Es gab in meinem Leben bisher vor allem Bananentage, ihr wisst es, aber nun ist ganz eindeutig die Ära der Möhren-Monate angebrochen, jedenfalls in meinem Kleiderschrank. Darin liegt, dank Luisaviaroma, dem Onlineshop, der mich ab sofort zu Outfit-Experimenten verleiten wird, seit neuestem also eine Ausgeburt der 80er Jahre-Reminiszenzen parat, frisch entworfen von Mademoiselle Isabel Marant höchstpersönlich. Der war ich bereits Anfang des Jahres auf den Leim gegangen, als sie mich mit ihren eierförmigen Safari- und Jeanshosen geradewegs am Geschmacks-Schlafittchen packte, um mich binnen einer einzigen Show während der Pariser Modewoche von allen Zweifeln zu befreien: Das aufblühende 80er-Revival ist eine gute Idee. Nicht nur für Kasten-Blazer-Anhängerinnen, sondern auch für all jene, die es untenrum gern luftig mögen, bollerig und weit. Die Karottenhose ist zurück, aber wie! Und ich freue mich – hurra – selbst wie Bolle.
Nun gibt es ja aber durchaus zutiefst abgeneigte und skeptische Menschen, denen ich mich mit meiner Euphorie so sehr auf den Senkel gehe, dass sie mir am liebsten einen Stil-Chip ins Hirn implantieren würden. Das behauptet jedenfalls Person #1 meiner wenig repräsentativen Umfrage auf der Dieffenbachstraße, irgendwo in Kreuzberg. Alter: Zwischen 21 und 23, männlich. Ich war in weniger als sieben Sekunden durchgefallen durchs Beuteschema. Das sei nämlich echt „voll nicht sexy“. Schade Schokolade, dachte ich ein wenig peinlich berührt, weil ich ja nun wirklich nicht vorhatte, mich ihm auf die Brust zu binden. Dachte er aber. Also tat ich schnell so, als tränke ich einen heißen Kaffee, um es später nochmal zu versuchen. Ein allerletztes Mal bei einem Mann wohlgemerkt, denn wer noch immer der Meinung ist, es gehe beim Einkleiden ausschließlich um die Brunft und jedwedes Verstecken von Problemzonen, der verpasst ohnehin den halben Spaß. Viel besser ist es doch, wenn Kleidung als Seismograph des eigenen Empfindens funktioniert. Heute also: möhrig und ein bisschen schräg. Und überhaupt: Lieber ulkig als bierernst, jedenfalls manchmal.
Person #2, bärtig, um die 30. Lachte erstmal ziemlich lang und laut, um mich dann doch noch für voll zu nehmen, die Arme verschränkend, sehr nachdenklich. Ein paar Sekunden Stille, dann fiel der Groschen: „Krass, wie früher.“ Naja fast, gebe ich zu bedenken, hinsichtlich des Volumens habe es die Marant für 2017 ja schon recht gut gemeint. „Gefällt mir aber“, befindet der zweite Mann der Umfrage schließlich. „Weil man ja irgendwie schon sieht, dass jemand, der so eine Hose trägt, den Schalk im Nacken hat. Könnte mir vorstellen, dass du nett bist.“ Aha! Eine Hose mit Sympathie-Bonus?
Ich möchte ihm Blumen reichen, aber der Geldbeutel ist leer. Und während ich da so stehe, werden meine Finger kalt, weshalb ich, wie praktisch, meine Ärmel herablasse wie Rapunzel ihr Haar.
Shirt: Loewe
(thanks to Luisaviaroma)
Jeans: Isabel Marant
(thanks to Luisaviaroma)
Tasche: Sandro Paris
Loafer: Mango
Ohrringe: Vintage
Jetzt gehts ans Eingemachte. Passantinnen sind gefragt! Kann die Karotte der scharfen Meinung kosmopolitischer Großstadtpflanzen standhalten? Eine Bilanz:
„Hör mir auf!“
„Scheiße, sag nicht, das ist jetzt wieder in?“
„Geh weg.“
„Wie ein Sack, ne?“
„Gott, voll süß!“
„Mega, einfach mega. Tauschst du die gegen meinen Fahrradhelm? Der hat sogar LEDs.“
„Soll die so?“
„Das sieht vor allem gemütlich aus.“
„Wieso trägst du denn sowas weites, man sieht ja das Figürchen gar nicht!“
„Unvorteilhaft.“
„Madonna hatte die auch!“
„Wer die trägt hat genug Selbstbewusstsein, da ist es egal, ob ich diese Hose mag oder nicht.“
Ende im Gelände. Da hatte sie mich, die Mitte 50-Jährige, auf deren Kopf eine rote Baskenmütze mit Pfauenbrosche saß. Es muss egal sein, was andere denken. Endlich. Und diesmal wirklich!
Nicht leicht, wenn alle gucken, das stimmt, aber durchaus möglich. Alles wird außerdem ein bisschen leichter, wenn man nicht nur Karotte, sondern auch ein Lächeln trägt. Das steckt einerseits an und lässt andererseits verzeihen. Sogar diese klitzekleine große Geschmacksverirrungen, die bald vielleicht gar keine mehr sein wird. Ihr wisst schon: Die Macht der Gewohnheit.
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