Bei allen wichtigen und rationalen Entscheidungen contra Pille, gibt es durchaus den ein oder anderen Punkt der das Absetzen der hormonellen Verhütung dann eben doch zu einer mittelschweren Herausforderung macht. Acne hier, PMS da und dann zu allem Überfluss auch noch die wohl gravierendste Folge der Pillen-Abstinenz und die Wurzel des ganzen Problems: die eigentlich Verhütung. Entschuldigung, wie bitte? Das ist gar kein Problem, weil man ja noch die ganzen anderen Verhütungsmethoden hat? Ja okay, das stimmt. Nämlich die, die einen regelmäßig – vergebens – dazu bringen, den Sinn von Sex hinterfragen zu wollen, weil sie extrem aufwendig sind, extrem keinen Spaß machen und extrem nerven. Zeit für ein wenig Ehrlichkeit.
Es ist nur fair uns selbst gegenüber, sich einmal mal vor Augen zu führen, wie sehr Sex und Vernunft und Planung einfach kein Stück zusammenpassen. Und ich mache gerne den Anfang. Wenn mich in der Vergangenheit jemand gefragt hat, wie ich denn jetzt ohne Pille verhüte, habe ich einfach gelogen. Ich habe irgendwas Erwachsenes von Kondomen und dem Nachdenken über die Spirale genuschelt und mich dann ganz stark bemüht überzeugt rüberzukommen. Denn auch die Wahrheit ist eben manchmal zu ehrlich. Natürlich benutze ich keine Kondome, wenn ich regelmäßig mit ein und derselben Person Sex habe. Kondome nerven wie Sau, verursachen unendlich viel Müll, sind teuer und kein einziges winziges Stück sexy.
Ich möchte mir auch keine Spirale einsetzen lassen, komplizierte Diaphragmas, für die man besser einen How-To-Kurs belegen sollte, benutzen und nein, ich verhüte auch nicht „natürlich“. Natürlich verhüten, auch bekannt als NFP-Methode sieht am Rande bemerkt nämlich so aus: Jeden (!) morgen nach dem Aufwachen misst man seine Körpertemperatur und trägt diese in ein Zyklusblatt (!) ein. Mehrmals (!) pro Tag kontrolliert man außerdem seinen Zervixschleim und trägt das Ergebnis auch in die Zyklustabelle ein. Durch die Kombination dieser beiden Faktoren, kann man mit Hilfe der NFP-Regeln nachlesen, ob man an einem Tag nicht fruchtbar ist oder ob man verhüten muss. Mal davon abgesehen, dass Temperatur und Schleim auch gerne mal schwanken können: Ich schaffe es nicht mal jeden Morgen zu meditieren, ich verliere andauernd Regenschirme, ich tue mich schwer damit, meinen Menstruationscup an vier Tagen im Monat auf öffentlichen Toiletten zu leeren und ich versuche mein Leben möglichst unkomplizierter zu gestalten. Wie genau, soll ich zwischen Aufstehen, Arbeiten und Sex haben mich entspannen, wenn ich A. den ganzen Tag Daten erheben und mich B. konzentrieren muss, alle Schleim- und Temperaturbefunde richtig in meine Tabelle einzutragen?
Mein ganzes Leben besteht aus Terminen, aus Dingen, die man nicht vergessen darf, die wichtig sind und die mir den ganzen Tag im Kopf herumgeistern. Sex ist kein To-Do-Punkt, keine Aufgabe, kein Projekt und kein Pitch. Sex entspannt mich und vor allem meinen Kopf. Er bringt mich jemand anderen unheimlich nah und ist die vielleicht beste Sache der Welt. Wo aber bleibt sie, die emanzipierte, frauenfreundliche Verhütungsmethode für Sie oder Ihn? Vielleicht wird sie nie kommen, warum auch?
Mehr als die Hälfte aller Frauen ab 30 und nahezu alle Frauen ab 15 verhüten mit der Pille. Die Pharmaindustrie freut sich und wir schlucken, was uns irgendwann mal eine Ärztin zu Anfang der Pubertät aufgeschrieben hat. Das ist doch absurd. Und ich bin ratlos.
Und zum Thema Ehrlichkeit: Ich möchte hier nicht einfach so tun, als würde ich super verantwortungsvoll mit dem ganzen Thema umgehen, denn ich finde Wahrheit gehört auch zu einer Vorbildfunktion, die man mit so einer großen Leserschaft hat. Was jetzt kommt, empfehle ich ausdrücklich niemanden – es bildet einfach nur die Situation ab, in der ich mich und viele andere, mit denen ich gesprochen habe, befinde. Die Verhütungsmethode, die in der Vergangenheit in meinem und heimlich vermutlich in vielen anderen Betten fabriziert wird heißt schlichtweg „nicht in mir kommen“ und sie ist wahnsinnig dumm (da anscheinend nicht deutlich hier der Nachtrag: und ich empfehle hier keine Nachahmung!) und effektiv gleichzeitig. Ich mache das schon lange so und werde es vielleicht auch weiterhin so handhaben. Aus Bequemlichkeit, aus Trotz, aus Mangel an Alternativen und immer in der stillen Hoffnung, dass ich einfach Glück haben werde mit meinem mittelmäßig kalkulierten Risiko. Ja, ich habe einen Termin bei einer Frauenärztin und werde über die hormonfreie Spirale nachdenken – auch wenn es mir bis ins unendlich widerstrebt und ich nicht weiß, ob ich es am Ende wirklich machen werde. Was ich vor allem zum Ausdruck bringen möchte ist folgendes: Die Thematik ist eine schwierige und mit Aussagen wie „Benutz halt ein Kondom“ finde ich, dass man Fragestellung einfach unter den Teppich kehrt und Bedenken nicht ernst nimmt. Denn es ist eben nicht so einfach.
Mich interessieren natürlich, wie auch die letzten beiden Sonntag, wahnsinnig eure Meinungen, Geschichten und Wahrheiten. Ich freue mich, wenn ihr sie mit uns allen teilt. Bitte ebenfalls nicht vergessen: Bei der Einnahme der Pille spreche ich nicht von den Frauen, die die Pille aus medizinisch notwendigen Gründen nehmen.
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So höchst Banane und unverantwortliche der Akt des russischen Rauszieh-Roulettes auch ist, so unpraktikabel sind heutzutage leider noch all die Verhütungsmethoden, die da draußen zum Löwenanteil der Frau auf die Aufgabenliste gesetzt werden. Kann doch nicht wahr sein, dass die Industrie sich noch immer nicht verstärkt den Verhütungsmöglichkeiten für die Männer dieser Welt widmet. Also, höchste Eisenbahn endlich eine sichere und hormon-schmerz-umstandsfreie Lösung der Verhütung zu finden. Am Ende kommt sonst noch jemand außer mir auf Bananen-Ideen im Bett.
(Bluse: Paloma Wool)