Gerne würde ich euch jetzt den vor vier Wochen in Aussicht gestellten Fahrplan für emotionales Decluttering vorlegen. Kann ich aber nicht. Genau genommen bin ich kaum ein Stück weiter gekommen, seit ich mir vorgenommen habe, etwas Licht in meine völlig verknotete Gefühlswelt zu bringen. Die Sache ist (Surprisesurprise!) einfach ein sehr komplexes Thema.
So vielschichtig und tief verwurzelt sind sie, unsere Emotionen – und nur mit sehr viel Geduld zu entwirren. Oft habe ich zum Beispiel das Gefühl, dass ich keine Kontrolle darüber habe, was sich alles so in meinen Kopf verkriecht, sich dort festklammert und mir mein Leben schwer macht. Allerdings bin ich davon überzeugt, dass das zwar der Status Quo ist, dass dieser sich aber verändern und steuern lässt. Denn man kann sehr vieles sehr wohl entscheiden – auch, wer und was sich in das eigene Leben drängt bzw. wem wir alles so Zutritt gewähren. Mein erster Ansatzpunkt war es, also herauszufinden, aus welchen Richtungen meine Emotionen durcheinander gewirbelt werden. Oder anders gesagt: Um wen geht es da eigentlich ständig in meinen Gedankengängen?
Denn: Wenn ich sage, ich bin kaum ein Stück weiter gekommen, so muss ich hinterherschieben, dass dieses „kaum“ sich trotzdem wie „eine Menge“ anfühlt. Nachdem ich nun meine Liste weiter auseinandergedröselt hatte, war klar, dass nur etwa 15 Prozent meiner Gedankengänge tatsächlich mit mir, meinem Leben und meinem Wohlbefinden zu tun haben. Das heißt aber nicht, dass es nicht viel mehr gäbe, über das man vortrefflich grübeln könnte – nur gebe ich mir selbst eben nicht ausreichend Raum dazu. Es ist kein Platz im Kopf, zu viel ist vollgestopft mit irgendwelchen anderen Dingen, von denen man eigentlich gar nicht so genau weiß, wie sie sich so unbemerkt ins Hirn schleichen konnten.
Richtig klar geworden ist mir das in einer eigentlich nicht sonderlich wichtigen, aber sehr aufschlussreichen Alltagsbegegnung. Einem dieser kleinen Ärgernisse, denen man vermeintlich nicht viel Platz gibt, die aber unbemerkt im Hintergrund einiges an Kapazitäten beanspruchen.
Ich habe eine schreckliche Nachbarin. Die Frau nimmt oft meine Pakete an, soweit so gut. Leider ist sie wahnsinnig genervt von meinen Paketen, oder davon, dass sie sie annehmen „muss“. Keine Ahnung, was ihr Problem ist, vielleicht ist ihr Flur so klein, vielleicht hat sie einfach keinen Bock und kann aber auch nicht Nein sagen, auf jeden Fall habe ich sie nicht um ihren „Service“ gebeten und habe keine Lust, mich wie eine Schwerverbrecherin zu fühlen, nur weil ich Dinge im Internet bestelle und ab und zu vor die Tür gehe. Doch ungefähr diesen Vorwurf macht sie mir mit ihrer passiven Art, mit ihrem grimmigen Gesichtsausdruck und ihren schnippischen Bemerkungen, die nicht so richtig offen und grade heraus genervt und beleidigend sind, aber eben doch richtig unfreundlich und einfach völlig unangebracht. Und eben genau diese irritierenden Begegnungen spuken nun schon seit Wochen knapp unter der Oberfläche des Wahrnehmbaren in meinem Kopf herum. Ich bin völlig entnervt, wenn ich wieder einen Abholzettel im Briefkasten habe, fahre mich innerlich schon hoch, bevor ich mich überhaupt auf den Weg zur nächsten Haustür mache und bin unterschwellig leicht dauergestresst, wenn sich ein Paket ankündigt, ich aber voraussichtlich nicht zu Hause bin.
Jetzt kommt aber das Entscheidende, das sich anhand dieses banalen Beispiels recht schön erkennen lässt: Meine Gedanken führen ins Nichts, sie sind fremdgesteuert und von vorne bis hinten negativ. Sie drehen sich einzig und alleine um die Frau, um ihre unmögliche Art, darum, wie unfreundlich sie ist und die ewige Frage, warum sie so ist. Dabei könnte mir das so herrlich egal sein. Konstruktiver und zielführender wäre es, wenn ich mich ausschließlich damit beschäftigte, wie ich mich fühle, welche Veränderungen ich mir wünsche und wie ich diese umsetze. Schon, wenn ich mir diese Erkenntnis im Geiste vorbete, wird die Negativität beherrschbar. Sie gibt mir meine Handhabe zurück und damit die Chance, dieses „Problem“ aus der Welt zu schaffen. Als sich die Gute also das nächste Mal über ein Paket echauffiert hat, habe ich ihr mit einem breiten Lächeln gesagt: „Wissen Sie was, das ist ja gar kein Problem. Nehmen Sie doch einfach keine Pakete mehr von mir an. Ich fahre gern zum Kioskm um sie da abzuholen. Dann haben Sie das aus den Füßen.“ Sie war irritiert, ein bisschen sauer, konnte aber nur schwerlich verneinen, ohne aus der Rolle zu fallen. Ich bin sie los. Was war passiert?
Ich habe die Negativität, die von außen in mein Leben getragen worden ist, die man mir aufgedrängt habe, erst zur Kenntnis genommen, dann lokalisiert. Dann habe ich entschieden, dass ich sie nicht haben möchte – und habe sie dem Adressaten zurück gegeben. Annahme verweigert. Eine Blaupause für mich, die ich nun öfter anwenden möchte. Klar, je größer die Emotionen, je verzwickter und bedeutender die Beziehung, desto schwieriger wird die Sache. In meinem vergleichsweise wenig relevanten Beispiel gab es da eine naheliegende Reaktion. Trotzdem vermute ich, dass man diese Methode auf alle großen und kleinen Hindernisse im Leben anwenden kann.
In Step 2 meiner Emotional Decluttering Phase möchte ich also nun meine Liste an Dingen, die mich beschäftigen, in die Bereiche Job, Familie, Partnerschaft, Freizeit und Wünsche bzw. Träume einordnen. Dann möchte ich mir zunächst 3 in sich verworrene kleine Gefühlsexplosionen anschauen und nach der am wenigsten kraftaufwendigen Lösung suchen. Ich will dabei aber einzig und alleine für mich das Problem aus der Welt schaffen.
Wenn also meine Tante sich ständig halb-lustig-halb-ernst in meine Beziehung einmischen will und mich nur aus diesem Grund regelmäßig anruft, dann muss ich sie wohl sanft an die Hand nehmen und sie gemeinsam hinter meine persönliche Grenze ziehen, wo sie dann bitte für immer stehen bleiben soll.
Oder wenn immer die gleiche Kassiererin im Supermarkt wahnsinnig unfreundlich ist, dann sollte ich ihr vielleicht sagen, dass mich ihr Verhalten stört. Ein einfaches und ehrlich interessiertes „warum sind sie eigentlich so unfreundlich?“ kann hier wahre Wunder wirken. Wegen dieser schlichten Frage habe ich eine sehr irritierende Service-Mitarbeiterin schon in Tränen ausbrechen sehen (zugegebenermaßen habe ich die Frage in dieser Situation nicht selbst gestellt, war aber sehr überrascht, welche Wirkung sie haben kann).
Ich möchte mich bei jedem Gedankengang, der mir durch die Hirnrinde geistert, ganz bewusst fragen, um wen es hier eigentlich geht und wie ich den Fokus dabei wieder auf mich richten kann. Ich habe gelernt, von der Gegenseite Emphatie und Entgegenkommen zu erwarten – und wenn das nicht passiert, enttäuscht zu sein, aber mich nicht zu Wort zu melden. Es ist Zeit, das zu ändern. An der Zeit, Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Raus mit euch aus meiner Rübe.
Collage: We and the Colour & Another Mag.