Marine Le Pen ist Feministin – zumindest gibt sie sich so. Aber Obacht: Nur, weil Feminismus draufsteht, ist noch lange kein Feminismus drin.
Letztens unterhielt ich mich mit einer französischen Freundin über das mehr oder weniger beängstigende Spektakel, das uns dieses Wochenende droht: die französischen Präsidentschaftswahlen. Durch einen überraschenden Endspurt des Radikallinken Jean-Luc Mélenchon ist das Ergebnis des ersten Wahlgangs noch ergebnisoffener als vor ein paar Wochen – ich rechne aber trotzdem mit dem Schlimmsten. Und das bedeutet in diesem Fall eine starke Marine Le Pen. „Immerhin“, sagte meine Freundin und zwinkerte, „ist Marine eine große Feministin!“ Zumindest behauptet die Front National-Politikerin das von sich selbst. Ein Sieg Marine Le Pens, ein Sieg für die Frauenrechte? Mitnichten.
Marine, die neue Marianne
Ja, Le Pen hat nach den Ereignissen der Silvesternacht in Köln 2015/2016 sexualisierte Gewalt verurteilt. Ja, Le Pen hat sich bei einem Treffen mit dem Mufti von Beirut im Libanon geweigert, ihr Haupt zu verhüllen und das dann durch einen FN-Kollegen als feministisches Statement verbreiten lassen. Ja, Le Pen bezeichnet sich als femme française libre. Aber das macht aus ihr eben noch keine Feministin. Die Ereignisse in Köln nutzte Le Pen nämlich gleichzeitig für einen Rundumschlag gegen die vermeintlich außer Kontrolle geratene Einwanderungspolitik, ihren Besuch im Libanon um mal wieder zu beweisen, wie rückständig andere Kulturen – insbesondere muslimisch geprägte – im Vergleich zur französischen sind. Marine Le Pen sieht sich da ganz ungehemmt in der Tradition des französischen Nationalsymbols Marianne, einer weiteren femme française libre, die 2016, blanken Brüsten sei Dank, mal schnell zur Gegnerin des Burkinis erklärt wurde.
In Wahrheit geht es Le Pen nicht um Gleichberechtigung, es geht ihr um Wähler*innenstimmen. Um die Stimmen von konservativen weißen Frauen, denn für alle anderen Frauen interessiert Le Pen sich eigentlich nicht besonders. Im FN-Wahlprogramm jedenfalls finden sich keine ambitionierten Pläne für mehr Gleichberechtigung – stattdessen aber Positionen wie „die freie Wahl, nicht abzutreiben“. Le Pens Nichte Marion Maréchal-Le Pen verspricht ganz offen, die Subventionen für Einrichtungen, die Abtreibungen anbieten, zu streichen (Donald Trump lässt grüßen).
Selbstbewusste Weiblichkeit
Das Problem ist: Marine Le Pens Mischung aus vermeintlich feministischen Botschaften und (rechts-)konservativer Familien- und Frauenpolitik könnte durchaus ziehen. Das liegt einerseits daran, dass Le Pens radikale Ansichten unter dem feministischen Deckmantel plötzlich gar nicht mehr so radikal, sondern nahezu traditionell konservativ wirken – Marine gibt sich zugänglicher als ihr Vater Jean-Marie (den die Tochter konsequenterweise aus der Partei entfernen ließ). Andererseits liegt es aber auch daran, dass mittlerweile alles als „feministisch“ gilt, was irgendwie „für Frauen“ ist.
In Deutschland haben wir keine Marine Le Pen, aber wir haben Frauke Petry. Wie ihre französische Kollegin verkörpert die AfD-Chefin selbstbewusste Weiblichkeit, ist eine geschiedene Mehrfach-Mutter. Sie hat sich, wie Le Pen, in einer männerdominierten Partei nach oben gearbeitet, ohne Rücksicht auf Verluste. Und: Genau wie Le Pen nutzt sie zutiefst rassistische Argumentationsmuster, um vermeintlich feministische Ideale zu verteidigen. Neben enthemmten muslimischen Immigranten, die die deutsche Frau bedrohen, ist ihr größter Horror das Gender Mainstreaming. Allheilmittel gegen nahezu alles Übel sind traditionelle deutsche Familienwerte und konservative Rollenbilder. Wie ein Freund von mir sarkastisch bemerkte: „Klar ist Frauke Petry Frauenrechtlerin – sie ist eine Frau, die für Rechte kämpft.“
Da passt was nicht zusammen
Natürlich lässt sich darüber diskutieren, ob Feminismus tatsächlich immer „links“ sein muss, ob es nicht auch einen konservativen Feminismus (beispielsweise à la Ursula von der Leyen) geben kann – eine Bekannte von mir ist CSU-Mitglied und stellt sich diese Frage ernsthaft. Allerdings sind Marine Le Pen und Frauke Petry nicht nur konservativ, sie sind ganz rechtsaußen. Sie beweisen, dass man Feminismus sehr wohl falsch „machen“ kann, dass etwas nicht einfach deshalb feministisch oder „für Frauen“ ist, weil jemand das behauptet (wie auch die Diskussion um den choice feminism zeigt). Feminismus hat – oder sollte zumindest – zum Ziel haben, nicht nur das Leben einer bestimmten Gruppe von Frauen zu verbessern, sondern das Leben aller Frauen. Er erkennt Mehrfachdiskriminierung und setzt sich somit für die Rechte von LGBTQ und gegen Rassismus ein. Vergleicht man diese Grundsätze mit Auftreten und Botschaft einer Madame Le Pen oder Frau Petry, fällt ganz schnell auf: Irgendwas passt da ganz und gar nicht nicht zusammen.
Ein Sieg Le Pens oder Petrys ist kein Sieg für die Frauenrechte, er ist vor allem ein Sieg für sie selbst. Und er zeigt, wie geschickt „feministische“ Diskurse genutzt werden, um Frauen anzusprechen. Wo Feminismus draufsteht, ist eben nicht immer Feminismus drin.