Unsere Scalamari Jane hat bereits ein sehr intensive Begegnung mit der aktuell wohl gehyptesten Duftkerze der Welt zu verzeichnen und wurde somit im Handumdrehen vom Anti-Mädchen zum Feigenbaum-Fan – trotz Hipsterprodukt-Stempel. Ich spreche hier also natürlich nicht von der Apfelzimt-Version aus dem Drogeriemarkt gegenüber, obwohl ebenjene sicher auch ihre Reize hat, nein, die Rede ist von Diptyque. Den meisten von euch ist das ikonische Gläschen mit den tanzenden Buchstaben bestimmt längt bekannt. Vergangene Woche jedenfalls feierte die Marke ein olfaktorisches Opening in Berlin. Selbstverständlich habe ich an diesem Abend Mäuschen gespielt, um herauszufinden: Warumwiesoweshalb der Hype? Und der mitunter mächtige Preis? Und noch viel mehr.
Mir war ja gar nicht klar, was mich eigentlich erwartet, als ich mich auf den Weg durch die nassen Straßen Friedrichhains in den Westen aufmachte. Aber einmal angekommen, verschlangen mich verlassene Gärten voller wild sprießender Rosen, miteinander verschmolzene saftige Beeren, Blüten, trockene Hölzer und die im Wind tanzende Arme der Berliner Linden. Aber jetzt mache ich es einfach kurz: Alsbald schon traf ich nämlich auf die Diptyque-Mutter, die zugleich CEO ihres Unternehmens ist, und konnte um ehrlich zu sein überhaupt nicht mehr aufhören, ihren Geschichten über die Welt der Düfte zu lauschen. Wir plauderten also über Gott und die Welt aber auch darüber, ob sogar Kerzen gewissen Trends folgen müssen, wie man diese Schätze am besten pflegt und stellten am Ende außerdem fest: Eigentlich sollte wirklich jeder Kerzen in seinem persönlichen Palast aufstellen.
{ Auf 35 Quadratmetern eröffnete am Kurfürstendamm 193 der Chic Bazar seine Tore in eine Welt voll Diptyque’esquer Erinnerungen und kostbarer Momente. Schon beim Betreten der Türschwelle saugen mich all die exquisiten Gerüche in das Reich von Diptyque – ein Mix aus Stil, Seele und Charakter jedes einzelnen Parfums, jeder Duftkerze, jedes Objekts und jedes Balsams. Ich verstehe langsam, das man alldem hier verfallen kann. Luxus ist das, na klar. Aber auch Balsam für die Seele. }
Der Store kommt mir vor, wie eine kleine Schatzkiste. Man entdeckt an jeder Ecke kleine Elemente aus der Vergangenheit. Das ist ja wie in einem Märchen, in einem anderen Land, ach was sage ich, in einer anderen Zeit!
Ja, für die Eröffnung wollten wir gerne etwas ganz Besonderes gestalten, weil es für uns natürlich eine große Sache ist, den ersten Diptyque Store in Deutschland zu eröffnen. Letztlich nehmen wir die Menschen mit in die Diptyque Welt, zwar kennen viele schon die Kerzen, aber besonders in Deutschland kennen vielen die wunderschöne Geschichte hinter der Marke nicht. Unser Decor soll diese Geschichte erzählen, und hier sind wir noch einen Schritt weitergegangen. Wir zeigen die Wurzeln der Marke, wofür Diptyque wirklich steht. Wenn wir einen neuen Laden öffnen, wollen wir immer ein bisschen die Stimmung unserer Saint Germain Boutique, den Spirit, in eine neue Location bringen – und das haben wir hier versucht.
{ Das französische Label startete 1961 als Geschäftsmodell dreier Freunde für Kunsttapeten und Einrichtungsgegenstände. Sie wollten einfach etwas Schönes entwickeln, einen Ort, an dem Menschen großartige Düfte kaufen könnten, wo sie sich willkommen fühlen würden und sich inspirieren lassen könnten. Sie haben Diptyque immer nach ihrem Geschmack entwickelt, nach ihrer Neugierde, nach den Einflüssen, die sie auf ihren Reisen erlebten. Zu Anfang war es im wahrsten Sinne ein Concept Store, noch bevor das Wort Concept Store überhaupt existierte. Christiane Gautrot war Interior Designerin, Desmond Knox-Leet ein Maler und Yves Coueslant Tehater Direktor director und Set Designer }
Inneneinrichtung und Duftkerzen sind ja im Moment so furchtbar en vogue, da ist das Timing für den neuen Store ja genau richtig.
Ja klar, die Kerzen sind natürlich unser legendärstes Produkt. Aber Diptyque ist ja eigentlich ein Parfum-Haus und somit geht es uns nicht nur um die Kerzen. Aber klar, die Kerzen sind weltbekannt und werden definitiv als die Besten angesehen (lacht). Hier in Deutschland wollen wir gerne unseren Kunden Duftkerzen noch näher bringen, im Vergleich zu anderen Ländern ist es hier wohl noch nicht so beliebt. Das ist ja auch irgendwie der Zweck von so einem fabelhaften Laden, unsere Kunden die ganze Welt von Diptyque erkunden zu lassen, die gesamte Vielfalt unserer Produkte. Wir haben übrigens hier im Laden bestimmt 50 verschiedene Duftrichtungen, also kann man sich wirklich austoben – wir haben großartige Florals, großartige holzige Düfte, grüne, pflanzliche Düfte, süß, scharf. Eigentlich gibt es alles, ganz nach Geschmack, nach Jahreszeit und nach Laune, kann man großartige Kombinationen erstellen.
Warum sind Duftkerzen denn zu so einem großen Trend geworden?
Ich glaube, eine Kerze anzuzünden hat einfach etwas magisches. Du möchtest dich in dem Moment entspannen, gut fühlen, gemütlich sein. Das Licht in Kombination mit dem Duft macht viel Sinn – es ist eine Kunst des Lebens, die mehr und mehr an Popularität gewinnt. Du kannst jede Kerze nehmen, sie anzünden, und in diesem Moment wird der Moment zu etwas Besonderem. Du hast das Licht, die Wärme, einen kleinen Moment von Glück. In dieser verrückten Welt, in der wir leben, brauchen Menschen einfach manchmal einen Moment für sich, um etwas so Schönes zu erleben, ohne Geräusche, einfach um zu entspannen. Und wenn man so eine Vielfalt an Düften zur Verfügung hat, kann man sich wirklich genau den aussuchen, den man am liebsten hat, jeden Tag einen anderen, wenn du das magst. Ein Duft kann das Gefühl deines ganzen Zuhauses verändern, Geruch ist so ein emotionaler Sinn. Letztlich kannst du dein Zuhause neu kreieren, wenn du auf Reisen bist, so lange du den gleichen Duft dabei hast. Geruch ist der Sinn von Erinnerungen, er wird dich in der Zeit zurückversetzen.
Welche Düfte sind im Moment denn besonders „en vogue“ und welche werden es 2017 sein? Folgen Kerze etwa auch bestimmten Trends?
Wir ignorieren Trends. Nein, natürlich kennen wir sie, weil das wichtig ist. Aber die Art, nach der Düfte bei Diptyque entwickelt werden, ist schon immer eine andere gewesen. Hier wurden Düfte einfach so entwickelt, für ihren Spirit, für die Erinnerungen, die sie hervorriefen, für die Reisen, von denen sie stammten. Die Gründer von Diptyque entwickelten Düfte für sich selbst einfach, weil sie die schönen Momente ihrer Leben in Parfums umwandeln wollten.
Wenn wir heute einen Duft entwickeln wollen, nehmen wir nicht die letzte Marktstudie und denken uns „Oh, das haben wir noch nicht, lass uns das auch mal machen, immerhin haben Andere diesen Duft“, das ist einfach nichts für uns. Wir sehen nicht einfach einen Trend und passen uns dem an, wir wollen aufrichtig in unserer Kreation von Parfums sein. Wir wollen die Authentizität behalten, die schon die Gründer von Diptyque hatten, als sie ihre eigenen Kreationen entwickelt haben. Also sind die Trends auf dem Markt für uns natürlich interessant, aber wir wollen trotzen unsere Tradition behalten.
Welcher Duft ist deiner Meinung nach der unverkennbarste Duft von Diptyque, der „Signature Duft“?
Der wahrscheinlich berühmteste Duft ist Baies – eine unglaubliche Duftnote, eine Mischung aus bulgarischen Rosen und den Blättern der schwarzen Johannisbeere und absolut unverkennbar für Diptyque. Figuie ist natürlich Feige, welche an einen Sommer in Griechenland erinnert. Die drei Gründer haben damals eine Box mit Erinnerungen aus ihrem Griechenland-Sommer eingepackt, mit Steinen und anderen Erinnerungen, die sie mit nach Hause nehmen wollten – und darin war auch ein Feigenbaumblatt. Sie schlossen die Box und vergaßen, dass sie existierte. Als sie dann nach vielen Monaten die Box wieder öffneten, war der Duft einfach unglaublich. Diptyque war tatsächlich das erste Parfumhaus, welches solch eine Feigen-Note vorschlug, und viele weitere folgten. Aber zurück zum Thema: Ein weiterer, komplett anderer, aber doch unverkennbarer Diptyque Duft ist Feu de Bois, also Kaminfeuer. Diese drei sind wahrscheinlich unsere bekanntesten Düfte.
Gibt es noch mehr solcher Geschichten?
Baies hat übrigens auch eine wirklich schöne Geschichte hinter der Entwicklung: einer der Gründer von Diptyque war ja bereits erwähnt Engländer, ein Maler. Eines Tages war er mit einem Freund von ihm im Garten in England. Und sie beschlossen ohne weiteren Grund ein paar Rosen aus dem Garten zu nehmen, mitsamt einigen Blättern der schwarzen Johannisbeere. Diese beiden Düfte, zufällig gemischt, ergaben so einen grünen und doch floralen Duft, mit einer beeindruckenden Balance zwischen der Rose und den Blättern. Und hier zeigt sich wieder, dass die Gründer von Diptyque gar keine Parfumeure waren, sondern einfach Dinge von ihren Reisen nahmen, von ihren Erfahrungen, die sie schön fanden – diese brachten sie dann in eine Parfümerie und sagten „Ich habe eine Rose, ich habe ein Blatt, ich mag den Duft, den die beiden in Kombination ergeben, kannst du mir ein Parfum daraus entwickeln?“. Das ist auch ein Grund, warum so viele natürliche Inspirationen hinter den Produkten von Diptyque stehen.
Magst du mir nochmal kurz erklären, was genau macht Diptyque so einzigartig und hebt es von anderen Marken ab?
Unsere Marke steht wie unsere Geschichte für Freiheit. Freiheit von Trends, von der Industrie, von dem was im Moment angesagt ist. Gleichzeitig war Diptyque von Anfang an sehr innovativ – wir waren etwa die Ersten, die Duftkerzen planten, die Ersten mit einem Feigenduft beispielsweise. Diptyque war 1968 sogar das erste Haus, das einen Unisex Duft lancierte, zu einer Zeit, in der das alles andere als populär war. Ich weiß trotzdem nicht, ob Diptyque wirklich anders als andere Marken ist, aber wir machen Dinge nicht nur, weil wir etwas Neues ausprobieren wollen. Wir folgen auch heute noch immer unserem Instinkt, sind nicht marketing-getrieben. Wir wollen einfach Schönes herstellen und das auch weiterhin tun, vielleicht mit mehr Freiheiten als andere Häuser auf dem Markt sie haben.
Und was war dein allererster Duft? Welche Düfte erinnern dich zum Beispiel noch an deine Kindheit?
Ich bin am Mittelmeer aufgewachsen – also habe ich viele Erinnerungen an den Garten meiner Eltern. Ich habe eine besondere Beziehung zum Feigen-Duft, weil der für mich meine gesamte Jugend und die Sommer mit meiner Familie am Mittelmeer widerspiegelt. Jede Insel dort hat so viele Feigenbäume und es ist so fantastisch: Du läufst einfach und plötzlich hast du diesen unglaublichen Duft in der Nase – für mich bedeutet der einfach warmes Wetter, die besten Momente im Leben, einfach das Leben genießen.
Wir hatten auch einen Lindenbaum, der nachts immer so traumhaft roch, dann noch Jasmin aus den Sträuchern im Garten – all das erinnert mich an meine Kindheit.
Hand aufs Herz: Wie viele Kerzen hast du selbst Zuhause stehen?
Ich habe jetzt keinen ganzen Store zuhause, aber fast! Ich brenne gerne verschiedene Düfte ab, mein ganz persönlicher Geschmack ist eine Mischung aus Floralem und Würzigem, und ich experimentiere einfach gerne mit verschiedenen Düften. Und obwohl ich zwar keinen Palast habe, mag ich es sehr, in den verschiedenen Räumen verschiedene Düfte zu haben. Im Wohnzimmer möchte ich schließlich etwas anderes als in meinem Arbeitszimmer und dann brauche ich Kerzen um den Geruch in der Küche zu überdecken. Kerzen haben natürlich auch einen praktischen Aspekt, Thé beispielsweise ist ein wundervoll würziger Duft, der perfekt dazu ist, kalten Rauch aus einer Wohnung zu bekommen. Und es gibt sogar Kunden, die verschiedene Kerzen für die verschiedenen Speisen kaufen, die sie planen zu kochen!
In der Modeindustrie gibt es oft Samples einer Kollektion, die nicht in den Verkauf schaffen, sogenannte „Show Pieces“ Habt ihr auch so etwas?
Wir haben nicht das gleiche Modell wie die Modeindustrie, wir haben keine Runway Collection zum Beispiel, die niemand kauft oder trägt. Aber wir haben in der Tat unsere eigene Couture Kollektion, per se. Die 34 Kollektion ist typischerweise eine Couture Kollektion, die wir mit unseren Boutiquen teilen. Diese sind in sehr geringer Quantität und somit nicht für die normale Distribution bestimmt, man kann sie nicht online kaufen, oder bei anderen Händlern. Diese Kollektion ist für uns wie eine Art Labor, hier haben wir noch mehr Freiheiten, Dinge zu kreieren, selbst in einer kleinen Auflage – einfach nur, weil wir sie schön finden. Dieses Jahr haben wir beispielsweise eine textile Kollektion entwickelt, mit einem exklusiven Eau de Parfum und bunten Kerzen.
Um ehrlich zu sein, sind 50 Euro für eine Kerze nicht gerade wenig. Kannst du mir den Produktionsprozess etwas erklären, woher kommen diese Kosten?
Natürlich sind 46 Euro, 50 Euro keinesfalls wenig, das verstehen wir. Aber mit einer Diptyquekerze verbringst du mehr als 60 Stunden und wenn du die Kerze gut behandelst, den Docht kurz hältst und wirklich sicherstellst, dass sie mit hinreichender Pflege behandelt wird, hast du bis zum letzten bisschen Wachs etwas von deiner Kerze. Aber ja – der Preis. Die Produktion einer solchen Kerze dauert mindestens zwei Tage. Es gibt 12 manuelle Schritte, die da hineinspielen. Jede Kerzen wird getestet, das Wachs wird kontrolliert, um das optimale Zusammenspiel mit dem Duft zu garantieren. Im Parfum selbst sind so viele natürliche Inhaltsstoffe, dass der Duft manchmal sogar etwas variieren. Das hat mit den Witterungsbedingungen zu tun, Blumen können dann ihren Duft etwas ändern. Das heißt, dass wir jedes Mal, wenn wir ein neues Parfum erhalten, das mit dem Wachs abstimmen. Es sind viele Schritte, bis eine Kerze tatsächlich zu dem wird, was sie ist, und um die Qualität zu erreichen, die wir anstreben.
Der Docht ist manuell im Glas fixiert, dann kommt das Wachs, und natürlich müssen wir dann sicherstellen, dass die Oberfläche glatt ist. Das heißt, das Produkt, welches du letztlich in deinen Händen hältst, ist nicht nur eine Kerze, sondern mit viel Liebe und mit besonderer Qualität kreiert.
Man könnte jetzt sagen, das ist nur eine Kerze. Und viele Menschen unterschätzen das Produkt, sie denken, dass man das Parfumkonzentrat nimmt, in das Wachs mixt und fertig. Das war bei Diptyque nie so, wir verbringen Monate damit, sicher zu gehen, dass wir genau die richtige Menge an Parfum in einer Kerze haben. In unserem Büro in Berlin haben wir tatsächlich Räume, in denen wir Kerzen einfach stundenlang brennen lassen, um zu sehen, wie sich der Duft entwickelt. Manche Düfte werden in einer Kerze nie so wirken, wie sie sollen, Orange beispielsweise, oder generell Zitrusdüfte. Bei diesen kann man einfach keine gleichbleibende Qualität während des gesamten Brennprozesses garantieren – und das ist etwas, was uns am Herzen liegt.
Wie pflegt man kostbare Kerzen eigentlich so, dass man wirklich das Maximum aus ihren heraus holt?
Beispielsweise solltest du, wenn du eine Kerze zum allerersten Mal anbrennst, sichergehen, dass der Docht wirklich mittig ist, und die Kerze gleichmäßig abbrennt, dass die gesamte Oberfläche geschmolzen ist. Zwei Stunden sollte man eine Kerze also beim ersten Anzünden immer brennen lassen. Und danach immer ein Auge darauf werfen, dass der Docht nicht zu lang wird, dann brennt die Kerze sauberer ab. Und nie die Kerze mit Schwung ausblasen, besonders wenn sie komplett geschmolzen ist!
Sag mal, wonach duftet eigentlich Paris für dich?
Der Geruch, den ich am meisten mit Paris verbinde, ist der von Cafés. Nicht Cafés wie der Kaffee, sondern Cafés wie die Cafés, die Orte. Natürlich findet man in jeder Stadt in jedem Land Cafés, aber die in Paris sind einfach etwas Besonderes – der Geruch von Kaffee, Crossaints, alles zusammen, das ist Paris.
Und wonach riecht Berlin?
Berlin ist so eine grüne Stadt, ich war jetzt schon ein paar Mal hier. Ihr habt hier so viele grüne Flächen, also verbinde ich die Stadt immer mit Bäumen, mit dem Kanal, der durch die Stadt führt, an dem man radeln kann. Wir haben tatsächlich für Berlin June in Berlin gemacht – sie riecht nach Linden, Bäumen und Berlin!
Merci, Fabienne Mauny – für dieses schöne Gespräch und für deine Zeit.