Es gibt Marken, die kommen und gehen, die begeistern für einen kurzen Moment durch schillernde Oberflächen und viel Gerede, bis die binnen kurzer Zeit maximierte Begeisterung schließlich noch schneller wieder versiegt, als sie einst entfacht wurde. Chanel aber bleibt. Und das schon seit der 1910er Jahre. Für einen wahr gewordenen Mythos braucht es für gewöhnlich nunmal mehr als eine gute Idee und eine Handvoll Schwärmer: Nämlich Geschichte, Gefühl und vielleicht auch eine echte Gabrielle. Coco Chanel etwa, deren wahrer Vorname ebenso lautete, war eine jener Pionierinnen, deren Vision es war, die Frau endlich von unbequemen Modekonventionen zu befreien. Stattdessen sollten Freiheit und Rebellion unsere Garderobe dominieren. Ein mutiger Schritt in einer Zeit, in der Mademoiselle vor allem zum Accessoire des Mannes degradiert wurde. Nicht aber bei Chanel, die samt ihres Unternehmens mit aller Kraft für mehr Selbstbestimmung einstand. Hier bevorzugte man luftige Hosen statt Humpelrock, lose fallende Bretagne Shirts und dazu einen selbstbewussten Kurzhaarschnitt.
Genau diese Attitüde, das Umsetzen eigener Träume, das Unabhängigsein und Freidenken, war eine der grundlegenden Maximen beim Entwurf des neuen Taschenmodells aus der Feder von Karl Lagerfeld, der das Erbe Chanels bereits seit 1983 als Chefdesigner weiterführt: Die Gabrielle Bag soll weniger Zierde als vielmehr Kompagnon sein, der beide Hände frei lässt. Für das echte Leben, den Alltag, wenn so will. Und weil ich ohnehin dafür plädiere, sogar die kostbarste Errungenschaft keineswegs als Vitrinen-Futter zu verschwenden, sondern sie zu nutzen bis die eigene Abenteuer längst Spuren hinterlassen haben, habe ich mich für Chanel gemeinsam mit Gabrielle 8 lange Tage lang treiben lassen. Einmal durch Neuköllns Riviera und wieder zurück:
Urlaub an der Riviera Neuköllns
Montagnachmittag: Eisessen mit Freunden, irgendwo in Neukölln, in Jeans und Polka Dots. Wäre es nach mir gegangen, hätten wir den VW Bus auch gleich knacken können, um abzuhauen. Dahin, wo die Sonne auch in Wahrheit scheint.
5 vor Knapp
Dienstag: Wenn der Kalender besonders vollgestopft mit Terminen ist, stelle ich den Wecker meist eine Stunde früher als gewöhnlich, damit noch Zeit für ein kurzes Aufladen der eigenen Akkus bleibt. Auf dem Hermannplatz gleich neben der Ubahn Station schwelge ich bei einem Becher Weißer Schokolade von meinen Lieblings-Baristas hinter dem Coffee Ape Stand immer ein bisschen in Erinnerungen an Williamsburg – was mitunter an der Musik liegen mag, die es gratis oben drauf gibt. Hip Hop natürlich. Dann noch ein Cookie dazu und die Aufregung im Angesicht des nahenden Meetings ist so gut wie gebannt.
Vom Schreibtisch auf den Spielplatz
Mittwoch: Drei Mal pro Woche endet mein Arbeitstag bereits um 16 Uhr, ich falle dann quasi vom Schreibtisch auf den Spielplatz. Und das ausschließlich in Laufschuhen, Jeans und Hoodie. Alles andere würde als Tunnelbauerin, Baggerfahrerin und Rutsch-Kumpane auch nur wenig Sinn machen. Wer jetzt noch einen Blick in meine Tasche wirft, findet weder Lipgloss, noch Laptop, sondern Förmchen, Schaufeln und Kekse für alle.
Der Junggesellinenabschied
Donnerstag: Es geht auch schicker, in bunter Seide etwa. Weil demnächst wieder ein Junggesellinenabschied ansteht, müssen potenzielle Spots ausgekundschaftet werden. Casino? Ich war noch nie in einem und weiß spätestens jetzt, dass das Glücksspiel und ich keine Freunde mehr werden (müssen). Planänderung also. Weil ich nach dieser Erkenntnis aber doch noch schnell zu einem beruflichen Abendessen verschwinden muss, bin ich nicht nur froh über den Gummizug, sondern auch über Stauraum für Notizen.
Nostalgie vorm Indiekeller
Freitag: Es gab mal eine Zeit, da verstrich keine einzige Woche ohne Kellerkonzert oder abendliche Treffen im Proberaum. Jung war ich da und wild und überhaupt nicht gewillt, meine weiße Gibson je gegen eine Tastatur einzutauschen. Es kam natürlich anders, aber die Liebe zu lauter Musik ist geblieben, genau wie der Tinnitus, mit dem ich irgendwann Frieden schließen musste, um nicht wie Van Gogh zu enden. Früher wäre ich ehrlich gesagt über Konzertbesucherinnen mit Chanel-Täschchen verzweifelt, heute weiß ich, dass Vorurteile in die Kiste gehören. Trotzdem habe ich den Reißverschluss-Anhänger galant im inneren der Tasche verschwinden lassen. Manches muss dann eben doch nicht sein, aber einen Versuch war es wert.
Das Klassentreffen
Samstag: In Gedenken an meinen allerersten Schultag und auch ein bisschen, um bei der tendenziell konservativen Fraktion meiner einstigen Klassenkameraden für ein wenig Verwirrung zu sorgen, habe ich mich für Latzhose plus maximalen Kragen entschieden. Beim letzten Mal trug ich Rucksack. „Häh? Wirst du heute eingeschult?“, fragte da etwa einer der Anzugträger mit Einstecktuch. Diesmal bot man mir ein Lätzchen an. Ich nahm es dankend an und klopfte Gabrielle auf die Leder-Schulter, die noch dazu ein heimliches Kuchenstück für den Heimweg verschlang.
Oma zu Besuch
Sonntag: Meine Oma Helga ist übrigens Schuld, dass ich Perlenohrringe schließlich wieder aus der Senke gezogen habe und seither kaum mehr ohne das Haus verlasse, sie hält jedwedes optisches Labeling, sei es in der Mode oder im Alltag, für ganz großen Quatsch. Man schaue den Leuten schließlich immer nur vor den Kopf. Danke für den Reminder, Omi. Und für mein erstes eigenes Tee-Services. Ich bin nämlich auch Spießerin im Herzen.
Miracoli & Netflix
Montag: Feiertag! Langes Wochenende! Jogginganzug! Miracoli und Netflix. Der Kassierer flachst wie sooft über mein Einkaufs-Outfit. Ich erkläre ihm, dass das mein wahres Ich ist: Chantal Jane in Chanel.