Gestern Abend bei einem Event, der Tag stecke mir eigentlich noch in den Knochen, traute ich meinen Ohren nicht. Binnen weniger Gesprächsfetzen war ich nicht nur hellwach, sondern auch doppelt fertig und in Sorge. Um die psychische Konstitution einer halben Generation. Was das für ein abscheulicher Trend sei, der da gerade das Internet flute, schimpfte mein Gegenüber. Und auch ich traue es mich ja kaum niederzuschreiben. Klingt beschmindert, ist aber wahr: Die #Panty- oder auch #PussyChallenge ist, bzw. war für einen kurzen Moment in vollem Gange. Bitte was? Ja, genau. Die Scheiden-Herausforderung (mit besten Grüßen an Giulia Becker). Die Autorin hatte gerade erst versucht, Sexismus mit musikalischer Satire zu bekämpfen und könnte dieser Tage glatt einen weiteren Songtext schreiben, der da heißen könnte: Ich habe einen Scheidenschleim.
Bah, igitt, denken jetzt viele. Aber so ein Ausfluss ist nicht nur völlig normal, sondern auch hilfreich.
Er sorgt zum Beispiel dafür, dass im Schritt alles gesund bleibt und zeigt zudem an, in welcher Phase des Zyklus wir uns gerade befinden. Und trotzdem gilt es wohl nicht erst seit Instagram als schick, im Alltag möglichst trocken zu bleiben. Besagter Wettkampf funktioniert deshalb so: Wer das sauberste Höschen vorweist, gewinnt. Zur Teilnahme muss bloß ein Foto des getragenen Schlüpfers gepostet werden, zum Beispiel auf Instagram. Wer keine Spuren hinterlässt, darf sich glücklich schätzen. Alle anderen sollten sich was schämen. Oder machen, natürlich, erst gar nicht mit. Bodyshaming bekommt dadurch eine ganz neue Bedeutung. Es geht nämlich nicht mehr länger nur um die blanke Oberfläche des Körpers, die bittesehr ohne Makel auskommen sollte, schlimm genug, sondern jetzt auch noch um das, was in ihm steckt und zuweilen nunmal raus will. Offenbar aber nicht darf – entgegen jedes Menschenverstandes.
Ich weiß ja selbst noch, dass die Entdeckung der eigenen Anatomie nicht immer glatt läuft. Früher, als ich meinen ersten richtigen Freund hatte, da war ich schwer darauf bedacht, getragene Unterhosen ganz unten im Wäschekorb verschwinden zu lassen und wenn es um Ringelpiez mit Anfassen ging, wurde jeder Tanga mit einem einzigen Beinschlag meisterhaft aus dem Sichtfeld gestupst. Auf dass der Mann bloß die schmuddelige Wäsche nicht zu Gesicht bekäme. Umso schlimmer, dass manch eine Unsicherheit nun erst Recht Gewicht bekommt. Danke auch Gesellschaft, danke Werbung, danke Sozialisierung. Vielleicht ist diese gerade schon wieder verschwindende Challenge ja doch für etwas zu gebrauchen – eine Debatte über die Normalität von vaginalem Ausfluss hat sie nämlich längst entfachen können. Und das wiederum könnte am Ende sogar hilfreich sein.
Wie soll man sich im Angesicht all des Selbstoptimierungs- und Reinheitswahn auch nicht gelegentlich für seine Natur grämen? Für das zum Beispiel, worüber wir Frauen für gewöhnlich lieber schweigen, obwohl alle es haben: Das abgesonderte Sekret aus der Vagina, das im besten Fall geruchlos, durchsichtig, hellgelblich oder einfach weiß ist und als superduperklasse Schutzschild gegen Krankheisterreger funktioniert. Sollte das mal anders sein, ist ein Gang zum Frauenarzt oder zur Frauenärztin übrigens unbedingt ratsam. Alles andere aber ist stabil und kerngesund. Also bitte, liebes Internet, komm zur Vernunft. Denn ohne diesen cleveren Schleim wäre die Welt tatsächlich ein wenig schmuddeliger.