Bloggerin Corinne Luca über über ihr neues Buch, Perfektions-Ideale und Sich-locker-machen

12.09.2017 Buch, Feminismus

Seit 2014 schreibt Corinne Luca auf ihrem Blog Makellosmag über die immer fordernden, oft widersprüchlichen Botschaften, die tagtäglich aus Frauenzeitschriften und Medien auf Frauen einprasseln. Jetzt ist Corinnes Buch zum Thema erschienen: Am liebsten sind mir die Problemzonen, die ich noch gar nicht kenne. Ein Gespräch über Perfektions-Ideale und Sich-locker-machen.

Dieses ganze Thema Schönheit und Aussehen ist wirklich anstrengend“, sagt Corinne Luca und nimmt noch einen Löffel Müsli. „Es fühlt sich immer so an, als gäbe es nur zwei Wege:

[typedjs]Entweder man unterwirft sich diesem Perfektions-Ideal oder man lehnt das alles total ab und findet die Beschäftigung mit dem eigenen Aussehen blöd. Und wenn man quasi Weg eins folgt, dann gilt man als ein bisschen dumm, als jemand, der den Weg zur Erleuchtung noch nicht gefunden hat.[/typedjs]

Für einen Moment guckt Corinne ernst, doch dann lacht sie: „Mein Buch will zeigen, dass es okay ist, sich für diese Themen zu interessieren.

Es ist Ende August, doch der Berliner Sommer tarnt sich erfolgreich als Herbst – es geht ein frischer Wind, Blätter fliegen dramatisch über die Gehwege und der Himmel hüllt sich in düsteres Grau. Corinnes guter Laune tut das keinen Abbruch. Sie sitzt wie der personifizierte Sonnenschein in einem Schöneberger Café – sie selbst wohnt mit Partner und den beiden Kindern, 5 Jahre und 20 Monate alt, im benachbarten Wilmersdorf. Die gute Laune kommt nicht von ungefähr: Gerade sind die ersten Exemplare von Corinnes Buch Am liebsten sind mir die Problemzonen, die ich noch gar nicht kenne bei ihr zu Hause eingetrudelt. Das Buch, mit dem Corinne zeigen will, dass die Beschäftigung mit der eigenen Optik nicht automatisch oberflächlich und blöd ist. „Letztendlich finden Frauen über dieses Thema ja auch einen Zugang zueinander“, sagt sie.

 

 

 

Illustration aus „Am liebsten sind mir die Problemzonen, die ich noch gar nicht kenne“               (c) Karin Lubenau

Seit 2014 beschäftigt die 35-Jährige sich auf ihrem Blog Makellosmag mal ernst, mal ironisch mit den Bürden des modernen Frauendaseins. Es geht ums Muttersein, um Beauty-Wahn, um Diäten, um Karriere und darum, in welchem Jahrzehnt Frauenzeitschriften gleichberechtigungstechnisch eigentlich steckengeblieben sind. 2016 gewann Corinne mit dem Blog den renommierten Grimme Online Preis. In der Begründung der Jury heißt es: „Ihr ‚makellosmag‘ reduziert Frauen weder auf Gewichts- und Haarfarbensorgen, noch predigt es ihnen den Feminismus von oben. Stattdessen kommt dieser auf leisen Sohlen durch die Hintertür daher, was das Angebot erfrischend undogmatisch macht.“

 

Das Thema Aussehen beschäftigt Corinne schon, seit sie ihre Doktorarbeit über viktorianische Frauenbilder schrieb. „Aber natürlich hatte ich auch die feministischen Klassiker gelesen, wie Judith Butler oder The Beauty Myth von Naomi Wolf“, erklärt Corinne. Bei einem gemeinsamen Einkauf mit ihrer kleinen Tochter erinnerte sie sich dann plötzlich daran, wie gerne sie früher Frauenzeitschriften gelesen hatte, blätterte im Laden direkt mal eine solche Zeitschrift durch – und stellte fest: „Das ist ja alles noch wie damals!“ Von den Diättips mit Geling-Garantie bis hin zu den besten Arten, sich den Traummann zu angeln. „Manchmal fragt man sich ja, ob all das, also dieses zurückgeblieben Frauenbild und dieser inhärente Sexismus, überhaupt noch ein Problem ist“, sagt Corinne. „Man selbst steckt ja so in seiner Blase, ist schon so reflektiert.“ Ein Blick in eine der typischen Frauenzeitschriften zerstört aber ganz schnell die eigene filter bubble und man begibt sich in sein „ganz eigenes Absurdistan“, wie Corinne in ihrem Buch schreibt: „Ein Land, in dem faltige Knie Problemzone sind und man sich mit Contouring-Stiften die Beine schlanker schminkt.“

Illustration aus „Am liebsten sind mir die Problemzonen, die ich noch gar nicht kenne“ (c) Karin Lubenau

Zwischen Photoshop-Dauereinsatz und Detox-Kur

Es ist eine Art Hassliebe, die Corinne Frauenzeitschriften gegenüber empfindet – einerseits hat sie viel Spaß mit ihnen, andererseits vermitteln sie eben jede Menge problematische Botschaften. Vor allem die, dass Frauen niemals mit sich zufrieden sein dürfen und ständig weiter an sich arbeiten müssen. Egal, ob es um den Körper, die Beziehung, die Kinder oder die Karriere geht. Frauenzeitschriften sind nicht die netten Freundinnen, als die sie sich tarnen, nein: Sie wollen Frauen Komplexe einreden, weil davon eben eine ganze Branche profitiert. Corinne schüttelt sich ein bisschen: „Das ist es eben, heute verdienen so viele Menschen Geld mit diesem ganzen Schönheitskram. Auf Instagram und in der Werbung wird uns durch das Mädchen von nebenan suggeriert, jede könne es schaffen, wenn sie nur genug investiert und konsumiert.“ Im Buch heißt es: „Wie viel verkauft wird, hängt eben auch davon ab, wie viele Problemzonen und Verbesserungsmöglichkeiten uns eingeredet werden können.“

Corinnes Buch ist ein Plädoyer dafür, mit offenen Augen durch die Werbe- und Zeitschriftenwelt zu gehen und sich nicht für dumm verkaufen zu lassen. Mit leisem Humor analysiert Corinne die Besessenheit mit Diäten, Altern, der perfekten Beziehung und prominenten Frauen. Dabei gibt sie aber nie vor, es besser zu wissen als ihre Leser*innen: Dass klassische Frauenzeitschriften und die Werbung auf die Unsicherheit ihrer Kund*innen setzen, diesen Komplexe einreden, ihnen unrealistische Versprechungen machen und so den Konsum ankurbeln, wissen die meisten. Sie ahnen, dass Photoshop im Dauereinsatz ist und die fünftägige Detox-Kur keinen besseren Menschen hervorzaubert. Trotzdem ist es schwer, sich gegen die Macht der Bilder und der damit verbundenen Versprechen zu stemmen. „Ich wollte, dass man durch mein Buch zumindest ein bisschen gewappnet ist“, sagt Corinne. Und wer erst einmal gewappnet ist, kann auch leichter seinen Konsum überdenken.

Einfach mal ein bisschen locker machen

Am Ende von Am liebsten sind mir die Problemzonen, die ich noch gar nicht kenne, gibt es einen „Schönheitswahn-Detox-Plan“, der vor allem Hoffnung macht: Hoffnung, dass wir es zu einem gewissen Grad selbst in der Hand haben, welche giftigen Gedanken und Botschaften wir in unsere Köpfe lassen. Den Plan zu schreiben ist Corinne nicht leicht gefallen, schließlich sucht sie selber auch noch nach einem guten Weg, mit dem Schönheitswahn umzugehen. Sie seufzt: „Das Thema wird einfach so an dich herangetragen, es ist allgegenwärtig.“ Das mache es manchmal ganz schön schwer, die Freude an Themen wie Beauty nicht zu verlieren. „Letztendlich“, sagt Corinne, „geht es darum, sich einfach mal um was anderes zu kümmern als um das eigene Aussehen. Ja, das klingt plakativ.“ Sie grinst und nimmt einen Schluck Kaffee. „Man kann gar nicht alles an sich gut finden, das ist unmöglich.“ Und wenn es sowieso unmöglich ist, so die unausgesprochene Botschaft, dann können Frauen sich auch einfach mal ein bisschen locker machen, ein bisschen weniger streng mit sich sein, ein bisschen weniger hart an sich arbeiten. Frei nach dem in Corinnes Detox-Plan aufgeführten Motto: „Das Leben ist zu kurz für Blumenkohl-Pizzateig“

Illustration aus „Am liebsten sind mir die Problemzonen, die ich noch gar nicht kenne“(c) Karin Lubenau

Corinne Luca: Am liebsten sind mir die Problemzonen, die ich noch gar nicht kenne. Schönheitswahn-Detox für die Frau von 0 bis 99 (mit Zeichnungen von Karin Lubenau), Heyne Verlag, 208 Seiten, 12,99 Euro, erschienen am 11. September 2017.

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