Ein Gastbeitrag von Ann, protokolliert von Nike Jane. Teil 1 inklusive wiesoweshalbwarum lest ihr hier.
Mein Freund und ich sind jetzt seit fast drei Jahren zusammen. Normalerweise fängt es ja jetzt irgendwann an, einzurosten. Im Bett vor allem. Sagt man jedenfalls. Aber was „man“ sagt, stimmt ja wirklich auch nur bedingt. Jedenfalls würde ich unseren momentanen Beziehungsstatus eher als zweiten oder dritten Frühling bezeichnen, auf allen Ebenen. Uns steht sozusagen der Schalk im Nacken, hin und wieder fühlen wir uns zu gleichen Teilen Banane und manchmal haben wir auch nicht mehr alle Tassen im Schrank. Wenn wir zum Beispiel fest entschlossen sind, für immer ganz anders zu sein als der Rest der Welt, viel freier eben und offener und wunderbar wild. Erwachsen zwar, aber längst nicht „wie die großen Leute“. Vielleicht liegt es daran, dass ich noch in diesem Monat Geburtstag habe, aber vor ein paar Tagen überkam uns zudem auch noch die Sehnsucht nach Jugend, weshalb wir schließlich im Schneidersitz vor alten Mixtapes saßen und unserer Vergangenheit lauschten. „Moi ce que j’aime / c’est faire l’amour / spécialment à trois / Je sais c’est démodé /ça fait hippie complet / mais je le crie sur les to’ts / J’aime l’amour à trois“ sangen Stereo Total. Ein Blick, zwei Gedanken, dann Stille. „Willst du?“ fragte ich und er sagte: „Du denn?“. Gemeinsam gegen das Einrosten, so der Plan.
Wir brauchen uns hier ja nichts vormachen. 80% aller Menschen gehen laut Statistik fremd, leider. Warum, das steht in den Sternen, aber ich kann bloß vermuten, dass es nicht immer und ausschließlich an verlorenen Gefühlen liegt. Sondern vielmehr an unerfüllten Gelüsten. Meinen Freund liebe ich bis zur Raumsonde Voyager und wieder zurück, wirklich wahr, aber wer kennt denn nicht diesen kurzen Moment im aufflackernden Strobo-Licht, indem dir der Gedanke an einen schnellen Partykuss zu Sixpence non the richer auf einmal vorkommt wie eine leichte Brise, die verlockend süß von der Insel der Jugend rüber winkt. „Wir mögen uns mehr als Mohneis“, sagte er, „und das Abenteuer, wir könnten es wagen“. Klar, antwortete ich, mich feste gegen die Langeweile und auch gegen jede Spießigkeit wehrend. Freifahrtsschein olé. Und besser als eine offene Beziehung, die ich niemals führen könnte; das weiß ich schon lange. Eine Cola später verschluckte ich mich an der Kohlensäule. Das Bauchweh aber kam ganz woanders her. Nämlich von Option Nummer eins: Zwei Frauen und ein Mann. Mein Mann.
Mein Kopf hat binnen weniger Sekunden folgendes daraus gemacht: Wird sie aussehen wie frisch aus dem Ei gepellt, nach royalem Rosenöl duften, sich biegen können wie eine Brezel? Könnten ihre Brüste wie Zuckerwatte schmecken, was, wenn sie einen Hintern wie J.Lo mit ins Bett schwingt, ist sie am Ende womöglich auch noch supernett und im schlimmsten Fall sauschlau? Muss ich dann also im Falle der Fälle dabei zugucken, wie mein Freund eine Traumfrau vernascht? Was, wenn die sich verknallen? Ich werde sterben, innerlich. Mit jedem Blick und jeder Berührung. Vielleicht werde ich sogar handgreiflich, vielleicht laufe ich rot an und vielleicht wachsen mir Hörner. Oder ich schmeiße mich auf den Boden und fange laut an zu heulen. Zwei Männer und ich? Zu anstrengend. Und eine komische Vorstellung, die vor allem von kurzen Porno-Sequenzen genährt werden, die ich am liebsten nie gesehen hätte. Also zurück zum Anfang: L’amour à trois. Will ich das überhaupt? Schon. Bin ich selbstbewusst? Auch. Ist unsere Liebe stark? Sowieso. Aber das Ego! Die Restangst. Zu viel Gossip Girl geschaut, früher.
„Ich bin noch nicht so weit“, entscheide ich ganz flink, das alles soll ja schließlich Spaß machen und nicht irre. -„Ich auch nicht.“ Puh.
Immerhin wussten wir jetzt endlich, dass es gar nicht so schlimm ist, über Phantasien zu reden, noch bevor sie zu Wünschen werden. Und dass sie außerdem viel weniger abstrakt und abstrus erscheinen, wenn sie einem einmal über die Lippen gekommen sind. Als wir uns wenig später von unserer Übereinstimmung übermannt und ganz spontan durch die Laken wälzten, wurde mir plötzlich klar, was mich am meisten an allem Vorangegangenem gestört hatte: Die potenzielle Planung dieser kurz angedachten L’amour fou.
Man kann so einen Dreier natürlich ganz kontrolliert von statten gehen lassen und sich den Termin rot im Kalender notieren. Das mag für viele funktionieren, aber nicht für mich. Nennt es Psychologie, aber „Vorsatz“ ist in den meisten Fällen ja tatsächlich eher negativ konnotiert. Ich schlage also vor, nochmal neu zu denken, und größer. Zu viert, das wäre vielleicht wirklich was. Mit einem fremden Pärchen etwa, weil „don’t shit where you eat“. Aber nur, wenn das Schicksal uns zusammen führt. Ohne großes Trara. Wenn alle Beteiligten es fühlen. Vielleicht ja, wenn mal wieder irgendwo „Kiss Me“ läuft. Unwahrscheinlich? Mag sein. Aber wir haben ja noch ein ganzes Leben lang Zeit.