Weekend Reads // Über das Ende-20-sein, Sologamie, Rassismus-Probleme und das Öffnen einer Beziehung

Eine kleine feine Leseleiste zum Wochenbeginn, die gerne im Kommentarfeld ergänzt werden darf. Damit uns weder Lehrreiches und Amüsantes, noch Wichtiges entgeht:

Warum wir kein Wasser aus Plastikflaschen trinken

„Wasser aus Plastikflaschen ist nicht nur viel zu teuer, die Flaschen müssen auch aufwendig hergestellt, verpackt und über weite Strecken transportiert werden. Das geht viel einfacher und umweltfreundlicher – mit Wasser aus dem Hahn.“ Eigentlich wissen wir das ja längst und dennoch gehen wir dem frechen Marketing-Mechanismus hin und wieder sogar aus Bequemlichkeit auf dem Leim. Zum Beispiel, wenn vergessen wurde, Trinkwasser für den See abzufüllen. Kann passieren, schon klar, muss es aber nicht. Und falls doch: Niemals Nestle. Wir sind jedenfalls dankbar für den wichtigen Reminder, den uns Viertel/Vor gerade samt dazugehöriger Infografik beschert.

Warum es mich ankotzt, wenn schöne Menschen sagen, sie seien Body Positive

„Ist es denn wirklich meine verdammte Aufgabe, dafür zu sorgen, dass ich nicht nur scheiße aussehe, sondern auch noch ein höheres Selbstbewusstsein als der Durchschnitt haben soll? Ist es nicht ein bisschen viel verlangt, dass ich die Dinge an meinem Körper lieben soll, wegen denen ich jahrelang ausgelacht, als “Fettie” oder die “hässliche Alte” beschimpft worden bin? Liegt es wirklich an mir, das zu ändern? Oder sollte mich die Gesellschaft nicht endlich in Ruhe zu lassen, damit ich Frieden mit meinem Körper schließen kann, ohne ihn dafür gleich lieben zu müssen?“ Weiter gehts bei Refinery 29.

Über das Lachtränen-Emoji

„Für alle, die erst kürzlich im Netz zugeschaltet haben – das nebenstehende Emoticon mit dem Gattungsnamen „Tears of Joy“ ist seit einigen Jahren das dominante Stilmittel in den sozialen Medien. Falls es nicht gleich ersichtlich ist, es soll ein fröhliches Gesicht darstellen. Eines, das vor lauter Spaß Tränen lacht. Dieses Emoji wird mittlerweile inflationär verwendet, steht gerne im halben Dutzend unter Tweets, Whatsapp-Nachrichten, Eltern-SMS und Facebook-Einträgen und ist besonders beliebt auch als Zierleiste in Fachforen, in denen garantiert noch nie jemand über irgendwas Tränen gelacht hat.

An das Ende eines Eintrages oder Tweets gesetzt, bedeutet das Gesicht: Seht her, ich lache mich hier gerade so richtig schlapp. Über meinen eigenen Beitrag. Das allein ist schon fragwürdig. Aber eventuell noch verständlich, in einer Umgebung, in der zwar alle ironisch sind, aber eigentlich keiner mehr Ironie versteht.“ Von Max Scharnigg.

Glaube – unsere Scheißangst

„Hi Gott,

wir müssen reden. Über Sex mit Ziegen. Und was das mit der Liebe zu dir zu tun hat.In meiner Generation wird hemmungslos geliebt und auch darüber gesprochen: über offene Liebe, über Männer, die Männer lieben, Frauen, die Frauen lieben, manche, die beide lieben, manchmal sogar gleichzeitig. Wir lieben die mit dem Tinderdate durchtanzte Nacht, lieben uns spontan, geplant, nur mal so, with benefits, lieben unseren Job, unsere neue Wohnung, unsere Freunde, unsere Mitbewohner. Und wenn einer am Küchentisch erzählen würde, dass er seit Kurzem Sex mit Ziegen hat, würde er wahrscheinlich ein anerkennendes Nicken bekommen und zumindest ein gerauntes „interessant“. Nur über die Liebe zu Dir spricht niemand.“ Von Hannes Schrader.

Charlottesville: Nicht nur Amerika hat ein Rassismus-Problem

Tausende Neonazis demonstrierten vergangenes Wochenende im amerikanischen Charlottesville, die Gegendemonstrantin Heather Heyer musste dabei sterben. Welche Lehren sollte Deutschland daraus ziehen? Das fragt sich Helen Hahne diese Woche in ihrer Politik-Kolumne bei Edition F.Denn hier etwa nimmt die Islamfeindlichkeit konstant zu, die Übergriffe auf Muslime werden brutaler. Mehr dazu bei der ZEIT.

Wie öffnet man eine Beziehung?

Die Idee ist also da. Und jetzt? Einfach loslegen? Bloß nicht!
Du könntest jetzt „Schlampen mit Moral“ von Dossie Easton und Janet W. Hardy lesen. Das ist das Beste, was zu diesem Thema je geschrieben wurde. Wenn dir die 300 Seiten zu viel sind, lies das hier.

Authentizität – Der Generalvordacht der Verlogenheit

„Das Perfide am Hin und Her mit der Authentizität ist ja, dass uns der Kapitalismus erst vom Objekt der Begierde entfremdet, damit die Sehnsucht danach weckt, und es uns dann wieder verkaufen will. Er gibt uns Problem und Lösung. Krankheit und Heilmittel in einem. Oder in anderen Worten: Mit der Authentizität und dem Kapitalismus ist es ein bisschen so wie mit der Erbsünde und der katholischen Kirche. Erst erschafft man die Schuld, dann verspricht man den Exklusiv-Deal für die Erlösung – ein genialer Unterdrückungsmechanismus.“ Weiter geht es hier.

Don’t be a sucker – ein Anti-Nazi-Film von 1943 erobert die Sozialen Netzwerke

Nach den rechtsextremen Ausschreitungen und dem Anschlag in Charlottesville, Virginia sind die Themen Faschismus und Rassismus in den USA so aktuell und relevant wie schon lange nicht mehr. Viele Amerikaner erkennen scheinbar Parallelen zum Dritten Reich. Deutlich wird das auch dadurch, dass ein aufklärender Kurzfilm von 1943 plötzlich wieder viel Beachtung findet. Twitter-User, darunter Prominente wie der Schauspieler und Regisseur Ron Howard, teilen „Don’t be a Sucker!“als Reaktion auf die Ausschreitungen mit der Welt. Mehr bei Jetzt.de.

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Warum die Snooze Taste abgeschafft werden muss

„Aus dem Nebenzimmer tönt ein metallisches Sirren, unmerklich anschwellend wie eine heranrauschende Ozeanwelle. Fünf rhythmische Töne in Dauerschleife, unterbrochen von jeweils einsekündiger Pause. Eine Viertelminute brummt es so durch die dünnen Wände, gedämpft zwar, aber beharrlich, ausdauernd, irgendwie passiv-aggressiv. Dann: Stille. Dem abrupten Eintreten nach zu urteilen gewaltsam herbeigeführt. Fünf Minuten lang ist das Nebenzimmer tot. Dann setzt der Ton wieder ein, angestimmt durch ein zudringliches Vibrieren. Es ist das Geräusch der Verweigerung. Meine Mitbewohnerin will nicht aufstehen.“ Weiterlesen bei der wunderbaren C’est Clairette.

Trumps Beitrag zu Barcelona: Ein Schweineblut-Tweet

„Nach dem tödlichen Anschlag von Charlottesville hatte US-Präsident Donald Trump eine klare Verurteilung der Tat und ihrer Hintergründe vermieden. Im Zuge des Terrorangriffs von Barcelona ist dies anders. „Die Vereinigten Staaten verurteilen die Terrorattacke“, twittert er kurz nach der Tat. „Bleibt stark und hart, wir lieben Euch!“ Keine Stunde später aber entfacht er mit einem weiteren Tweet eine neue Kontroverse: „Schaut euch an, was der amerikanische General Pershing mit Terroristen getan hat, wenn sie gefangen wurden. Es gab keinen radikalen islamischen Terror für die nächsten 35 Jahre!“ – Mehr weiß die Süddeutsche. Einen Beitrag über den „einsamen Präsidenten Trump“ findet ihr außerdem bei ZEIT Online. Und auch Sascha Lobo verfasste aus gegebenem Anlass einen scharfen Kommentar.

Sologamie – Sich selbst das Ja-Wort geben

Im weißen Kleid vor dem Traualtar sich das Ja-Wort geben – das geht auch ohne Partner*in. Sologamie ist nicht neu, doch sie findet wieder neue Beachtung. 1993 gab sich die Amerikanerin Linda Baker als erste Sologamistin bekannt. Im Mai tat es Viktoria Secret Model Adriana Lima. Neben Trends von Achtsamkeit und Selbstliebe, scheint sie wie der Punkt auf dem i. Es sind fast ausschließlich Frauen, die die symbolische Ehe mit sich eingehen. Ein Zeichen, ihrem all die Jahre aufopferischen und selbstlosen Image ein Ende zu setzen? Kritiker nennen es einen „traurigen Trend“. Die Bilder der Selbstheirat zeigen alles andere als betrübte Gesichter. Therapie oder Zeremonie? Ein Text von Miriam Galler.

Warum ich Vater und Feministin bin

Der Moderator Nilz Bokelberg dachte lange, die Geschlechtergerechtigkeit sei erreicht. Die nächsten Generationen werden es besser haben. Dann wurde seine Tochter 16. „Meine Tochter macht bald Abitur. Dann verlässt sie die Schule und beginnt ihr eigenes Leben. Vielleicht wird sie studieren gehen, vielleicht auch nicht. Bis vor Kurzem dachte ich, ihr stünden alle Türen offen. Vielleicht habe ich auch nicht genau genug hingeschaut. Vielleicht hängt vor der einen Tür ein Vorhängeschloss und vor der anderen ein Schild mit der Aufschrift „Boys only„. Ich hoffe, dass es nicht so sein wird. Was ich aber weiß, ist, dass sie für ihre Arbeit wahrscheinlich nicht fair bezahlt werden wird.“ Von Nils Bokelberg.

So funktioniert strukturelle Diskriminierung

Google-Memo – Was das sexistische Manifest eines Mitarbeiters über die Technologiebranche, Gleichberechtigung am Arbeitsplatz und unsere Gesellschaft sagt, erklärt Marie Hicks für Der Freitag.

Ende Zwanzig – ein schwieriges Alter?

„In einem Blogtext, den ich vor einer Weile gelesen habe, taucht die Aussage eines Arztes auf, als Endzwanziger_in wäre man psychologisch und biologisch gesehen in einem schwierigen Alter. An den Rest des Textes erinnere ich mich kaum, aber dieser eine Satz geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Ein Erörterungsversuch.“ Über das seltsame Alter „Ende Zwanzig“ könnt ihr derzeit bei Im Gegenteil einen wunderbaren Text lesen.

 

Warum Redaktionen mehr Vielfalt brauchen

Der Journalismus droht, seine Glaubwürdigkeit zu verspielen. Es wird Zeit für einen Kulturwandel. Zehn Thesen, wie er gelingen kann. – Von Barbara Hans.

 

10 Kommentare

  1. Schlapunzel

    Hey Ihr Tollen!
    Finde das Bild von der schwarzen Frau seeeeehr unglücklich gewählt!
    klar, jeder Körper ist schön und man soll sich so lieben wie man ist..aber warum ausgerechnet die schwarze Frau (in dem Kontext Rassismus) jetzt grade so dargestellt werden musste, leuchtet mir nicht ganz ein!?
    Warum gerade nackt und mit Hängebusen? warum nicht einfach stinknormal und mit klamotten?
    …Grade solche „Kleinigkeiten“ zu beacheten sind meiner Meinung nach sehr wichtig um gegen den Rassismus und gegen Vorurteile zu kämpfen!

    Da Ich ein riesen großer Fan von euch bin, hoffe Ich dass ihr euch diese Kritik anschaut !! 🙂
    <3 <3 <3 <3
    ( bester Podcast auf Erden übrigens<3 ).

    Antworten
    1. Isa

      … find ich absolut gar nicht problematisch. Wieso sollte es ein Problem sein? Darf man eine schwarze Frau nicht mehr zeigen? Nur weil in der Überschrift unter anderem von Rassismus die Rede ist? Und wies „nicht“ mit Hängebusen? Wie sollen denn Brüste sonst aussehen, wenn sie etwas größer sind, das IST doch NORMAL!?
      Für mich ist das eine ganz normale Frau, wie die anderen beiden auf dem Bild!

      Antworten
  2. Schlapunzel

    Hey Isa
    Du findest also dass das weiße Mädchen auf dem Bild genauso vorteilhaft dargestellt wurde wie die schwarze Frau? Für mich ist das eindeutig nicht so.. Du würdest also genauso gerne so aussehen wie die schwarze frau?
    Ich persönlich verstehe eben wirklich einfach den kontext nicht.. warum wird im zusammenhang mit dem artikel über rassismus eine nackte frau dargestellt? Weil alle schwarzen immer nackt durch den busch laufen? Ich denke wir weißen sind uns manchmal garnicht so sehr bewusst, was wir für ein Bild von schwarzen haben und darstellen..
    Frag mal deine schwarze freundin was sie von diesem bild hält?!
    Du findest das absolut garnicht problematisch? Aber du bist weiß, oder?

    @thisisjanewayne: würde mich sehr interessieren was ihr darüber denkt

    Antworten
    1. Isa

      Es geht doch gar nicht um vorteilhaft darstellen oder nich vorteilhaft, was wäre denn vorteilhaftes darstellen?
      Wie auch immer, für mich war klar, dass es hier um das Thema Body Positivity geht und ich verstehe trotzdem die Frage nicht „Du würdest also genauso gerne so aussehen wie die schwarze Frau?“. Inwiefern? Die Körperhaltung? Frisur? Körperbau? Du stellst die Frage so als ob es eindeutig furchtbar wäre, so auszusehen, oder verstehe ich dich falsch? Ich sehe in der Illustration eine selbstbewusste schöne Frau. Und Illustrationen von nackten weißen Frauen gibt es genauso. Ich find es eher verrückt, dass es sofort so krass auffällt, also die Hautfarbe. Und direkt mit rassismus verbunden wird. Keine Ahnung, ich wohn in einer bunten schönen Gegend und vielleicht ist es für mich einfach nicht das erste, was mir auffällt. Und nur weil sie nackt ist, heißt es doch nicht, dass man es mit irgendwelchen blöden Bildern wie ‚durch den Busch laufen“ verbunden werden muss, da finde ich es viel problematischer, wenn schwarze Models nur in der Vogue zu sehen sind, wenn irgendein Dschungel editorial gezeigt wird, um es mal genauso zu überspitzen. Da liegt viel mehr das Problem als in der Nacktheit. Hier vor allem, ich muss mich noch mal wiederholen, für mich eindeutig positiv dargestellt. Die Frau wirkt stark, sexy und selbstbewusst. Also ja, ich würde gerne so aussehen wie sie.

      Antworten
  3. Nike Jane

    Liebe Schlapunzel,
    die Collage ist ganz einfach erklärt:
    Aus fast jedem verlinkten Artikel wurde ein Foto für das Startbild gefischt – die schöne schwarze Frau stammt aus dem Beitrag über „Body Positivity“.
    Ich kann im Ansatz begreifen, was du meinst, wundere mich aber doch darüber, dass du diese Darstellung gleich dem „Rassismus“ im Titel zuordnest 🙁
    Ganz liebe Grüße
    Nike

    Antworten
  4. Schlapunzel

    Hey Nike!

    Danke für deine Antwort

    Ok Ich verstehe dass das Bild eigentlich zu „Body Positivity“ gehört.. Ich könnte mir aber auch gut vorstellen, dass ich nicht die einzige bin die das dann anders verstanden hat bzw. Denke Ich dass es warscheinlich in diesem Zusammenhang einfach (meiner Meinung nach) etwas falsch rüberkommen kann..
    Ich fände es in tatsächlich sehr interessant zu hören was eine Schwarze Person darüber denkt?

    Manchmal sind wir uns (ich eindeutig inbegriffen) eben garnicht so bewusst, wie sehr wir anderen leuten auf die füße treten können ohne dabei auch nur im ansatz böse Absichten zu haben..

    Wie gesagt, ich bin großer Fan! Ich liebe vor allem eure Reflektiertheit und gerade deshalb diese kleine Kritik

    Ganz herzliche Grüße!

    Antworten
  5. pi

    uh oh, google memo.
    Es geht hier so im Nebensatz unter – das ist schade, denn in dieser Diskussion offenbaren sich einige der wichtigsten Themen, die unserer Gesellschaft aktuell prägen und bewegen.
    Ich bin mir nicht sicher, ob Frau Hicks das memo wirklich gelesen und verstanden hat, daher erstmal ein Link auf das Originaldokument, damit auch jeder weiß, worüber diskutiert wird: https://assets.documentcloud.org/documents/3914586/Googles-Ideological-Echo-Chamber.pdf

    Der hier verlinkte Artikel von Marie Hicks ist wirklich unglücklich gewählt, er ist überaus dogmatisch und einseitig geschrieben und schafft es nicht einmal ansatzweise, die wichtige Thematik in all ihrer Brisanz zu veranschaulichen und zu diskutieren. Ich verstehe natürlich, dass alles, was Frau Hicks denkt und schreibt, durch die sehr selektive Brille ihres Forschungsgebietes geprägt ist und unterstelle ihr nicht Böswilligkeit. Aber wenn es darum geht, gesellschaftliche Probleme dieses Kalibers nutzbringend zu diskutieren, muss man versuchen, mit Selbstreflektion, kritischem Rationalismus, wissenschaftlicher Bescheidenheit und intellektueller Ehrlichkeit gegen die eigene (ideologische) Befangenheit ansteuern und einen offenen Diskurs auf Basis von Meinungsfreiheit anzustreben. Ihr Artikel stellt sich leider mit dogmatischer Selbstgefälligkeit eben gegen diese elementaren Prinzipien eines ehrlichen und zielführenden wissenschaftlichen und auch gesellschaftlichen Diskurses und spiegelt damit genau das im Google Memo thematisierte Problem wieder.
    Eine differenziertere, selbstreflektierte und sehr gut geschriebene (wenn auch immer noch nicht hundertprozentig über den eigenen ideologischen Schatten springen könnende) Auseinandersetzung findet man bei Meike Lobo:
    http://www.fraumeike.de/2017/google-memo-eine-kurze-geschichte-ueber-differenzierung-und-diskriminierung/ (unbedingt auch die sehr differenzierten Kommentare dazu lesen, da diese das Bild wertvoll abrunden und ergänzen!)

    Antworten
  6. pi

    Meine Two Cents zur Debatte (inklusive Versuch der Selbstreflektion):

    Als Mutter:
    es gibt also keine Unterschiede zwischen Mann und Frau, hm? Ich wollte es vorher auch kaum glauben, aber Leute, es ist was dran. Und es ist nicht zielführend, diese Unterschiede (in der Normalverteilung!) mit Genderideologie zu negieren und wegzudiskutieren.

    Als Master der WirtschaftsPSYCHOLOGIE:
    Die Psychologie hat es als bereichsübergreifendes Forschungsfeld besonders schwer, nicht als weiche „touchy feely“ Alltagspsychologie, sondern als auf Biologie und Naturwissenschaft, Empirie und Statistik aufbauende, ernstzunehmende Wissenschaft wahrgenommen zu werden, daher spielen hier eine einwandfreie statistische Methodik, wissenschaftliche Gütekriterien wie Objektivität, Reliabilität und Validität, wissenschaftliche Bescheidenheit, kritischer Rationalismus etc. eine fundamentale Rolle. Die im Google Memo angeführten biologisch, physiologisch, hormonell und psychometrisch nachweisbaren Unterschiede zwischen Männern und Frauen sind mit wissenschaftlichen Methoden nicht falsifizierbar, die hier zusammengetragenen Erkenntnisse entsprechen dem aktuellen wissenschaftlichen Stand (siehe diverse Verweise im Original Memo, während Hicks Artikel nicht auf diese wissenschaftlichen Grundlagen eingeht und nur eine dünne wissenschaftliche Beweislage als Untermauerung ihrer eigenen Argumente vorweisen kann). Eine wissenschaftlich korrekte Herleitung, dass es Unterschiede zwischen den Normalverteilungen (!) der Geschlechter gibt, darf nicht als „perpetuating gender stereotypes“ diffamiert und zensiert werden, nur weil sich Menschen dadurch „getriggert“ fühlen, sonst bewegen wir uns auf ganz dünnem ideologischen Eis. Die Wissenschaft und der offene friedliche Diskurs sind so wichtige Werkzeuge, um aus der eigenen bubble und über den eigenen Horizont hinausblicken zu können, ihre Bedeutung darf man nicht unterschätzen!

    Als Master der WIRTSCHAFTSpsychologie:
    Auch ich bin durch mein Forschungsfeld der Nachhaltigkeit und humanistischen Materialismuskritik vollkommen der Meinung, dass hegemoniale Diskurse und eine Evolution der bestehenden Strukturen unumgänglich ist, aber ganz ehrlich: unser bestehendes, demokratisches und freiheitliches Gesellschafts- und Wirtschaftssystem hat sich in der Menschheitsgeschichte bis dato als das einzig langfristig funktionierende erwiesen. Neben aller Kapitalismus- und Patriachalismuskritik sollten wir nicht vergessen, dass es uns eben dieses System ermöglicht, sicher und frei zu leben, unsere Meinung äußern und uns selbstbestimmt entwickeln zu können, das gilt für Männer und Frauen, Menschen aller Abstammungen und Religionen, mit oder ohne Handicap: in keinem anderen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem wären wir so frei und selbstbestimmt wie in diesem. Ein wenig mehr Dankbarkeit und Eigenverantwortung sind angebracht. Wer wirklich etwas bewegen möchte, sollte die Freiheiten und den Luxus nutzen, den dieses Gesellschaftssystem bietet, sich umfassend in die Thematik in all ihren Facetten einlesen und offen bleiben für Diskussionen. Eine Unterbindung, Zensur und Bestrafung freier Meinungsäußerung und eine ideologisch fundierte Diffamierung Andersdenkender tendiert ganz gefährlich in Richtung Linksfaschismus. Auch ich bin als Aussiedler-Nachkömmling sehr links, feminischtisch, proDiversität, antirassistisch etc eingestellt, aber das darf nicht zu einer Romantisierung linksradikalen Gedankenguts führen! G20, anyone? Es ist IMMER gut, auch gegenteilige Meinungen zuzulassen und durch offene, friedliche Diskussionen einen neuen, gemeinsam getragenen Weg zu finden, der andere Weg mündet in Terror und Klassenkampf, und wenn der erstmal (wieder) real wird, sieht das Ganze nicht mehr so linksromantisch aus.

    Als Feministin:
    genau wie Nike es in ihrem letzten Podcast schon vorsichtig geäußert hat, sollte man sich immer hüten und es kritisch reflektieren, wenn Meinungen und Aussagen zu selbstgefällig und ideologisch werden und krass in eine Richtung überschwingen. Auch innerhalb des Feminismus gibt es seit Jahrzehnten eine Debatte darüber, dass die ideologische Momentum mitunter eine Richtung vorgibt, die wirklicher Gleichberechtigung, Selbstbestimmtheit und Emanzipation von Frauen sogar im Wege steht (siehe z.B. Gloria Steinem vs. Camille Paglia/Christina Hoff Sommers). Auch innerhalb des Feminismus ist dieser (mehr oder weniger offene) Diskurs von essentieller Bedeutung, um nicht in Dogmatismus abzurutschen. Denn Dogmatismus löst nicht nur Reaktanzen und Pushbacks aus und verhindert, dass „alle mitgenommen werden“ auf dem Weg zu mehr Feminismus/Humanismus, er verhindert auch ein bewegungsinternes Korrektiv, Vitalität und Lebens-/Evolutionsfähigkeit.

    Zurück zum Google Memo:
    der Autor leitet sein memo damit, ein dass er Diversität und Inklusion sehr wertschätzt und nicht bestreitet, dass Sexismus existiert! Nach einem wissenschaftlich begründbaren Abriss über die die Unterschiede progressiver/linksgerichteter und konservative/mitte-/rechtsgerichteter Voreingenommenheit stellt er heraus, dass keine dieser politischen Überzeugungen in ihrem Extrem suffizient und daher ein offener Diskurs und ein demokratischer Meinungsbildungsprozess unumgänglich für eine funktionierende Gesellschaft ist – dieser sollte sich im Idealfall auch in einer ausbalancierten und gesunden Unternehmenskultur widerspiegeln. Auch Diversität der Ideologien sollte Bestandteil der Diversitätsagenda sein, wenn man ihre positiven Effekte ausschöpfen will, das ist nicht allzu weit hergeholt.
    Nach einem wissenschaftlichen fundierten Abriss über geschlechtsspezifische Unterschiede weißt der Autor darauf hin, dass die aktuelle Diversitätspolitik zu rigide und ideologisch eingefärbt ist und dass es keinen Sinn macht, Quoten durchzudrücken, ohne die bestehenden Arbeitsmodalitäten zu hinterfragen. Wenn man es genau betrachtet, ist dies sogar eine sehr pro-feministische Sichtweise!
    Wenn Quoten ohne Rücksicht auf Verluste und Qualifikationen durchgedrückt werden und nicht mehr diskutiert und hinterfragt werden dürfen, ist das für niemanden gut: Weder für Frauen, noch für das Unternehmen. Equality of opportunity (Chancengleichheit) darf nicht mit equality of outcome (erzwungene Gleichmacherei) verwechselt werden, nur ersteres ist mit Freiheit und Demokratie vereinbar, letzteres gehört zu Marxismus, Sozialismus und Kommunismus und wie das geendet hat, kann man ja mal nachlesen =/.
    Das memo lädt dazu ein (und gibt sogar explizit Vorschläge), das Problem viel tiefer und ganzheitlicher anzugehen, nämlich an der zugrundeliegenden androzentristischen, familienfeindlichen Unternehmenskultur. Und das ist ein sehr wertvoller Vorschlag!
    Ich habe mit meinem Mann drei Jahre im Silicon Valley gelebt und kenne so einige Google-Mitarbeiter: die Unternehmenskultur ist sehr auf hire and fire ausgelegt und war zumindest noch vor 6-3 jahren ziemlich familienfeindlich, da alles auf dem Google Campus erledigt werden kann und sollte (von Wäschewaschen bis Volleyball spielen). Das Arbeits- und Privatleben verschmilzen hier und Work-/Life-Balance ist einfach nicht vorgesehen. Sowas ist toll, wenn man jung ist und eh für seinen Beruf lebt, aber spätestens, wenn Kinder ins Spiel kommen wird es problematisch (aber dann kann man sich ja die Eier einfrieren lassen =/…egal, andere Geschichte).
    Natürlich besteht die Gefahr, dass die Herausstellung geschlechtsspezifischer Unterschiede (IN DER NORMALVERTEILUNG) dazu missbraucht wird, Frauen zu unterdrücken. Aber erstens tut das der Autor nicht, er stellt die Geschlechter vielmehr gleichwertig und wertschätzend nebeneinander und veranschaulicht, dass eher die historisch gewachsene, androzentristische Wirtschafts- und Unternehmenskultur dafür sorgt, dass Frauen tendenziell weniger in die vorgepressten Schablonen passen und dass diese Wurzel des Problemes diskutiert und angegangen werden sollte, statt durch Quoten nur die Symptome zu beseitigen. Und zweitens berechtigt allein diese Gefahr des Missbrauchs wissenschaftlicher Daten niemanden dazu, wissenschaftliche Ergebnisse zu vermauscheln und Menschen den Mund zu verbieten, WTF?
    Ich hoffe wirklich, dass diese Diskussion zu einer offenen Meinungsfindung und nicht zu einer Verhärtung der Fronten beiträgt, aber dazu müssen auch alle ihre Hausaufgaben machen und dürfen nicht gleich den Alt-Right-Finger zeigen und rumbrüllen, nur um sich moralisch überlegen zu fühlen.
    Peace out.

    Antworten
  7. Melanie

    Hi,
    zum Google Echo Chamber Memo möchte ich auch etwas ergänzen: Das die Softwareentwicklung so wenige Frauen anzieht, liegt nicht unbedingt an dem Beruf selbst. Immerhin waren die ersten Programmiererinnen Frauen, in einer Zeit, in der die Männer sich um die damals viel imageträchtigere Hardware kümmerten und niemand wusste, welches Potential Software hat. Sollte die Softwareentwicklung irgendwann wieder weniger begehrt sein, vielleicht, weil Computer sich selbst programmieren können und die Verdienstmöglichkeiten sinken, bin ich sicher, dass die Frauenquote von allein wieder steigen wird. Da gebe ich dem Memo recht, der gesellschaftliche Status ist entscheidend.

    Antworten

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