Short Chat // Wer femdgeht muss ehrlich sein – oder besser doch nicht?

15.05.2017 Leben, Janes

Unsere Autorinnen Sarah Radowitz aka Scalamari und Fabienne Sand diskutieren in unserer neuen Serie „Short Chat“ ab sofort die wichtigen Fragen unseres (Beziehungs-)Lebens. Von Freundin zu Freundin:

„Puh, das Thema hat es in sich. Da scheiden sich die Geister, wenn nicht sogar Welten oder ganze Universen. Also, Folgendes: Da führt man eine Beziehung und hat eine große Liebe an der Angel und ein gemeinsames Leben und dann bricht auf einmal die Hölle los. Da ist man fremdgegangen und hat urplötzlich alles auf den Kopf gestellt, mindestens ein Herz zerpflückt und diese bis eben noch recht solide und liebevolle Kiste mit einem einzigen Fingerschnips und Zungenschlag zu Grunde gerichtet. Wenn man denn gesteht. Man könnte natürlich auch einfach die Schotten dicht machen – Klappe zu, Ausrutscher-Affe tot und weitermachen wie zuvor? Lieber totschweigen als totreden? Na, was denn nun?“

Sarah: Du Fabi, ich brauch mal deine Meinung.

Fabienne: Na dann schieß mal los, ich habe ein sperrangelweit geöffnetes Ohr!

Sarah: (Frage für einen Freund) Nimm mal an, in der Beziehung is einer fremdgegangen. Beichten oder nicht?

Fabienne: Ganz ehrlich? Beichten! Für mich ist das fast ein bisschen wie keine richtige Frage. Sag deinem Freund, er soll alles rauslassen. Geheimnisse in Beziehungen, ich meine so richtige wie dieses hier, bedeuten ja, dass man den den Partner oder die Partnerin anlügen muss und wir wissen doch eigentlich alle, dass anlügen gar nicht geht. Die Wahrheit gewinnt. Kennste doch, den Spruch.

Sarah: Hm ja vollkommen klar, ich denk’ im Grunde doch genauso – aber muss man nicht auch die Umstände betrachten und ganz genau gucken, wie es da drum herum aussieht – zum Beispiel ob das eine verdammte scheiß Affäre war, mit allen denkbaren Abgründen oder „nur“ ein richtig mieser Ausrutscher aus der Hölle, ein einmaliger Super-Fail inklusive bereuen und Aua und so?

Fabienne: Ich frage mich dann aber immer ernsthaft: Welchen Grund gab es für diesen Höllenausrutscher? So ein psychischer und physischer Betrug zugleich, dem muss doch etwas zugrunde liegen. Auch beim ersten und letzten Mal meine ich. Und mit Rausch oder einer ach so  wilden Nacht, in der es kein Halten mehr gab, braucht mir niemand kommen – das ist allerletzte Kanone.

Sarah: Guter Punkt. Wo fängt Betrügen denn überhaupt an? Wer legt das denn wann fest und liegt da im Falle eines Falles eigentlich immer was ganz Tiefes anderes zu Grunde? Und, was wenn nicht? Wenn’s echt nur diese einmalige Geilheit, Neugier, oder sonst etwas war? Und mal ehrlich: Sind wir nicht alle nur Menschen, die ständig in allen Lebensbereichen Fehler machen, hoffentlich draus lernen und dann im besten Fall nie wieder so handeln?

Fabienne: Irgendwie schon. Bei den Fehlern, die mal passieren können, gehe ich mit. 100%. Aber wenn du da so eine Geilheit in dir aufkommen spürst, die kriecht so langsam in dir hoch und steigt dir irgendwann zu Kopf, dann bist du dir der Geilheit ja bewusst und dann doch irgendwie gezwungen, damit umzugehen. Bist du es deinem Partner dann nicht schuldig, dich ihm oder ihr gegenüber diesbezüglich zu offenbaren? Das geht ja irgendwie euch beide etwas an. Die Neugier einer anderen Person gegenüber. Damit kann man ja zu zweit umgehen, oder etwa nicht? Vielleicht kann man die Beziehung in gewissen Punkten überdenken, neu denken, umdenken, umlenken, öffnen. Verstehst du? Warum nicht vielleicht diese Wollust teilen, vielleicht wird ja etwas ganz Wunderbares daraus? Oder beide bemerken, dass so etwas neues und aufregendes bitter nötig war? Oder das Gegenüber realisiert, dass es ihm oder ihr gar nicht taugt, in welche Richtung das alles gerade geht und kann einen Schlussstrich ziehen? 

Sarah: Ich finde, eine Beichte nach einem Höllen-Ausrutscher, bei dem ganz klar ist, dass da nie wieder was passiert, ist nur für eine Seite heilsam – nämlich für die, die sich da grade entlasten konnte. Was bleibt, ist die derbe Last für das Gegenüber, die er oder sie im Zweifel nie wieder richtig los wird. Vertrauensbruch 4 eva – selbst wenn es wirklich absolut keine Bedeutung hatte. Wäre es dann nicht eigentlich nur fair, den Betrügenden das Gewissenspäckchen dieser einen Nacht für immer mit sich allein rumschleppen zu lassen? Vorausgesetzt es ist sowas wie Gewissen im Spiel.

Fabienne: Hmm, ich kapiere den Punkt irgendwie schon. Aber geschehen ist nun mal geschehen, der Vertrauensbruch begangen und das schlechte Gewissen im schlimmsten Falle dann bis zum bitteren Ende da. Was auch immer das Ende sein mag. Mist gebaut wurde ja schließlich schon, da ist es moralisch doch verwerflicher, den Mund zu halten und so zu tun als wäre nichts passiert. Denn da ist ja was passiert. Ich möchte der Person, die ich liebe, doch die Möglichkeit lassen wütend zu sein, mich zu verlassen oder weiß der Geier. Vielleicht bin ich da ja auch zu verbohrt, aber ich würde wissen wollen, wenn so etwas vor sich geht. Moment. Oder will ich es lieber doch nicht wissen? Himmel, das zermürbt mich jetzt. Eigentlich will ich doch alles wissen, was dieses „uns“ etwas angeht. Wie gesagt, vielleicht wächst man ja daran? Oder schrumpelt die blühende Liebe dann wegen dieses einen Fehlers ganz einfach ein als hätte jemand sie vertrocknen lasse? 

Sarah: Pass uff, genau das hab’ ich mich nämlich auch gefragt: Will ich es wirklich wissen, wenn es tatsächlich nur einmalig war? Und ist es das „wert“, dass da nun alles irgendwie als Scherbenhaufen vor beiden liegt wegen eines (im Zweifel) banalen Bummbumms? Ist es ausnahmslos immer ein Ding, was beide Seiten angeht, oder kann auch nur einer mal (ganz ohne Schönfärberei) für die Beziehung bestimmen: „Es war nichts Bedeutungsvolles, es wird nie wieder etwas sein, ich habe gelernt und das Wissen darum würde unsere eigentlich doch schönes Miteinander kaputtmachen“? Oder ist das übergriffig und unfair?

Fabienne: Aber was ist, wenn wir unserem Gegenüber in dieser Hinsicht einfach immer zu wenig zugetraut haben? Ich meine klar, das Vertrauen ist dann hin, aber vielleicht ist der Partner oder die Partnerin ja auch total gewillt, das alles nachzuvollziehen. Offen für die Diskussion und bereit für den Konflikt? Blöd, dass man nie wissen kann, was passiert. Was danach passiert, meine ich. Aber um ehrlich zu sein, habe ich da ja so etwas wie eine Grundhaltung: irgendwann kommt alles raus. Ist doch echt wahr, oder? Am Ende hältst du es nach einem Jahr nicht mehr aus zu schweigen und dann platzt es mir nichts dir nichts aus dir heraus und dann hast du den Salat.

Sarah: So wahr. Irgendwie kommt es ja immer raus. Und dann is die Kacke halt schlimm am dampfen.

Fabienne: So richtig nämlich. Dann ist nämlich das Vertrauen doppelt gebrochen: Erst weil passiert und dann weil nicht gesagt. Wie willst du denn da noch in Ruhe eine Ebene finden, auf der man sich begegnen kann?

Sarah: Sehe ich auch so, dann is echt alles aus und zu spät. Nicht mehr zu kitten. Hölle. Hölle. Hölle.

Fabienne: Vielleicht ist das Problem auch ein bisschen die Beziehungskiste an sich. Dieses den andern vermeintlich zu besitzen, zu kontrollieren oder eines von beiden oder beides zu wollen. Wenn einen dann doch das Verlangen nach der Fremde packt, dann sollte man vielleicht über neue Beziehungsformen nachdenken. Für mich wäre das nichts, wirklich nicht. Aber wer weiß, vielleicht sieht es in einem Jahr ja auch anders aus. Du weißt ja eh nie was kommt.

Sarah: Voooll. Ich finde ja sowieso, die Monogamie ist uns zwar gesellschaftlich ins Mark reingeimpft, aber so richtig funktioniert das ja dann doch in den allermeisten Fällen nicht. Aber ey, ein weiiijjtes Feld – können wir da nächstes Mal drüber reden, bin nämlich sau müdi und hab einen im Tee von unserer abendlichen Session hier.  

Fabienne: Ja das sehe ich auch so! Monogamie und pipapo – da machen wir ja ein fast noch viel größeres Fass auf, wenn du mich fragst. Ach je. Und beschwipst von so vielen Gehrinknoten bin ich auch.

Sarah: Aber du hast so sehr Recht: Ehrlichkeit ist das Fundament einer Beziehung. Man sollte ein Team sein und durch jede Scheiße durchwaten – auch wenn es wehtut. Hat was mit Mut zu tun. Alles andere ist Quatsch und entzweit nur. Non?

Fabienne: Si! Und genau so sagst du das auch. Dem Freund meine ich, der gefragt hat, was er machen soll.

Sarah: Ok, ich schicke ihm vielleicht einfach unseren Verlauf – und aus die Maus 😉 Schlaf gut, Puppe. Und danke.

Fabienne: Du auch. Bis bald, zur Monogamie-Debatte.

So, und was sagt ihr dazu? Beichten oder schweigen, das ist hier das große, fast unlösbare Rätsel – oder?

5 Kommentare

  1. Tifi

    Im Idealfall hat man ja zu Beginn seiner Zweierbeziehung das Thema schon mal abgehandelt, finde ich. Dann weiß man im Optimalfall, wie der Partner zu einem Betrug steht.
    Für den Fall, dass der andere es unbedingt wissen will gibt’s ja zwei Optionen. Man spricht die Wahrheit und ein Betrug kann den anderen kometenartig rammen und komplett aus der gerade so gemütlichen Umlaufbahn katapultieren, aber dafür in viele bessere Bahnen umlenken – ob in der bestehenden oder einer ggf. neuen Beziehung, das ist dann natürlich die Frage.
    Die andere Sache ist: Wenn man betrügt und dennoch schweigt, kapselt man sich vielleicht ein, distanziert sich, da man ja ein schlimmes Geheimnis mit sich herumträgt. Und zudem kann es immer rauskommen, absurderweise gibt es die zufälligsten Konstellationen und plups kann man sich alles schön in die Haare schmieren und hätte es sich vielleicht gewünscht das Ganze einmal angesprochen zu haben. Denn dann ist es zu spät, es wird schwer sein noch etwas zu retten.
    Insofern: am besten vorher mal drüber reden, konstant während der Beziehung über solche Themen reden und offen sein. Vielleicht baut man dann erstrecht keinen Mist und traut sich gemeinsam mal über den Tellerrand der eigenen Umlaufbahn hinaus zu blicken?
    Es ist zwar manchmal hart, aber Ehrlichkeit währt schlichtweg am längsten.

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  2. Diana

    Ausgehend von einer klassisch monogamen Beziehung: Ich komme da bei all meinen gedanklichen Kapriolen immer auf ein und denselben Punkt zurück, der von Fabi schon angesprochen wurde:

    Passiert ist passiert. Und wenn’s passiert ist, (mangelnde) Begründung hin oder her, dann hat der andere das Recht, seine Konsequenzen daraus ziehen zu können. Für genug Menschen ist Fremdgehen das absolute k.o.-Kriterium, uns sei es noch so bedeutungslos und einmalig gewesen. Viele andere würde es zumindest dazu anregen, die Beziehung zu überdenken.
    Dem anderen dieses Recht zu nehmen, finde ich schon sehr vermessen.

    Immerhin führt derjenige, der im Unwissen gelassen wird, eine Beziehung, die auf Tatsachen beruht, die nicht der Realität entsprechen. Eine Fiktion quasi. Ich weiß nicht, vielleicht ergibt das auch nur in meinem Kopf einen Sinn. Aber ich finde, dass Schweigen bedeutet, dass man seinem Partner ohne sein Wissen zwingt (in Ermangelung eines besseren Ausdrucks), in einer Beziehung zu leben, für die er sich sich nicht entschieden hat.

    LG

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  3. Watership Down

    OH MEIN GOTT! Jetzt habt ihr mich. Super spannendes Thema, vor allem die Frage „Wann fängt Betrug“ an, mit Hinblick auf „Besitz“ und“ „Monogamie, Polygamie, Polyamorie“. Ich hab ne ähnliche Situation. Ich bin in einer glücklichen Beziehung, wir sind verliebt, haben Spaß, haben Gemeinsamkeiten und auch Unterschiede, „streiten“ auch mal bzw. zicken uns an, vertragen uns immer wieder, führen ellenlange Gespräche wir eurer obiges über Gott und die Welt.
    Allerdings hab ich – ohne es aktiv zu merken – Gefühle für jemand anderen entwickelt. Ohne es am Anfang bewusst zu merken. Und gleichzeitig sind aber auch nicht die Gefühle für meinen Partner verschwunden oder so, gar nicht. Ich war nur plötzlich ultra verwirrt und geschockt von mir selbst, als mir meine Gefühle für diese andere Person bewusst geworden sind. Es ist rein gar nichts passiert, kein Kuss, kein Sex und inzwischen auch kein Kontakt mehr…wohl weil er nicht wirklich wusste dass ich einen Freund habe, ich aber davon ausging dass er es wusste und es so nicht mehr zur Sprache gebracht habe (Diesen Satz „ich hab aber nen Freund“ finde ich nämlich furchtbar, weil man ja dem anderen unterstellt, dass er einen vllt mag…und das wäre doch irgendwie eingebildet , denke ich immer). Und dann hatte ich plötzlich Angst. Angst vor mir, Angst etwas zu verlieren, Angst egoistisch zu sein. Ich habe gemerkt dass ich gern beide „hätte“…da wären wir wieder beim Besitz. Und dabei fand ich mich so ultra egoistisch. Weil ich dann dachte: „was wenn mein Partner dann auch jemand anderen „haben“ möchte“. Könnte ich das? Will ich das? Und was stimmt nur mit mir nicht?
    Und jetzt belastet das mich sehr. Ich weiß nicht ob ich es allein für mich verarbeiten soll, oder meinem Partner erzählen oder auch der anderen Person. So ne Art „Closure“ herbeizuführen. Aber ich habe Angst. Weil schließlich ist ja „nix passiert“. Außer dass meine Gefühlswelt aus ihrem Gleichgewicht geraten ist. Und so wir ihr es auch schreibt: Soll ich in dem Fall meinen Partner unnötig verletzen? Schließlich liebe ich ihn. Aber wenn man liebt, erzählt man sich dann allesalllesalles? Oder bedeutet Liebe nicht auch den Schutz des Partners vor Verletzungen? Aber habe ich nicht auch eine Verantwortung der anderen Person gegenüber, ihr die Wahrheit zu sagen, falls ich sie verletzt habe?
    Liebe ist ja nicht kompliziert, sondern die Menschen. Und ich freue mich auf eure Chats zum Thema Monogamie und fände Beiträge zu Polyamorie ganz toll. Gerade da beschäftigt mich die Frage: Gibt es das? Oder sind wir nur gesellschaftlich geprägt was „Liebe“ angeht? (Bei Sexualität bin ich eindeutig der Meinung dass Monogamie diesbezüglich nur gesellschaftlich geprägt ist.)

    Sorry für den langen Text.
    Vielen Dank für euren Beitrag! Sonnige Grüße!

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  4. Luise

    Ich bin seit fast acht Jahren in, wenn man ihr ein Label geben will, monogamen Beziehung und inzwischen sogar verheiratet. Ich möchte für immer mit dieser Person zusammen sein, auf welche Art auch immer, auch wenn es irgendwann „nur“ noch Freundschaft sein sollte. Wie Tifi oben schreibt sollte man in einer Beziehung darüber reden. Tun wir immer wieder. Wir würden uns verzeihen. Sagen wir. Ich mag Monogamie, ich finde anders anstrengend, aber ich mag auch anderen Menschen und ich flirte gerne und hin und wieder gibt es auch eine gewisse Lust auf jemand anderen und ich finde gut die haben zu dürfen und es einfach sagen zu dürfen auch wenn es bis jetzt nie Realität geworden ist. Sonst muss man ja schon bei dem Gedanken ein schlechtes Gewissen haben.

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