Die Selbstliebe und ich, wir sind uns immer noch nicht ganz grün. Vor allem seit ich das Gefühl habe, dass die ganze Sache – wie so vieles andere eigentlich-Gute – zweckentfremdet wird. Ich spreche zum Beispiel von dem scheinbaren Imperativ, dass es die zwei Riesenthemen „Selbstliebe“ und „Schönheit“ ausschließlich im Doppelpack gibt. Ich habe das Gefühl, ich werde laufend darauf hingewiesen, als sei es eine universelle Regel: Wer sich selbst liebt, hat sich auch schön zu finden (aber nicht andersrum).
Ich verstehe das nicht. Warum sollte Schönheit, sei sie jetzt eine Innere oder eine Äußere (wie auch immer wir diese definieren) bei der Selbstliebe eine Rolle spielen? Ist noch niemandem aufgefallen, dass der Abstand zwischen Realität und ehrlichem Glauben an „jeder Mensch ist schön und du musst eben lernen, dich selber schön zu finden, egal was andere sagen“ in etwa 7 Lichtjahre beträgt? Ein angeblicher Automatismus der Selbstliebe: „Finde dich schön, ist überhaupt nicht schwierig und ganz ehrlich, bitte reiß‘ dich auch ein wenig zusammen.“ Und schwupps findet man sich überaus famos und die Liebe zu sich selbst sprudelt nur so aus einem heraus? Eher nicht. Was wir brauchen ist eine Portion Wahrheit. Mit einem Sahnehäubchen Hoffnung. Ein Versuch.
Wahrheit Numero 1
besteht darin, dass Schönheit eben nicht zu 100% subjektiv ist. Es gibt sie nämlich, die konsenstaugliche, objektive Schönheit und daran ist auch erstmal nichts verkehrt oder schlecht. Ja, sie ist geprägt von Social Media, Models und Magazincovern. Sie siedelt sich an, zwischen schwedisch angehauchter blasser und mittelstark getönter Gesichtsfarbe, 165 und 180 Zentimetern und gilt in der Regel ab einer mittleren Haarlänge, einer schlanken Figur mit nicht zu viel, aber eben auch nicht zu wenig Körperfett und ja, Photoshop ist keine Hilfe und manches ist auch einfach unmoralisch oder zumindest sehr, sehr kurz gedacht. Wenn ich nun also mit meinem Attributen in egal welcher Art und Weise aus diesem Raster falle, ist der Aufbau eines eigenen subjektiven Schönheitsideals ohne die Rückendeckung durch die Allgemeinheit gleich schon mal schwieriger. Ich muss mich dann selber toll finden, indem ich meine individuelle Schönheit herausstelle, ganz egal, wie sehr mir die Welt da draußen etwas anderes suggeriert. Ein eigenes Schönheitsempfinden muss man sich also in vielen Fällen erst einmal hart erarbeiten und zwar nicht durch hohle Mantraphrasen, sondern durch Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Ohne zu hohe Ansprüche und unrealistischen Erwartungen und auch ohne Selbstmitleid und Jammerei. Und vor allem hilft es niemandem weiter, diejenigen, die zufällig in den Gen-Topf gefallen sind, für ihre „objektive Schönheit“ runterzumachen.
Wahrheit Numero 2
ist die logische Schlussfolgerung aus Wahrheit Numero 1. Ganz im Gegenteil zu dem, was einem manchmal im wütenden Social-Media-Selbstliebe-Amok von anderen um die Ohren gehauen wird, kann nämlich in unserer Welt nicht jeder Mensch Model sein, Laufsteg-Mode präsentieren und so das Konsumverhalten anderer ankurbeln. Das ist schlichtweg Quatsch und realitätsfern. Auch durch ständiges Wiederholen rückt das Ganze nicht näher an die Wahrheit heran und viel schlimmer noch: Es setzt uns alle mit unseren Unsicherheiten und Wünschen noch mehr unter Druck. Nicht jeder Mensch ist in den Augen des Konsens äußerlich schön. Schönheit laut Konsens schließt auch Einzigartigkeit mit ein, aber Einzigartigkeit nicht unbedingt zwingend Schönheit. Können wir also bitte aufhören zu versuchen, uns die Welt um uns herum durch aggressives Wunschdenken so anzupassen, dass wir tatsächlich laut alle äußerlich gleich konsenstauglich schön sein können? Das lässt uns noch intensiver um das ganze Schönheitsthema kreiseln – und das auch noch völlig ohne Ergebnis. Das Thema wird künstlich aufgeblasen und wir verschaffen ihm eine völlig unangebrachte Flughöhe. Angebrachter wäre: Desillusionierung. Unser eigenes Schönheitsempfinden ist nun einmal abhängig von dem anderer und damit nicht 100% von uns selbst kontrollierbar. Das macht die ganze Geschichte wahnsinnig sensibel und zu einem sehr intimen und privaten Thema. Sensibilität gehört geschützt und behutsam gepflegt, sie braucht viel Geduld und möglichst wenig lautes Geschrei von außen.
Aber zeitgleich geschieht auch etwas Wunderbares,
sozusagen das Sahnehäubchen auf meiner heutigen Wahrheitsportion. Sind die beiden Wahrheiten erstmal verdaut, hat man es einmal hinter sich gebracht, sich über das fehlende Richtige im Falschen zu echauffieren, dann ist vielleicht etwas Platz gewonnen. Pause.
Platz dafür, dass das alles gar nicht wichtig genug ist. Warum weiter gegen Windmühlen kämpfen, wenn man doch längst erkannt hat, dass sie eben keine Riesen sind? Halten wir uns nicht mit Nebensächlichkeiten auf, konzentrieren wir uns auf die tollen Verschrobenheiten, die Sonderlichkeiten, die Eigenartigkeit und nehmen wir die Schönheit weniger wichtig – zumindest die plakative, oft etwas kurz gedachte Lesart von Schönheit, die auf Äußerlichkeiten getrimmte Version. Ich verspreche mir viel Leichtigkeit und Entspannung davon, im Kopf und im Leben. Egal wie man aussieht.
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