Damals war das alles irgendwie einfacher: Fremdsprachen lernen musste in der Schule jede*r, Hausaufgaben, Tests und Klassenarbeiten sorgten für einen – wenn auch oft unfreiwilligen – Lernfortschritt. An (deutschen) Universitäten ist ein breit gefächertes Fremdsprachen-Angebot normal, wer will, kann dienstags Spanisch lernen und donnerstags Arabisch. Aber dann beginnt das, was man Berufsleben nennt und Fremdsprachen lernen ist plötzlich gar nicht mehr so einfach.
Ich muss es wissen: Seit vier Jahren lerne ich Italienisch. Oder versuche es zumindest. Einmal pro Woche schleppe ich das Buch mit dem fröhlichen Titel Con piacere (dt. Mit Vergnügen) in die Schöneberger Volkshochschule, um dort mit anderen Lernwilligen das passato prossimo und kombinierte Pronomen zu üben. Eigentlich wollte ich Italienisch schon an der Uni lernen – nur so, weil ich Lust darauf hatte. Aber im Kurs war kein Platz mehr frei, und so versuchte ich es eben mit Spanisch. Kann ja nicht so schwer sein, dachte ich, schließlich spreche ich fließend Französisch. War aber doch schwerer als gedacht, vor allem, weil ich zu faul zum Lernen war und französische Vokabeln einfach spaniisierte („Wenn ich statt dem e ein o einsetze, ist das doch sicher Spanisch?“). Eine strenge Lehrerin mit obskuren Regeln („Keine Flip Flops im Unterricht, kein Küssen!“) und die Tatsache, dass ich à la française ständig alle Wörter fließend miteinander verbinden wollte statt sie getrennt auszusprechen, trugen ebenfalls dazu bei, dass aus Spanisch und mir keine Freund*innen wurden.
Das war es dann erstmal mit den Fremdsprachen. In meinem Hirn, etwas versteckt, schlummerte sie aber immer noch, diese Idee vom Italienischlernen. Und 2013 musste ich dann feststellen, dass mir die Ausreden ausgegangen waren, warum ich jetzt gerade auf keinen Fall mit einer neuen Sprache anfangen kann: Ich lebte seit einem Jahr in Berlin, hatte einen Job, eine Wohnung, ein Leben in dieser Stadt. Wann, wenn nicht jetzt? Also meldete ich mich kurzentschlossen bei der VHS an, da günstig und in der Nähe. Die erste Italienischstunde fühlte sich an wie der erste Schultag: lauter neue Leute, Bücher, deren Inhalt man nicht versteht, Vorstellungsrunden. Come ti chiami? Mi chiamo Julia. Verlegenes Lächeln, wenn die passende Vokabel fehlt, Erleichterung, wenn man das Richtige gesagt hat. Wie eine Bekannte von mir bemerkte: „Im Sprachenunterricht erzählt man sich gegenseitig Dinge, über Hobbies, Familie und Vorlieben, da redet man mit seinen besten Freund*innen nicht drüber!“ So kenne ich sämtliche Berufe und Ernährungsweisen meiner Mitlernenden. Ergebnis: Wir sind, trotz teilweise großer Altersunterschiede, zu einer eingeschworenen Gemeinschaft geworden. Unsere Lehrerin ist die sympathische Verkörperung aller Klischees, die man über Italiener*innen so im Kopf hat: wild gestikulierend, leidenschaftlich und mit dramatischen Tendenzen.
Magische Augenblicke
2013 habe ich angefangen, vier Jahre später bin ich immer noch dabei. Manchmal frage ich mich, warum. Manchmal habe ich das Gefühl, ich werde diese Sprache nie auch nur annähernd beherrschen. Manchmal kommt mir alles zu schwierig vor, zu kompliziert. Manchmal bilde ich mir ein, ich hätte eigentlich gar keine Zeit, Italienisch zu lernen. Doch es gibt auch diese kleinen Augenblicke. Magische Augenblicke, in denen sich das alles plötzlich richtig anfühlt. Wenn ich ein italienisches Lied höre und ab und zu sogar einen Ausdruck oder Satz verstehe. Wenn ich ein italienisches Buch lese, mich mühevoll durch eine Seite kämpfe und dann merke, dass ich diese Seite tatsächlich gelesen habe. Wenn ich mit meiner Familie in einem römischen Café sitze und unfallfrei für alle eine Runde caffè bestelle. Wenn ich nach dem Unterricht nach Hause laufe und im Kopf Gespräche mit mir selbst führe – auf Italienisch. Italienischlernen verlangt mir einiges ab, aber es gibt mir auch so viel. Als Erwachsene*r kann man viele Dinge gut, hat einige vielleicht sogar perfektioniert: Es tut deshalb gut, noch einmal etwas völlig Neues zu lernen, etwas, das man sich erst erarbeiten muss.
Ich würde gerne noch schneller vorankommen, die Sprache besser sprechen (offiziell bin ich beim Niveau B1 angelangt, stecke geistig aber immer noch in A2 fest). Seit einigen Monaten versuche ich, mir den Sonntagnachmittag fürs Italienischlernen frei zu halten. Ich gehe den im Unterricht behandelten Stoff nochmal durch, lerne Vokabeln und mache in einem Online-Programm ein paar Übungen. Nächstes Jahr will ich für mindestens einen Monat nach Italien, so richtig mit Sprachschule. Denn am besten lernt man die Sprache eben doch direkt vor Ort, wo man von ihr umgeben, umschwirrt ist. Bis es soweit ist, hole ich mir Italien so gut es geht nach Berlin: Ich lese Va‘ dove ti porta il cuore (dt. Geh, wohin dein Herz dich trägt) von Susanna Tamaro, höre meine italienische Lieblingssängerin Nina Zilli und schaue mir im Kino La dolce vita an. Va bene!
E voi: Welche Sprachen lernt ihr?