennen. Ich denke da immer wieder an meine Oma Mia. Die hat Zeit ihres Lebens auf dem eigenen Acker geschuftet und besitzt statt funkelnder Handtaschen eine Exorbitant große Sammlung an geblümten Gummistiefeln.