Madrid geht gegen das sogenannte ‚Manspreading‘ vor – und wie zu erwarten ist die Empörung groß.
Eine Nachricht, die um die Welt ging: In Madrid wurde zack, mal so eben, das sogenannte ‚Manspreading‘ in öffentlichen Verkehrsmitteln ‚verboten‘. So lautete zumindest die Schlagzeile. Richtig verboten hat Madrid nämlich nichts, sondern lediglich eine Aufforderung zur Verhaltensänderung installiert: In Bussen und Bahnen informiert nun ein Schild darüber, dass für jeden Fahrgast nur ein Sitz vorgesehen ist. Theoretisch könnte sich dieses Schild natürlich ebenso an Frauen richten – aber wer im öffentlichen Nahverkehr unterwegs ist, weiß: Manspreading ist, wie der Name sagt, tatsächlich ein männliches Problem. Beziehungsweise eher ein von Männern verursachtes Problem.
Mal wieder ein Aufreger-Thema
Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft mir in der Berliner U- oder S-Bahn schon ein Typ mit weit geöffneten Beinen gegenüber saß, manchmal auch noch die Arme dementsprechend lässig zu beiden Seiten ausgebreitet. Nerviger ist aber die Variante, bei der ich direkt neben einem ‚Manspreader‘ sitze, der meinen halben Platz dank seines Beines quasi mitbelegt. Würde ich mir also in Berlin ähnliche Schilder wie in Madrid wünschen? Auf jeden Fall. Schließlich gibt es ja schon längst Schilder, die dazu auffordern, Platz für beispielsweise Schwangere oder ältere Menschen zu machen. Warum also nicht auch Schilder, die an die ‚Ein-Platz-eine-Person‘-Politik erinnern? Es geht doch darum, sich in öffentlichen Verkehrsmitteln so zu verhalten, dass man andere Menschen nicht stört oder ihnen, im gegebenen Fall, die Fahrt angenehmer macht, indem man ihnen seinen Platz anbietet.
Als ich die Nachricht aus Madrid las, war das für mich überhaupt kein Aufreger-Thema. Gut, dass es männliche Kollegen, Freunde und Bekannte gab, die mir mal wieder bewiesen, dass kein Gleichstellungsthema ein Nicht-Aufreger-Thema ist. Da war der Freund, der mir erklärte, die feministische Bewegung – die spanische Initiative ging auf das Madrider Gleichstellungsamt und die Frauengruppe Microrrelatos Feministas zurück – sei in diesem Fall nicht „taktisch“ vorgegangen. Schließlich gäbe es viel wichtigere Gleichstellungsthemen, viel schlimmere Ungerechtigkeiten, als ‚Manspreading‘. Indem ‚wir‘ Feminist*innen uns auf ein so dermaßen unwichtiges Thema konzentrierten, würden wir selbst bewirken, dass man unsere Anliegen nicht ernst nähme. Ein Bekannter fragte mich von oben herab, wie oft ich denn ‚Manspreading‘ überhaupt erleben würde. Das sei ja kein wirkliches Problem, ihm jedenfalls würde sowas in der Bahn nie auffallen. Der Freund einer Freundin beschwerte sich auf Facebook, in Zukunft dürften Männer noch nicht mal mehr atmen (Antwort der Freundin: „Ach, dein Atmen stört mich nicht, chérie“).
Angriff auf die Männlichkeit
Scheinbar ist es für Männer ein großer Eingriff in ihre persönliche Freiheit, nicht mehr mit gespreizten Beinen sitzen zu dürfen – sowohl in öffentlichen Verkehrsmitteln, als auch in Meetings, auf dem Sofa, und so weiter. Auf die Frage, warum diese breitbeinige Haltung denn überhaupt notwendig sei, kommt als Antwort lediglich ein „Weil das so bequemer ist“. Nun, eine Menge Leute fänden es sicher auch bequemer, im Pyjama zur Arbeit zu kommen (und ich rede hier nicht vom stylischen ‚Pyjama-Trend‘), tun es aber aus naheliegenden Gründen nicht. Oder, wie eine Freundin von mir sagte: „Ich fände es auch bequemer, mich in der Redaktion während unserer Konferenz einfach aufs Sofa zu legen.“ Wenn denn auf dem Sofa Platz wäre: Da fläzen sich nämlich meist zwei männliche Kollegen, die dank ihrer Beine aus drei Sitzen locker zwei machen.
Ja, es mag für viele (Männer) lächerlich wirken, sich über so etwas wie ‚Manspreading‘ aufzuregen. Woanders werden Frauen schließlich bei lebendigem Leib angezündet und in die Prostitution gezwungen! Mag sein. Trotzdem: ‚Manspreading‘ ist etwas, das viele Frauen täglich erleben. Etwas, bei dem es eben nicht nur darum geht, dass ein Typ mal wieder so viel Platz braucht. Sondern darum, wie Männer sich Platz nehmen, vor allem in der Öffentlichkeit. Weil sie sich dazu berechtigt fühlen. Es geht darum, wie Frauen dieser Platz eben nicht zugestanden wird – wie man(n) auf eine Frau reagieren würde, die ‚Womanspreading‘ praktiziert, kann ich mir lebhaft vorstellen. Ganz schlicht geht es aber auch um menschliches Miteinander, um angemessenes Sozialverhalten. Und nicht um einen Angriff auf die vermeintliche Männlichkeit.