Ich bewundere Menschen, die viel Sport treiben wirklich sehr, so ist das gar nicht. Diese enorme Form von Selbstdisziplin muss man ja erst einmal aufbringen, und Crunchies – pardon Chrunches – Kniebeugen und Klimmzüge, ich meine, Spaß macht das alles zu Beginn doch nun wirklich nicht, man muss vielmehr erst Blut riechen, dann den inneren Schweinehund erlegen und vor allem dran bleiben, bis eines Tages der Rausch einsetzt und jede Anstrengung zur Wonne wachsen lässt. Aber Freunde, ich fragte mich dieser Tage, ob das denn wirklich alles sein muss. Es geht, so die These, ja kaum mehr um Gesundheit als viel eher um den perfekten (Achtung-Scheiß-Wort-Alert) Beach Body.
Ich lese ja nunmal auch diverse Blogs und Magazine und mein Gott, statt den Frühling mit Wohlwollen und offenen dürren oder dicken, aber zumindest eigenen Armen zu begrüßen, bricht seit Wochen allerorts Hysterie aus. Die einen fressen nur noch die Hälfte, andere verballern jeden lauen Maiabend im Gym und beinahe alle drehen am Rädchen, mobben sich selbst vor dem Spiegel und verzweifeln an Idealvorstellungen, denen so gut wie niemand, der nicht allein zwischen Fotos und Filtern existiert, standhalten kann. Sogar Knie werden gehasst, weil über Knien nunmal Haut und vielleicht auch ein gesunder Fettmantel hängt, ohne gehts ja nicht, außer wir säßen bloß zur Zierde da, mit ausgestrecktem, strammen Bein natürlich.
Ihr werdet jetzt vielleicht sauer und denkt „Du hast ja gut reden mit deinem bescheuerten 36er-After-Baby-Body (Alert!), aber darum geht es längst nicht mehr. Der krankhafte Selbstoptimierungswahn nimmt schließlich seit Jahren keine Rücksicht mehr auf Konfektionsgrößen. Und wir alle sind mitunter selbst Schuld daran, nicht bloß die bösen Hochglanzmagazine, deren Authentizität ohnehin in den Photoshop-Sternen steht und deren Diätpläne den Verkauf ankurbeln, auch Instagram samt Facetune und Konsorten befeuern eine Realität, die keine ist. Wir und auch sämtliche sogenannte Influencer, räkeln uns also regelmäßig im Bikini, was meines Erachtens gut und schön ist, Körper sind wahrlich was Tolles. Aber vergessen dabei freilich niemals, den Bauch einzuziehen und die Luft anzuhalten, die Arme straffend in die Luft zu schwingen oder auf den Zentimeter genau zu justieren, aus welchem Winkel das Bäuchlein in der optischen Senke verschwindet. Was sich daraus ergibt, ist die weit verbreitete Illusion, niemand, der ausreichend schlank sei, besäße auch nur ein einziges Röllchen. Weshalb auch die Schlanksten der Schlanken stetig ein Stückchen näher in Richtung Muskel-Drill schippern, während alle anderen daneben stehen und sich fragen, warum das Universum so gemein war, ihnen überhaupt eine scheiß Rundung und dehnbares Gewebe zu verpassen. Das ist ein bisschen krank, vor allem, weil die meisten von uns froh sein können, eben nicht krank und sogar in Besitz eines funktionierenden Mechanismus zu sein, aber Gier liegt nunmal in der Natur des Menschen. Wir sind uns generell niemals gut genug, außer wir haben die Weisheit und allumfassende Zufriedenheit mittlerweile aus Kübeln geleckt.
Das Dilemma reicht zu allem übel noch viel weiter: Denn wo Wissen nicht mehr hilft, scheint jede Vernunft verloren. Was soll man denn tun, wenn man sich astrein im Klaren darüber ist, nicht mehr ganz beisammen zu sein, darüber, dass eigentlich alles ok, die Medien übergeschnappt und Body Shaming pervers ist, wenn die eigene Unzufriedenheit und damit der Drang nach sozialen Vergleichen zugleich so tief sitzt, dass keine Gehirnzelle der Welt sie zu fressen imstande ist. Womöglich müssen wir uns hin und wieder zu unserem eigenen Glück zwingen und ganz bewusst aus der Comfort Zone heraustreten, um zu bemerken, dass Menschlichkeit stets liebenswürdiger bleiben wird als Makellosigkeit. Vielleicht müssen wir anderen dabei helfen, klar zu sehen, indem wir das nächste Mal ausnahmsweise selbst alles hängen lassen, wenn jemand auf den Auflöser drückt. Mut zur Hässlichkeit sozusagen, die in Wahrheit keine ist, sondern bloß Realität. Ganz sicher aber müssen wir alle mal klar kommen. Chillt doch endlich, will ich uns allen auf den dehnungsbestreiften Oberschenkel tättowieren. Und lasst die Rollen frei! Denn wir haben doch nur diese einen. Aber vor allem einen Sprung in der Schlüssel, der schnell ausfindig zu machen ist und damit im Grunde fast besiegt sein dürfte. Die gute Nachricht lautet nämlich: Glück wird weniger durch objektive Verhältnisse als durch deren subjektive Wahrnehmung determiniert. Das zeigt ein Beispiel aus den USA sehr gut. Da hatte man eine Journalistin gebeten, sieben Tage lang ein Foto ihres Körpers mit dazugehörigen Gedanken rüberzuschicken. Montags fand sie sich noch supi, sie trug ihren Lieblingsrock, hatte ausgiebig geschlummert und eine gesunde Speise verköstigt. Mittwochs schon ging es bergab. Fett fühlte sie sich, auch wegen der Nudeln zum Mittag.
Fakt ist aber: Auf jedem einzelnen Bild sah die Autorin exakt gleich aus. Die Attraktivitätsschwankungen fanden ausschließlich in ihrer subjektiven Wahrnehmung statt. Es ist also durchaus allerhöchste Eisenbahn, nicht nur von Body Postive zu faseln, sondern Body Neutralism zu leben. Das ewige Vergleichen über Board zu werfen und damit zu beginnen, sich zu fragen, wie wir uns selbst, ganz unabhängig vom herrschenden Körperbild, am liebsten haben. Dann ist auch Extremsport okay, sogar für den Kopf. Aber glaubt mir bitte, allglatte Körper sind die ultimative Alpha-Ausnahme, die es zu lieben, aber nicht zu neiden gilt: Selbst Gigi Hadid ist nach Pasta und Pesto ein kleines, süßes Hängebauchschwein. Ich habs mit eigenen Augen gesehen.