In Liebesdingen finde ich es besonders interessant, andere Generationen mit der eigenen zu vergleichen. Während Großeltern den 50. Hochzeitstag feiern und Eltern von heute semi-erwachsenen Kindern oftmals versuchen, dem Alleinsein ab 50 zu entfliehen, hat unsereins andere Dinge von der Pike an gelernt. Es geht schon lange darum, mit sich im Reinen zu sein, vor allem als Frau, und sich nicht von der Furcht des Alleinseins treiben zu lassen, denn: Unabhängig, frei, selbstbestimmt – das sind die neuen Indikatoren fürs Glücklich- und Zufriedensein. Klingt gar nicht mal so übel, nein, sogar sehr fortschrittlich und emanzipiert. Vor allem in jungen Jahren sollte es schließlich heißen: Leb dich aus, lern dich selbst kennen, alles ausprobieren! Und zwar am besten als schillernde Singleblume, deren einziges Mantra die Unabhängigkeit ist, so schwant mir. Aber geht das alles denn wirklich nur im Alleingang, ohne Beziehung?
Beziehung führen. Das heißt schließlich Verantwortung zu übernehmen, sich auf jemanden einzulassen, und vor allem nicht nur ganz bei sich selbst zu sein, sondern eben auch in der Partnerschaft. Kompromisse eingehen, ihr wisst schon. Ist es also gar kein Wunder, dass irgendwann alle ganz heiß auf das wilde Solo-Leben sind? Frei von Verpflichtungen dem Freund oder der Freundin gegenüber durch die Nächte tanzen, lebendig sein, sich selbst und die Welt entdecken. Es klingt verlockend. Freisprechen kann und will ich mich von kleinen Nostalgie-Duschen keineswegs. Aber sie stehen in keinem Vergleich zu dem, was mich jetzt schon so lange glücklich macht. Wie ein kurzer Haschmich machen sie sich hin und wieder für einen kurzen Moment lang breit, um dann in Windeseile und beinahe unbemerkt wieder zu verschwinden. Eine wilde Selbstfindungsphase gab es bei mir dementsprechend nie, seit dem Eintritt in meine Zwanziger stecke ich jetzt nämlich schon in einer festen Beziehung. Und nein, ganz ehrlich, ich will keine Sekunde von ihr missen. Kann es denn wirklich nicht möglich sein, dass ich mich einfach innerhalb der Monogamie selbst entdecke? Neu erfinde? Ganz einfach, weil ich fest daran glaube, dass es funktionieren kann?
Eigentlich bin ich gar nicht so schrecklich romantisch. Trotzdem steht für mich schon länger fest, dass es sich unheimlich lohnt, an dieses starke Band zwischen zwei Menschen zu glauben. Es hilft, sich immer wieder aus tiefstem Herzen bewusst zu machen, dass es zwar Kraft kostet, eine Langzeitbeziehung gesund zu halten. aber dass sich jedweder Aufwand gleich doppelt lohnt. Es lohnt sich, dem sozialen Druck (ja, den spüren auch Vergebene) standzuhalten, und manchmal srark zu sein. Bloß nicht verzweifeln und sich nicht einreden lassen, man verpasse gerade vor lauter Wolke 7 die beste Zeit seines Lebens und noch dazu allerhand sexueller Abenteuer. Monogamie klammert ebenjene nämlich überhaupt nicht aus. Hört, hört!
Es sei gesagt, dass ich die Abhängigkeit, dieses beidseitige „den anderen brauchen“, mit allem was dazugehört, nicht vergessen habe. Die mag ich aber trotz des schlechten Rufes. Weil sie mir Sicherheit gibt. Angst macht mir die Liebe manchmal trotzdem. Und ich verstehe nur allzu gut, wenn man sich noch nicht bereit für sie fühlt.
Wenn Freundinnen neben mir tindern oder vom letzten Date berichten, spitze ich interessiert die Ohren, ich fiebere dann richtig mit. Ist ja nicht so, als hätte ich nie darüber nachgedacht, was wäre wenn. Aber dann habe ich mich entschieden. Meine Lebensphase der Selbstentdeckung und Verwirklichung bezieht meinen Freund jetzt ganz einfach mit ein. Wir machen das irgendwie zusammen und erleben all die Abenteuer und Trips gemeinsam.
Auch wenn viele erstaunt die Augenbrauen hochziehen und ihnen „wie, fünf Jahre in festen Händen ohne Langeweile?“ auf die Lippen geschrieben steht, ist das längst kein Grund zu verzagen. Oma und Opa schaffen es doch auch. Seit 53 Jahre schon.