Es ist mal wieder so weit, Krawall ist angesagt. Ich kann nichts dafür, es ist meine Umwelt, die mit ihren Anwandlungen derart meine empfindlichen Synapsen beansprucht, dass diese sich irgendwann in den Ausnahmezustand verabschieden.
Vorher unbedingt notwendiger Exkurs: Meine Herangehensweise an das Thema – also an alles im Spektrum zwischen „weniger Fleisch essen“ bis zu „ethisch motivierter Veganismus“ – unterliegt in der Außenwirkung vermutlich einigen Schwankungen. Ich kann verstehen, wenn man das so wahrnimmt. Aber es ist nun mal so, dass ich mich hier eines ziemlich brisanten Themas annehme und dabei zwei verschiedene Hüte auf nur einen Kopf bekommen muss. Auf der einen Seite ist da die überzeugte Aktivistin in mir, die am liebsten jeden Tag verschiedene Menschengruppen anschreien oder unter Tränen zusammenbrechen würde. Auf der anderen Seite habe ich aber auch eine sehr rationale Herangehensweise, die mich ständig mahnend erinnert, dass mit der moralischen Breitaxt Brücken höchstens zerschlagen, aber niemals gebaut werden konnten.
Aber heute, da ist Axttag. Und nun zum Auslöser meines in die Tasten gehauenen Ausbruchs:
Menschen, die Dinge sagen wie „ich liebe Tiere so so sehr, aber könnte einfach niemals auf Fleisch und andere tierische Produkte verzichten“. Gerne auch mit einem Nachsatz, der inhaltlich knapp zusammengefasst eigentlich nur ausdrückt: „Und zwar, weil ich wirklich wirklich nicht will. Und jetzt geh mir nicht auf die Nerven, obwohl ich das Gespräch selbst angefangen habe.“
Weitere „Argumente“ gehen so:
- Tiere wurden zum Verzehren gezüchtet
- der Mensch hat schon immer Fleisch gegessen
- mein Hund ist ja ein Haustier, ein Schwein nicht
- das ist völlig normal
- Schweine sind dumm
- Kühe sind hässlich
- ich sterbe sonst an Protein und/oder Eisenmangel
- zu meiner Katze habe ich eine Beziehung, zu einem Huhn nicht
- wenn, dann muss das die Politik regeln und ich will mir nicht von jemanden vorschreiben lassen, was ich zu tun habe wokommenwirdennsonsthin?!
Aber gleichzeitig: Egal wen man fragt, ich würde mal behaupten, fast jeder würde sagen, nie mit Absicht einem Tier Leid zufügen zu wollen. Fast alle bezeichnen sich als tierlieb. Fast jeder hat oder hatte mal ein Haustier, dass sie mehr lieben als so manchen Verwandten. Cat Content finden sowieso alle spitze und es ist immer wieder erstaunlich, wie vielen Menschen ein „ich liebe Tiere“ völlig ohne Zögern über die Lippen geht, ohne ganz kurz nochmal den selbstgeschaffenen Kontext, in dem sie sich grade äußern, mit in ihre Überlegungen einzubeziehen.
Ich glaube auch sofort, dass das ganz ehrlich gemeint ist. Ich weiß es sogar, weil ich zwar schon als Kind Vegetarierin geworden bin, aber bis Anfang 20 immer noch der Meinung war, dass Kühe süß sind und ich sie wirklich mag, aber ich ihre Milch trotzdem guten Gewissens trinken kann.
Tiere – das sind auch die vermeintlich hässliche Kuh, das dumme Schwein und das seltsam aussehende Huhn. Tiere sind nicht nur Hunde, Katzen, Meerschweinchen oder Hasen (wobei letztere ja auch gerne mal im Kochtopf landen).
Oh, Menschheit, bitte denk‘ doch mal eine Sekunde darüber nach, was du da redest. Liebe ist nicht einseitig und nur da, wo man sie haben will. Ich kann mir nicht aussuchen, wann ich die Liebe abschalte und unterdrücke und wann nicht. Wenn ich jemanden, eine Gruppe oder eine Art mag, dann schließt das nicht plötzlich aus Bequemlichkeit andere aus. Klar, den einen mag man weniger, den anderen mehr, aber gleich Leiden und das Beenden von Leben in Kauf zu nehmen, das ist nichts weiter als das Herauspicken von Rosinen ganz bestimmter Formen und Farben – und zwar aus einer großen Schale Rosinen.
Ich möchte die halbgaren Pseudoargumente nicht mehr hören und würde mir wünschen, dass alle Mitmenschen, die in der Lage sind, fünf Meter weiter zu denken, nicht mehr mit solchem verbalen Bockmist belästigt werden. Wenn mal alle so viel machen würden, wie sie quatschen. Und wenn mal alle – statt sich ungefragt in einen Monolog voller seichter Ausreden zu versteigen – einfach mal eine oder zwei moralisch motivierte Konsumentscheidungen treffen würden, wäre uns allen und der ganzen Welt enorm geholfen.
Bitte entschuldigt,
eure Julia Jane <3