Die britische Journalistin und Feministin Laurie Penny hat diese ganz besondere Art zu schreiben: präzise, wütend und dann doch immer wieder überraschend poetisch. Eine wahre Poetik der Wut die bewirkt, dass man fast jeden von Pennys Sätzen unterstreichen und mit Ausrufezeichen versehen möchte. Das ist auch in ihrem neuen Buch Bitch Doctrine: Essays for dissenting adults nicht anders. Es versammelt Essays und Artikel, die Penny in den letzten Monaten und Jahren geschrieben hat: Texte über Donald Trump, Abtreibung, Gewalt, political correctness, Geschlecht, Utopien und Liebe. In ihrer Einleitung macht Penny klar: „There is a sense of urgency to the writings collected here. Urgency is appropriate. We are trying to change the world for the better in the middle of stacking crises, and this is no time to go on the defensive, no time to capitulate, to accept a diluted definition of freedom.”
Es geht viel um Freiheit in diesem Buch, darum, auf welch vielfältige Weisen hart erkämpfte Freiheiten angegriffen werden – oder wo grundsätzliche Freiheiten immer noch nicht gegeben sind. „Race, gender and sexuality are not side-issues in the current crisis“, schreibt Penny, „they are the bedrock and expression of that crisis.“ Während sich also viele Menschen bedroht fühlen und sehen, wie wenig ihre Rechte und Freiheiten für andere zählen, sind wiederum andere (vornehmlich weiße Männer) davon überzeugt, dass Frauen, die LGBT-Community, people of colour, längst viel zu viel Aufmerksamkeit bekommen. Treffend stellt Penny fest: „When you’ve been used to privilege, equality feels like prejudice.“
Von der Zukunft träumen
Laurie Penny macht sich die Mühe, in mehreren Artikeln des Buches auf diese Art von Furcht einzugehen, Grundsätzliches zu erklären, zum Beispiel Trigger-Warnungen oder die Meinungs- und Redefreiheit. So führt sie ganz klar auf, was Redefreiheit ist – und was nicht. Redefreiheit, sagt Penny, bedeutet nicht, dass das Nutzen dieser Freiheit keine Konsequenzen hat. Genausowenig bedeutet es, dass alle geäußerten Ansichten gleichwertig sind oder dass Kritik an ihnen unerwünscht ist. Ja, man kann natürlich (fast alles) sagen, was man denkt. Wer das tut, muss aber auch mit Konsequenzen und Reaktionen rechnen, ob positiv oder negativ. Letztendlich geht es darum, dass heute dank des Internets mehr Menschen denn je die Möglichkeit haben, sich zu äußern, ihre Meinung zu sagen. Das passt naturgemäß denen nicht, die an ihr Meinungsmonopol gewöhnt sind, daran, dass man ihnen immer zuhört. Und das betrifft nicht nur reaktionäre Menschen: „Every generation of self-defined progressives has to tackle the fact that progress doesn’t end with them.“
Besonders interessant ist der letzte Teil von Bitch Doctrine. Hier setzt Laurie Penny sich mit Utopien auseinander, mit Dystopien. In Zeiten, in denen die reale Welt selbst sich so surreal anfühlt, haben Zukunftsvisionen für Penny einen unschätzbaren Wert: Sie lassen uns von einer besseren Welt träumen und erinnern uns daran, warum dieses Träumen so wichtig ist: „The kind of independence many women at my age can enjoy would have been almost unimaginable half a century ago – but somebody did imagine it, and that is why we got here.“ Das Träumen von einer besseren Welt ist bereits ein Schritt in Richtung dieser Welt, mag sie auch noch so unerreichbar scheinen. Deshalb kann es keinen Moment der Zufriedenheit geben, keinen Moment, in dem Frauen beschließen, dass sie jetzt endlich genug haben – genug Rechte, genug Freiheiten. Penny schreibt: „the instant that we do decide that we are satisfied, that there can never be a better world than this, is the instant that the future shuts down and change becomes impossible.“
Fundamentale Wahrheiten und Trost
In Bitch Doctrine stecken viele wichtige Gedanken, einprägsame Formulierungen und fundamentale Wahrheiten (leider aber keine Angaben, wann und wo die gesammelten Artikel erschienen sind). Es steckt auch Trost darin: Laurie Penny geht offen mit ihren eigenen Unsicherheiten um, tut nicht so, als hätte sie auf alle Fragen eine Antwort. Ja, die Zeiten sind schwierig und unsicher und oft fühlt es sich so an, als würde sich nie etwas ändern. Penny aber erinnert daran, dass auch viele kleine, gute Dinge passieren, und dass man diese Dinge im Blick behalten muss, um weitermachen zu können – beispielsweise die Tatsache, dass in großen Blockbustern endlich auch jene Held*innen sein können, die nicht weiß, männlich und heterosexuell sind. „The future“, schreibt Penny, „is already where we’ve always lived.“
Laurie Penny: Bitch Doctrine: Essays for dissenting adults, Bloomsbury UK, erschienen am 13. Juli 2017