Nach deutschem Recht ist weibliche Genitalverstümmelung zwar strafbar, auch im Ausland, aber das reicht nicht aus. Es gibt noch viel zu tun, vor allem in Sachen Aufklärungsarbeit. Bevor wir nicht verstehen, weshalb es noch immer so häufig zu den manchmal sogar tödlichen Eingriffen kommt, bevor wir das Problem also nicht im Kern begreifen, angehen und bekämpfen, wird nur Strafe als Prävention nie die ultimative Lösung sein. Denn die meisten FGMs finden trotz scharfer Verbote statt – vermehrt in den Ferien. Sogenannten „Ferienbeschneidung“ werden in der Regel in den Heimatländern der Mädchen durchgeführt. Oft aus Überzeugung und mit Einverständnis der Mütter, die bereits ähnliche Schicksal erleiden mussten. Dann müssten sie es doch besser wissen, denken wir jetzt. Und übersehen dabei nicht nur gravierende kulturelle Unterschiede, sondern auch mangelnde Bildungschancen. Wir dürfen unter keinen Umständen den Fehler begehen, diese Frauen zu verurteilen oder ihnen mit blindem Unverständnis entgegenzutreten. „Sie glauben daran, dass der Eingriff notwendig ist. Zum einen besteht das Gerücht, dass die Klitoris zu einem Penis heranwächst, wenn sie nicht abgetrennt wird. Zum anderen dient vielen Männern die zugenähte Vagina, die bei vielen FGMs zur Praxis hinzugehört, als ultimativer Beweis der Jungfräulichkeit, weshalb sie keine unbeschnittene Frau heiraten“, erklärt Edition F. Der Umstand allein, dass die weibliche Genitalverstümmelung als schwere Menschenrechtsverletzung gilt und mit zahlreichen körperliche Qualen und seelischem Leid einher geht, reicht als Argument gegen die quälenden Eingriffe bisweilen also nicht aus. Zu schwer wiegen religiös und kulturell bedingte Überzeugungen.
Das Empfinden von Schmerz etwa wird immer wieder als unausweichlicher Teil des Frauseins betrachtet. Diese Gewissheit führe mitunter so weit, dass Frauen, die später Schmerzen beim Wasserlassen oder Geschwülste hätten, oft nicht wüssten, dass der Grund dafür die Genitalverstümmlung sei, betonte unter anderem Tiranke Diallo von der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes bei einer Pressekonferenz Anfang des Jahres. Der Weg in eine Gesellschaft ohne FGM ist nicht nur deshalb ein steiniger. Wer selbst Opfer ist, traut sich aus Scham oft nicht, Hilfe einzufordern. Zahlreiche internationale und nationale Organisationen setzen sich infolge dessen nicht nur für Prävention und Aufklärung ein, sondern auch für die Enttabuisierung von weiblicher Genitalverstümmelung, für einen besseren Zugang zu Betroffenen und einen offeneren Umgang mit der Gesamtheit der Thematik innerhalb unserer Gesellschaft. Denn wer Bescheid weiß, ist vielleicht auch aufmerksamer. In der Kita oder der Nachbarschaft. Ausreisen etwa können im Falle eines Tatverdachts mittlerweile verweigert werden. Das ist nur ein kleiner, wenn auch richtiger Schritt. Aber einer, der ein wenig Hoffnung macht. Darauf, dass ab sofort noch mehr getan wird. Für das uneingeschränkte Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit.