Seit Wochen, Monaten oder vielleicht auch schon Jahren, liebäugle ich jetzt mit einem waschechten Friseurbesuch. Auf dass man mich endlich von dieser gähnenden Langeweile in Form abgebrochener und gespaltener Spitzen befreien möge. So ein langer, voluminöser Bob, das wäre mal was, denke ich regelmäßig. Gut möglich allerdings, dass das lüsterne Angeiern fremder Frisuren am Ende bloß ein kläglicher Selbstschutz-Versuch meines Gehirns ist, das eigentlich sehr wohl um meinen Traum vom Po-langen Wallehaar weiß. Nur tut sich da seit 2014 absolut rein gar nichts, so zentimetertechnisch. Weil mir immer wieder ein bisschen viel Trockenheit und dann eine Schere dazwischen kommt. Aus meinem Jauchzen im Angesicht kinnkurz geschnittener Haare spricht also womöglich auch meine innere Hoffnung darauf, dass der Akt des Aufgebens immerhin ein schönes Ende nehmen könnte, rein optisch betrachtet zumindest. Entschieden boykottiert wird diese Zuversicht allerdings von meinem eigenen Freund.
Der sieht mich nämlich schon schrei-weinend im Bad verschwinden und einen ganzen Winter lang Mütze tragend trauern, aus gutem Grund, das muss man sagen, denn niemand anderes hört mich schließlich regelmäßig mit meinem nichtvorhandenen Hinter- und über diesen grundsätzlich sehr kleinen geratenen Kopf schimpfen und kein anderer weiß außerdem, dass ich meinem Haar nicht selten fürs Kaschieren danke. Er kann also, ob mir das lieb ist oder nicht, durchaus berechtigte Argumente gegen einen Frisurenwechsel vorbringen. Ganz tief in mir drin weiß ich sogar selbst, dass das Abschneiden einer Trotzreaktion gleich käme, denn könnte ich zwischen dem Maria Bernard-Look und Gilda Ambrosias gefühlt meterlangem Schopf wählen, dann würde ich, nunja, ihr ahnt es.
Trauriger Weise zeigt dieses Eingeständnis ganz deutlich, dass ich längst nicht so weit bin wie etwa Jemima Kirke, die irgendwann realisierte, dass ihr Haar für sie nichts weiter als eine herrliche Schutzmauer war, hinter der sie sich jahrelang ganz wunderbar verstecken konnte. Darin bin ich bis heute eine Meisterin, behaupten nicht wenige. Vielleicht haben wir es hier aber auch schlichtweg mit einer Geschmacksfrage zu tun, denke ich dann augenrollend und trotzdem ertappt. Mein Freund zum Beispiel, der Neandertaler, findet kurzes Haar an Frauen derart unattraktiv, dass er mich beinahe täglich darum bittet, „es“ doch bittebitte nicht zu tun. Ich muss euch sicher nicht erklären, auf welchen unzähligen Ebenen mich diese Aussage immer wieder zur Weißglut treibt. Das darf ja wohl nicht wahr sein, fluche ich dann, ob die Objektivierung der Frau denn irgendwann mal ein Ende nehme und wie unmodern und sexistisch und chauvinistisch man eigentlich sein könne, eine Frau mit Kurzhaarschnitt als nur wenig weiblich wahrzunehmen und weiblich, was das überhaupt bedeute, das dürfe ja wohl alles nicht wahr sein. Mein Strampeln und Schimpfen blieb mir neulich allerdings ganz plötzlich im Halse stecken. Und zwar als mein Freund vorschlug, wir könnten dann ja einfach beide zusammen zum Friseur gehen, er habe nämlich auch schrecklich Lust auf raspelkurzes Haar.
Da hatte ich dann den Gleichberechtigungs-Salat. Seither flehe also auch ich beinahe täglich darum, er möge „es“ doch bitte nicht tun. Weil ich mit Wuschel-untauglichen Frisuren bei Männern nunmal nichts anfangen könne und natürlich, ich würde ihn auch mit Glatze lieben, aber das lange Haar und der Bart, beides gehöre nunmal zu ihm wie sein Name an meiner Tür und so weiter und so fort. Wurde ich etwa mit meinen eigenen Waffen geschlagen? Bingo. Weshalb sich mir nun natürlich eine ganz grundsätzliche Frage aufdrängt: Dürfen Partner*innen wirklich über die Frisur der oder des Angetrauten mitbestimmen? Nein, haha, natürlich nicht!, schreit jede Pore in mir, aus Gründen der Selbstbestimmung, die jedem von uns klar sein dürfen, natürlich! Aber ganz unabhängig von jedweder Political Correctness und abgesehen von allem Verstand, jammere ich dennoch ein kleines „vielleicht ja aber ein kleines bisschen“ in mich herein.