Vor zwei Wochen etwa verfasste ich einen Text, indem ich eine sehr häufig gestellte Frage zu beantworten versuchte: Wird wirklich alles anders, wenn man ein Kinder hat? Irgendwie schon, schrieb ich da, aber irgendwie nunmal auch nichts, und dennoch: Ja. Das kapiert ohnehin nur, wer selbst Mutter ist, lautete bald darauf das Fazit einer Mitleserin. Muss man denn überhaupt alles verstehen?, konterte schließlich eine Gegenstimme. Und vor allem: Muss man das überhaupt wollen? Dieses Elternsein? Ich behaupte: Nein. Kinderkriegen sollte keineswegs als ein von Konventionen umgarntes Lebensziel gelten, als Prämisse für Zufriedenheit oder gar als Sinn der erdlichen Existenz.
Eher so etwas wie eine freiwillige Kirsche auf dem Sahnehäubchen des eigenen Glücks vielleicht – sofern man denn gewillt ist, zurückzustecken, in vielen Lebensbereichen. Elternsein ist nämlich wunderbar, aber noch lange kein seichtes Wunschkonzert. Eher laut und aufregend eben. Das muss man schon wollen. Und man muss es sich auch trauen! Außerdem, das scheint noch immer wichtig zu betonen: Nicht jede*r mag nunmal Kirschen auf dem eigenen Teller liegen haben, und seien sie noch so süß.
Die Einen werden nun empört von „Egoismus“ schwafeln, aber nur zu (wahrscheinlich handelt es sich hierbei ohnehin um dieselben, die Floskeln spucken wie: „Das wirst du noch bereuen, wenn du alt bist!“ – Egoismus? – Touché!). Was andere verteufeln, betrachte ich jedenfalls als eine der vielen Säulen, derer es bedarf, ein erfülltes Leben zu fristen. Das eigene Leben füllen – das sollte schon sein. Aber „womit“, diese Entscheidung muss unabhängig von christlichen Idealvorstellungen (mit Gruß an Frau Merkel), Bullerbü und wirtschaftlichen Pluspunkten ein privater Entschluss bleiben – ebenjener wird bis heute jedoch allzu oft vom Fingerzeig der Moral malträtiert. Warum eigentlich? Es ist gar nicht so schwer, zu begreifen, weshalb es Menschen, ja sogar Frauen gibt, die ein Dasein ohne Windeln, Schnuller und Kitaschein als wahre Wonne betrachten. Denen jedwede Romantisierung fern liegt, denen die Realität vielleicht sogar allzu viel Respekt einflößt. Die verstanden haben, was gut für sie ist, auch wenn das bedeutet, Weihnachten mit Freunden statt mit den eigenen Enkeln zu verbringen (was soll daran überhaupt falsch sein?). Es ist ja nicht so als´bekäme man – schwupps – ein Kind geschenkt und rein gar nichts würde sich ändern. Die Arbeit nicht, der Freundeskreis nicht, die Sorgen nicht). Ich jedenfalls ertappe mich trotz überbordender Liebe zu meinem Sohn immer wieder dabei, Zweiflerinnen und Zweiflern die Angst vor der Kinderlosigleit zu nehmen. (Die einen wollen noch so vieles erleben – nein, nicht ALLES geht mit Kind-, ihr Leben frei gestalten, anderen mögen sich nicht binden, dritte fühlen sich von der nahenden Verantwortung übermannt und der zehnte hängt ganz einfach an seinem Leben, der Arbeit und dem Status Quo).
Im Klartext bedeutet das, dass ich sehr wohl weiß, welche Freiheiten nie wieder zurückkehren werden, welche Hürden ich stetig nehmen muss und was es bedeutet, nicht mehr nur für sich selbst verantwortlich zu sein, sondern für einen Menschen, dem (ich) die Welt zu Füßen li()egen sollte. Mutterschaft ist in gewisser Weise also erst einmal eine Aufgabe. Ich nehme sie dankend an, jeden Tag. Aber ich bin nicht naiv genug zu denken, ich sei ohne Kind ein unglücklicher Mensch geworden. Ein anderer aber ganz bestimmt. Ich glaube bloß, dass sich das nicht viele zu sagen wagen. Man könnte ja an der Löwenliebe zweifeln. Unfug. Ich fresse auf, wer auch immer meinem Kind an den Kragen geht und jammere heimlich schon nach einem Tag kinderfrei vor lauter Vermissung. Weil man eben auch an seinen Aufgaben wächst und mit ihnen ihnen. Dennoch und ohne wenn und aber kann ich aus tiefstem Herzen nachvollziehen, dass mein Leben, mit Kind, nicht automatisch verlockend klingen muss.
Es ist nunmal mein eigenes. Und ein anderes darf logischerweise auch ganz anders verlaufen und muss in all seiner Verschiedenheit weder besser noch schlechter sein. Vorgestern zum Beispiel hat mein Sohn eine Wurst auf den Spielplatz gelegt, mit dem Fuß reingepiekst und den dicken Zeh dann an meiner Jeans abgewischt. Nein. Das muss man sich wirklich nicht wünschen. Und falls doch: Hurra! Sowas passiert wirklich nur ganz selten. Zu behaupten, freiwillig Kinderlose seien aufgrund des Verzichts auf Geschichten wie diese und des Mangels an Gefühlen für das eigene Fleisch und Blut emotional verkrüppelt, feige, komisch, frustriert oder aus Stein, ist und bleibt trotz aller Pro-Kinder-Listen, die selbst in meinen eigenen Hirn existieren, eine übergriffige, bodenlose Frechheit, die mich regelmäßig zur Verzweiflung treibt. Wir schreiben das Jahr 2017, befinden uns mitten drin in der 4. Welle des Feminismus, feiern hierzulande die Selbstbestimmung und sind dennoch zu großen Teilen der Meinung, die Frau müsse Gebären um „ganz“ zu sein? Es scheint ganz so. Dabei ist nur komisch, wert ausschließlich tut, was andere von ihm erwarten.
Hin und wieder beschleicht mich sogar ehrlich gesagt das Gefühl, wir Mütter müssten gelegentlich so viel Entbehrung auf uns nehmen, dass sich irgendwann quasi ganz automatisch eine Art schützender Mantel um uns legt. Einer, der uns denken lässt, diese Art von Geborgenheit, für die wir uns entschieden haben, sei die einzig wahre. Logisch mag das sein, mitunter sogar hilfreich. Aber nicht wahr. Sie ist nur eine Art von vielen. Kurzum: Es gibt hundert Gründe, die für Kinder sprechen. Und hundert dagegen (finanzielle Unabhängifkeit ebenso wie Lebensträume!). It’s up to you. Ich persönlich kann mir nichts großartigeres vorstellen als Mutter eines Kindes zu sein. Was ich mir aber zum Beispiel gar nicht vorstellen kann: Mutter von mehreren Kindern zu sein (dafür aber Tante und hundertfache Patentante!). Auch dafür ernte ich kontinuierlich Kritik (nicht selten von Eltern, mit deren Lebenskonzept man mich wahrlich vertreiben könnte, aber sag ich da was? Nein! Ich freue mich für deren Mut und Glück und Kinderschar!). Da wird die Einzelkind-Schleuder jedenfalls mindestens so häufig ausgepackt wie die böse Unterstellung, ich könne ja wohl gar nicht so glücklich mit meinem Sohn sein wie ich stets zu behaupten wage, denn sonst müsse ich ja mehr davon wollen! Will ich aber nicht. Jetzt nicht und wahrscheinlich sogar nie. Weil ich den Ist-Zustand gerade so sehr liebe und nicht daran glaube, mein Glück multiplizieren zu können. Weil ich meine Zeit mag. Meine verbliebende Freiheit. Mein Chaos. Meinen Schlaf. Meine Wohnung. Meine kleine Familie. Mich als Mama von Lio. Aber das Schwangersein zum Beispiel überhaupt nicht. Abnormal – sagt wer nochmal?
Warum wollt ihr eigentlich Kinder? Oder auch keine? Wir freuen uns über eure Antworten an hello@thisisjanewayne.com mit dem Betreff: KINDER. Vielleicht können wir gemeinsam ein schönes Fazit, sowieso Pros und Kontras finden, die anderen hilfreich sind.