In meiner Kindheit, da gab es regelmäßig deutsche Hausmannskost zum Mittagessen. Manchmal natürlich auch Lasagne, ebenso wie allerhand andere Nudelsorten – aber meist tischte man mir eben Gerichte auf, die hierzulande eben ganz vertraut sind: Die Rede ist von Schnitzel oder Käse-Hack-Lauchsuppe. Von Spinat mit Kartoffelbrei und Spiegelei. Ehrlicherweise bekomme ich immer noch Lust auf diese in Butter getränkten Speisen, auf ebenjene Leckereien, die meine Mutter da so aus ihrem Ärmel schüttelt, aber heute ist alles anders: Die helle Freude über den Speiseplan ist mittlerweile nämlich oft getrübt und beeinflusst von einem neuen Ernährungsbewusstsein oder von YouTube Videos, in denen mir vegane Protagonist*innen erzählen, was sie den ganzen Tag besseres gegessen haben, damit ich spätestens an der Supermarktkasse auch schon wieder ein schlechtes Gewissen habe. Ein neues Gefühl hat sich eingestellt, ein Schlechtes, um es genau zu sagen, immer dann, wenn ich darüber nachdenke, ob ich doch Fleisch zubereiten will oder ob ein großes Stück Bergkäse in den Einkaufskorb wandern soll. Am zufriedensten bin ich mit mir, wenn mein Einkauf auf dem Laufband zu 90 Prozent vegan ist, dabei noch äußerst knackig und grün aussieht und ich im besten Fall noch die Nase rümpfend auf die TK Pizza meines Nachbarn linse. Was ist nur geschehen?
Alles fing damit an, dass ich, zu Hause ausgezogen und flügge, anfing meine Mutter zu belehren, dass das Fleisch, das sie kaufe, von schlechterer Qualität nicht sein könne und es so nicht weiterginge. Ich würde das ja nicht mehr tun. Ich kam geläutert aus der Großstadt und hatte uhrplötzlich die Welt verstanden. Den Kühlschrank schon längst von tierischer Milch befreit, mich bereits ein Jahr von Hirsepfannen und Linsensalat ernährt – und Fleisch? Nee nur ganz, ganz selten, ist doch klar, und wenn doch, dann von der Biotheke. So viele neue Regeln. Da haben sie zu Hause erstmal gestaunt, als ich die Pilz-Rahmsoße nicht anrührte. Milch sei schließlich für die Kälbchen da und überhaupt: Ich mache das nicht mehr mit!
Dem Veganismus frönen ist keineswegs eine schlechte Sache, eine sehr gute sogar, hilft außerdem bei der Auseinandersetzung mit Konsumgut „Lebensmittel“, beim Kochen undundund. Bei mir zumindest. Doch durch die Verbannung eines Großteils der tierischen Erzeugnisse aus meiner Küche, ist mit mir etwas geschehen. Ich verurteile. Verabscheue. Ja, ich ekle mich gelegentlich gar vor dem einen oder anderen Putensteak oder Käseteller, ohne selbst eine konsequent ablehnende Haltung gegenüber Hackfleisch und Co. eingenommen zu haben. Und trotzdem: Verständnislos ziehe ich die rechte Augenbraue hoch, sehe ich auf Social-Media-Kanälen große Rindersteaks und Milchshakes so ganz ohne Reue zur Schau gestellt – von den Genießern hinterm Handybildschirm – nur damit mir im nächsten Moment wieder einfällt, dass auch ich ganz und gar nicht konsequent tierfrei esse und ja ohnehin jeder machen kann, wonach ihm oder ihr der Sinn steht.
Ich bemerke bei mir zusehends eine Art Druck oder Zwang, ob nun selbst auferlegt oder sozial adaptiert, in dem es darum geht, sich möglichst gesund und dabei frisch und tierfrei zu ernähren. Weil ich es ja besser weiß und mich auseinandersetze, Bio kaufe – und schwuppdiwupp, diese neuen Erkenntnisse über Umwelt und Gesundheit und den Verzicht auf das liebe Vieh in meinem Kopf für allgemeingültig erkläre. Natürlich, um mich dabei selbst gelegentlich an der Nase herumzuführen. Wenn’s im Lidl keine Bio Créme Fraîche gibt, zum Beispiel. Oder es am Sonntag unbedingt Hackfleischbällchen auf den Teller geben sollen. Klar, dann wird eine Ausnahme gemacht. Warum auch nicht. Es soll ja schließlich noch Spaß machen. Und da Friede am Herd Gold wert ist, und ich mir in Zukunft diese gerümpfte Nase an der Supermarktkasse nun wirklich austreiben will, übe ich mich in Entspannung und Besonnenheit, während ich mein Einkaufskörbchen fülle. Auch wenn mal wieder keine Superfoods und Soja Schnitzel dabei sind. Heute tut’s auch der Almigurt, den hat Mama schon immer gekauft.
Linsenpasta und Quinoa haben den Dauerbrennern Gnocchi und Parmesan also längst den Garaus gemacht. Der reine Ernährungswahnsinn ist bei mir zuhause eingezogen und lässt die anderen Lunchboxen alt aussehen, packe ich meine Tupper mit der Mexican Bowl aus. Fleischfrei versteht sich. Und wie gut es sich anfühlt. Wieder viel zu kochen und genussvoll zu speisen. Aber doch bitte ohne sich permanent Dinge zu versagen, gar krampfhaft wegzulassen und nur noch mit erhobenem Zeigefinger durch die Welt zu ziehen. Das muss wirklich nicht sein. Weil eine Pommes hier und ein Halloumi-Sandwich da, genau so wohltuend sind und lecker sowieso, wie ein Grüner Smoothie. Ganz sicher.