Sorry, Kanada, UN und alle anderen, die mit viel Mühe versucht haben den jährlichen Weltumwelttag zu einem reflektierenden und attraktiven Tag zu machen. Die jedes Jahr mit anderen Aktionen versuchen Menschen in den Bann von Umweltschutz zu ziehen und vor allem jüngere Generationen für Nachhaltigkeit zu begeistern. Es tut mir wirklich leid, aber ich bin unendlich wütend. Nicht auf die Menschen persönlich, die solche Aktionstage mitgestalten, sondern auf unsere Attitude an sich, dem System, in dem wir uns verstecken und der unheimlichen Trägheit, die von freiwilligen Aktionen ausgeht.
Eben auf diese 90 Prozent unserer Mitmenschen, die kein Stück aus ihrer Comfort Zone herauskommen wollen und sich mit pseudo nützlichen Hashtag-Aktionen schmücken.
„Connecting People to Nature“ war das Thema des diesjährigen Weltumwelttages. Seit 1972 beteiligen sich um die 150 Staaten an diesem internationalen Feiertag, den jedes Jahr ein anderes Land ausrichtet. Dieses Jahr war Kanada an der Reihe. Eigentlich ist aber alles wie immer, viel (oder auch: wenig) Show um nichts. Das einzig wirklich einigermaßen Überraschende war vor allen Dingen, dass der Aktionstag zum ersten Mal ein Google Doodle erhielt und das Logo der Suchmaschine in grün eingefärbt wurde – was vermutlich mehr Menschen erreicht hat als jede großangelegte sonstige PR-Aktion oder Veranstaltung. Ein Trauerspiel.
Denn ich weiß nicht wie es euch geht, aber indem ich durch das nächste Naturschutzgebiet laufe, mit meinem extrem-nicht-nachhaltigen Smartphone ein Selfie mache und das Ganze mit #withnature tagge, habe ich zum Umweltschutz Null beigetragen und ausschließlich eigene Fake-Karmapunkte gesammelt, die mich besser aussehen lassen, als ich eigentlich bin. Mir erschließt sich nicht, was es bringen soll, einmal im Jahr ein Naturbild in die digitale Blase einzuspielen, auch wenn mir natürlich klar ist, dass selbst zu dieser Aktion fast niemand wirklich zu bewegen ist. „Wir verhalten uns nachhaltig, indem wir wandern gehen und endlich mal wieder unseren Planeten so richtig wertschätzen.“ Bis Dienstag morgen, wenn wir wieder mit dem Geländewagen in die Innenstadt fahren, uns einen Latte To-Go holen und im Büro den 24/7 laufenden Computer aus dem Schlummermodus holen, um kurze Zeit später schnell ein Lachsfilet in Sahnesoße zu verspeisen und ohne Tip das Restaurant verlassen.
Ja stimmt, das ist ziemlich negativ und überspitzt, aber leider auch stimmig in Anbetracht der Tatsache, dass wir wie sich zierende kleine Kinder um das riesige, eigentlich alles überschattende Thema Umweltschutz herumtanzen, ab und zu mal voller Erfurcht stehenbleiben, um uns dann wieder Dingen zu widmen, die Spaß machen und nicht so wahnsinnig unbequem sind. Denn wir schmücken uns gerne mit Labels, die uns ethisch und demokratisch dastehen lassen, die ausdrücken, dass wir uns innerhalb einer moralischen Konformität bewegen und dass wir super aware sind. Aber das Schmücken darf nicht Überhand nehmen, es darf uns nicht einschränken, nicht belästigen, nicht stören und es darf nicht so auffällig sein, dass wir uns zu sehr von der konventionellen Masse abheben.
Ich für meinen Fall könnte an Tagen wie diesen in ein Schnarchkoma fallen. Wann entwickeln wir eine konkrete Herangehensweise an die offensichtlichen und absolut nicht mehr wegdiskutierbaren Probleme um uns herum? Wann fangen wir an, uns endlich, und sei es mit Minischritten, auf mehr Nachhaltigkeit in unserem eigenen Konsumverhalten und gleichzeitig mehr Nachhaltigkeit im Handeln unserer Wirtschaft hin zu bewegen?
Was wir alle kollektiv und tagtäglich den Ökosystemen, anderen Lebewesen und sozial schlechter gestellten Menschen antun, ist schlichtweg und ergreifend kriminell und unendlich falsch. Man kann angezeigt werden, weil man im Drogeriemarkt einen Haargummi klaut, aber nicht, wenn man das Fleisch anderer Lebewesen verzehrt, die ein zu kurzes Leben unter schrecklichen Umständen verbracht haben. Was ist los mit uns? Hat sich mal einer überlegt, dass ein gutes Wahlergebnis oder ein EU-Austritt den alteingesessenen Parteien (oder wahlweise den neuen Rechten) herzlich wenig bringen wird, wenn uns zeitgleich der Planet wegbröckelt? Warum ist der Verkauf konventioneller Baumwoll-T-Shirts zu Spottpreisen nicht verboten? Warum darf Primark überhaupt Ladenfläche in unseren Innenstädten mieten? Warum sind genau diese Innenstädte immer noch nicht autofrei? Warum reden wir ernsthaft weiter über Kohle und Atomkraft, als wären das diskutable Alternativen? Warum ist Mikroplastik nicht rigeros verboten? Warum nehmen wir Kühen ihre Kinder weg? Warum darf noch irgendjemand konventionelles Palmöl einsetzen? Warum gibt es keine Co2-Konten?Warum werden Flüge immer billiger? Warum kostet die Bahn ein Vermögen? Und wie langsam wollen wir uns eigentlich noch bewegen?!
Es gibt solche Tage. An Tagen wie heute geht mir das alles nicht schnell genug. An Tagen die heute fühle ich mich ganz alleine mit all diesen Gefühlen. Und an Tagen wie diesen freue ich mich über jeden, der ähnlich denkt. Wir brauchen uns gegenseitig, als Weggefährten.
Wann, wenn nicht jetzt, wer, wenn nicht du?
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