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Warum Lena Dunhams Cellulite auf dem Cover so wichtig ist

04.01.2017 Feminismus, Gesellschaft

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Das amerikanische Glamour Magazine hat sich dazu entschieden, die vier „GIRLS“ Stars auf das Cover der Februar-Ausgabe zu bringen. Und zwar ungeachtet kleiner Makel. Zum allerersten Mal in der Geschichte der Frauenzeitschriftenlandschaft ist auf dem Deckblatt einer Hochglanzproduktion also waschechte Cellulite zu erkennen – ein wichtiges Statement und noch viel mehr als das. Nur logisch etwa. Vor allem in Hinsicht darauf, dass besagte Issue ausschließlich von Frauen für Frauen produziert wurde und 90% von uns nunmal genau wie Regisseurin und Protagonistin Lena Dunham liebenswerte Beulen an Po oder Beinen mit sich herum tragen. Die darf normalerweise bloß niemand sehen. Eine Meinung, die in Anbetracht der Realität seltsam erscheinen mag, aber durchaus salonfähig ist.

Ich erinnere mich noch genau an ein Gespräch in New York, das ich mit einer Redakteurin der Grazia führte. Man fragte mich nach meiner Meinung über dieses und jenes und nachdem ich viel Positives anzumerken hatte, erinnerte ich mich in letzter Sekunde doch noch an die Pro- und Kontra Kategorie des Magazins, in der Mitarbeiterinnen ihren Senf zu aktuellen Themen beisteuern dürften. Ein Beitrag, der mir besonders übel aufstieß und in schlechter Erinnerung blieb, war jener über die Lingerie Kampagne, in der Lena und Jemima Kirke sich in voller Pracht und Unterwäsche am Rande einer Badewanne räkelten. Während ich selbst ausschließlich Applaus für die daraus entstandenen Bilder übrig hatte, schwadronierte die Kontra-Stimme doch tatsächlich darüber, dass „so etwas“ nun wirklich niemand sehen wolle. So etwas dickes. So etwas Unästhetisches. Noch beim Durchlesen dieser Zeilen fiel mir die Kinnlade herunter. Bis dato hatte ich schlichtweg nicht darüber nachgedacht, dass außer der Brands selbst überhaupt jemand etwas gegen sympathischen und selbstbewussten Realismus in Bildform einzuwenden haben könnte. Gegen den allgemeinen Tenor des positiven Körpergefühls, der vor allem von einem natürlichen Umgang mit Diversität zehrt. Gegen Menschen, die sich so zeigen, wie Mutter Natur sie geschaffen hatte.

Scheinbar vergaß ich außerdem, dass Medien sich immer auch danach richten, wonach die Masse verlangt. Ein Cover etwa, auf dem eine Woman of Colour gezeigt wird, verkauft sich noch immer schleppender als eines, auf dem die typische weiße Hollywood Schönheit prangt. Die Brigitte musste damals auch recht schnell von ihrem Konzept abrücken, Leserinnen statt Models in Editorials posieren zu lassen. Und vor allem im Alltag fällt mir auf, das Intoleranz vor allem bei uns, den Konsumentinnen, beginnt. Dafür muss man sich zwar ein bisschen aus unserer relativ aufgeschlossenen Blubberblase heraus begeben, aber dann geht es ganz schnell: Da werden Augen verdreht, weil jemand fernab der Kleidergröße 34 Hot Pants trägt. Da wird auf das Muss von „vorteilhafter“ Kleidung hingewiesen. Und bauchfreie Bäuche mit Gesichtsausdrücken des Ekels bestraft. Jeden Tag und ganz unabhängig von der Figur der Urteilenden. Die sind nämlich auch meist angestrengt damit beschäftigt, sogenannte Problemzonen zu kaschieren, statt sich in Selbstliebe zu üben und selbige auch anderen zu gönnen. Warum das so ist, lässt sich ganz vereinfacht mit Sehgewohnheiten, Sozialisierung und suggerierten Idealvorstellungen erklären, aber auch mit einem gewissen Unbehagen, das sich breit macht, wenn ein Mitläufer auf Mut trifft. Dabei sollte es im Jahr 2016 wirklich noch nicht einmal mehr als mutig gelten, man selbst zu sein. Ob auf Fotos oder im Leben.

Lena Dunham macht es also nur richtig. In einem ihrer Essays erklärte sie bereits 2016 als Reaktion auf stark bearbeite Fotos von ihr, die ohne Absprache auf dem Titel einer spanischen Zeitschrift erschienen: “The gap between what I believe and what I allow to be done to my image has to close now. If that means no more fashion-magazine covers, so be it.” (MR) Dank der Glamour war es dann aber offenbar trotzdem nicht mit dem Cover Girl Dasein, ganz im Gegenteil. Jetzt dreht sich womöglich alles um Gewöhnung und die Veränderung von Sehgewohnheiten. Ginge es nach mir, müssten sämtliche Magazine schon morgen nachziehen und sich dem Februar-Ausgaben Credo „Your Look. Your Body. Your Happiness. YOUR FUTURE“ schleunigst anschließen. Damit schon bald kein Hahn mehr nach öffentlich gezeigten Beulen kräht und Texte wie diese endlich überflüssig werden.

glamour cover lena dunham

Foto: Lena Dunham Instagram

13 Kommentare

  1. Julia-Maria

    Für die Glamour mag es ein grosser Schritt sein. Das erste, das mir durch den Kopf schoss: Welche Dellen? Feiert man sich da tatsächlich dafür ab, dass ein paar dunklere Pixel auf dem ansonsten nicht wenig gephotoshoppten Bild stehen gelassen wurden?

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    1. Nike Jane Artikelautorin

      Ich glaube, das musst du mir erklären. Ich sehe da schöne Beine, die sehr viel mehr Umfang aufweisen als alle anderen, die normalerweise von Covern herunter strahlen (abgesehen von Kim Kardashians) und Dellen, wie sie genau so auch in unbearbeiteter Form auf Lenas Instagram Account zu bestaunen sind. Sollte man ihr noch ein paar mehr Dellen zaubern? Der Rest ist vergleichsweise sehr geringfügig bearbeitet wurden – man vergesse bitte nicht die Magie von Make Up plus Ausleuchtung. Und dass man auf einem Foto dann doch eher aussehen mag wie an einem frischen Sonntag als wie an einem verpennten Montag, ist für mich kein Politikum.

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      1. Julia-Maria

        Liebe Nike, schöne Beine ja, vergleichweise weniger dünn auch, recht weit von der erwähnten ‚Insta-Realität‘ entfernt (meine Wahrnehmung). Ich habe kurz vor dem Lesen deines Beitrags einen Post der Glamour auf FB gesehen in dem explizit auf das Cover mit Dellen hingewiesen wurde. Fand ich einfach reißerisch und unsympathisch. Hat was von Sei real und rede drüber… Kritisiere mehr die Cover-Eigenanpreisung, als dein Herausstellen der Wichtigkeit. Dass die Glamour einen Bruchteil Realität zeigt ist für die Gesamtwahrnehmung des weiblichen Körpers vielleicht so förderlich wie die Conscious Collection oder Join Life für das öffentliche Nachhaltigkeitsbewusstsein (das meine ich ernst). Auf das gesamte Handeln des Unternehmens oder hier des Mediums betrachtet, aber ein Witz.

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        1. Nike Jane Artikelautorin

          Uiuiuiui. Wenn immer gleich gemeckert wird, verstehe ich allerdings, dass manch ein Unternehmen erst gar keine Lust hat, einen solchen Schritt zu tun. Ich empfinde das immer als vergleichsweise sinnlos und zu Unrecht degradierend wie das Anprangern eines Vegetariers, weil hin und wieder doch Fisch verzehrt wird. Als löse das jeden Gutwillen in Luft auf. Die Glamour USA selbst hat sich übrigens keineswegs mit dem Cover geschmückt und hier zitiere ich Lauras Kommentar: „Besonders spannend finde außerdem, dass das Cover offensichtlich nicht einmal selbst vom Heft als große Geste des Female Empowerment gefeiert wird. Das hat Leandra in ihrem Beitrag ja anklingen lassen. Es ist eben einfach da.“

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          1. Julia-Maria

            Das ist wohl die Krux 😉 aber wie geschrieben, die Glamour – dann wohl die deutsche – hat sich sehr wohl geschmückt. Dann auch noch mit fremden Federn.

          2. Julia-Maria

            Nachdem ich nach dem Gegenwind daran zu zweifeln begann, dass der gesehene Beitrag von der Glamour kam, stellte sich heraus: zurecht, der kam von Edition F. Meine Kritik am Eigenlob für eine singuläre Maßnahme war also unbegründet. In diesem Fall. Sorry für den Aufreger 😀

  2. Laura

    Liebe Nike, ich sehe das ähnlich wie du und finde es wichtig, dass ein Magazin wie die Glamour diesen Schritt geht. Denn auch wenn die vier Damen natürlich vom Styling her der Hochglanz-Ästehtik des Magazins entsprechen, wäre es vor noch gar nicht all zu langer Zeit undenkbar gewesen Photoshop derart wenig einzusetzen, was die Inszenierung weiblicher Körperlichkeit betrifft. Besonders spannend finde außerdem, dass das Cover offensichtlich nicht einmal selbst vom Heft als große Geste des Female Empowerment gefeiert wird. Das hat Leandra in ihrem Beitrag ja anklingen lassen. Es ist eben einfach da. Ich selbst ertappe mich immer wieder dabei, dass ich es Unternehmen und Medien erst einmal nicht abkaufen will, wenn sie von ihren eigenen Darstellungskonventionen abweichen. Allerdings denke ich, dass man die grundsätzliche Strahlkraft der Bilder einfach nicht unterschätzen sollte. Um es mal ganz theoretisch und sehr verkürzt mit Foucault zu formulieren, ist das, was wir als Wahrheit betrachten ja stets fließend und generiert sich auf dem Prozess der Wiederholung. Je mehr wir also Dellen, korpulente Körper, Achselhaare und Co. sichtbar machen, desto geringer wird ihr Irritationswert, desto mehr werden sie zur Realität und Bestandteil des Diskurses. Das ist wichtig und geht nun einmal leider nicht von heute auf Morgen, wie du selbst mit deiner Einleitung ja sehr schön gezeigt hast. Ich habe jedenfalls die Hoffnung, dass es hier längst nicht mehr nur noch um einen Trend geht, sondern tatsächlich um die Öffnung von Wahrnehmungsgrenzen.

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  3. Larissa//No Robots Magazine

    Ich gebe dir in allem Recht, aber mich haut das Cover trotzdem nicht so richtig von den Socken. Das liegt vielleicht daran, dass ich generell kein so großer Fan von Lena Dunham bin… Und hier sehe ich einfach nur eine typische Dunham: Eine Frau, die auch gerne mal bis zur Grenze mit ihrem „fehlerhaften“ Körper provoziert. Wenn man gemein ist, könnte man sagen, es ist eine Art Freakshow. (Damit meine ich nicht die Dellen, sondern den ein oder anderen Moment aus der Serie.) Ich denke hier also nicht: „Wow, eine echte Frau!“ Sondern nur: „Aha, die Dunham.“ Denn ich kann mich damit nicht wirklich identifizieren. Ich wette nämlich, dass die anderen drei genauso Dellen haben (obwohl sie dünn sind), aber die werden nicht gezeigt. Denn bei denen gibt es ja noch ein Bild, das zerstört werden könnte. Erst, wenn auch bei „solchen“ Frauen „Makel“ als Normalität anerkannt werden, kann ich es als Bereicherung für mich sehen. Aber, ich erkenne an: Es ist ein großer Schritt in die richtige Richtung.

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  4. Sina

    Liebe Nike,
    Zuerst: schön, eeeeendlich wieder von dir zu lesen.

    Ich habe das Cover abgefeiert!
    Klar, sitzen da alle Frisuren & jedes Makeup perfekt, das Licht ist maximal ausgeleuchtet und die Outfits kosten mehr als meine Monatsmiete- dennoch revolutionär!

    Oberschenkel, die den meinen ähneln und nicht meinen Unterarmen! Das ist ein wichtiger und ein erster Schritt, hoffe auf Fortsetzung!

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  5. Flo

    Ich mag das Cover. Was ich nicht mag, ist dass irgendwie immer nur Lena Dunham fuer all diese „revolutionaeren“ Bilder von Frauen jenseits einer Groesse 36 herhalten muss. Das betont das Cover fuer mich in diesem Fall besonders, weil die anderen drei Ladies natuerlich genauso perfekt/duenn aussehen wie eh und je. Aber natuerlich ist es ein Schritt in die richtige RIchtung und ich meckere auch fast gar nicht 😉

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  6. Mila

    Auch wenn es mit dem eigentlich Thema nix zu tun hat eine Notiz am Rande: Lena Dunham hatte sich bei der spanischen Zeitschrift entschuldigt, da sich herausstellte, dass das Coverfoto von ihr gar nicht gephotoshoppt und von ihrem eigenen Team sogar freigegeben worden war. Das Magazin hatte das Originalbild nur gecropped und einen anderen Ausschnitt gewählt, bei dem ihre Beine nicht mehr ganz drauf waren. Unter anderem hier nachzulesen https://www.theguardian.com/culture/2016/mar/02/lena-dunham-apologies-after-photoshop-misunderstanding-its-a-weird-feeling-to-not-recognise-your-own-body-anymore

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  7. Tina

    Ich freu mich schon auf den Tag, an dem solche Titelbilder erscheinen, ohne grossen Wirbel zu verursachen. Momentan ist dieses Titelbild auf sehr vielen Blogs ein grosses Thema. Versteht mich nicht falsch, ich finde es höchste Zeit! Nur sollte das eigentlich gar kein Thema sein, sondern normal. Aber das dauert wohl noch eine Weile…
    Zum Thema Brigitte: Ich war zu dieser Zeit eine regelmässige Brigitte-Leserin. Es wurden zwar keine Models mehr eingesetzt ABER auch nur Frauen die trotzdem so aussahen. Frauen über 1,70m und max. Kleidergrösse 40.
    Kein wunder gehen da die Verkaufszahlen runter… Mich jedenfalls hat das sehr gestört, was ist mit allen anderen?

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