Eigentlich sind meine Schwester und ich unzertrennlich, doch es gab eine Zeit, da war ich richtig eifersüchtig auf sie. Nämlich, als sie vor mir ihre Periode bekam. Das war aus vielen Gründen eine Katastrophe für mich, vor allem, weil ich doch die Ältere war und deshalb das Erstgeborenenrecht auf dieses Erlebnis hatte! Außerdem hatten meine besten Freundinnen ebenfalls schon alle ihre Tage – ich konnte nicht mitreden, stand frustriert daneben, während sie sich über Tampongrößen und Bauchkrämpfe unterhielten. Als ich einmal vorsichtig nachfragte, wie das denn so sei, seine Periode zu haben, seufzte eine von ihnen:
„Ich dachte immer, da kommt nur so ein Tröpfeln. Aber das ist richtig viel Blut!“
Ein paar Monate später hatte ich sie dann, die lang ersehnte Periode – und stellte schnell fest, dass dieses monatlich wiederkehrende Ereignis für mich die reine Qual war. Die Schmerzen waren oft so stark, dass ich nicht aufrecht stehen konnte, immer Notfall-Schmerztabletten mit mir rumschleppte und meine Mama befreundete Ärztinnen nach Tipps fragte. Hinzu kam die unglaubliche Peinlichkeit des Ganzen. Hauptsache, in der Schule merkte niemand, dass ich meine Tage hatte und meine gekrümmte Haltung darauf zurückzuführen war. Lieber sprach ich allgemein von „Bauchschmerzen“, während ich den Tampon in meiner Faust versteckte und innerlich betete, dass von den Jungs niemand dieses Corpus Delicti bemerkte.
Undichte Frauen
Die Periode ist und bleibt ein unangenehmes Thema, über das viele Frauen lieber schweigen. Das ist auch der Journalistin Heike Kleen aufgefallen. Also hat sie recherchiert und ein Buch geschrieben: Das Tage-Buch. Die Menstruation – alles über ein unterschätztes Phänomen. Sehr unterhaltsam analysiert sie darin, warum unser Umgang mit einem an sich völlig natürlich Phänomen noch immer so dermaßen verkrampft ist:
Bei so viel Hysterie, findet Kleen, hilft am besten Aufklärung. Kurzweilig legt sie dar, was während der Periode eigentlich im Körper passiert: Können Frauen „synchron“ menstruieren? Von welcher Menge Blut sprechen wir eigentlich?
Und haben Männer einen Zyklus?
Interessant ist auch der Umgang mit menstruierenden Mädchen und Frauen in anderen Kulturen. Weltweit werden Frauen einmal im Monat im wahrsten Sinne des Wortes aus der Gesellschaft verstoßen. Warum? Weil sie „unrein“ sind. In Ländern wie Indien oder Nepal gibt es unzählige Vorschriften, an die die Unreinen sich halten müssen – sie dürfen zum Beispiel keine Pflanzen anfassen oder werden in sogenannte „Menstruationshütten“ geschickt, um dort bis zum Ende ihrer Periode auszuharren. Aber, das macht Heike Kleen deutlich, auch die angeblich so aufgeklärte „westliche“ Kultur verbreitet jede Menge blutige Mythen. Plinius der Ältere befand, der „Monatsfluss der Weiber“ mache den Wein sauer und verderbe die Ernte. Wie Heike Kleen trocken feststellt: „Die Männer hatten schon immer eine deutlich höhere Meinung von sich als von den Frauen. Frauen sind für sie eher schadhafte Prototypen, nicht ausgereift, irgendwie nicht ganz dicht – und darüber hinaus sind sie auch noch ziemlich gefährlich!
Eine Meinung, die sich bis heute hartnäckig hält. Heike Kleen plädiert deswegen für einen allgemein entspannteren Umgang mit der Periode. Ihr Rat lautet: „Einfach mal locker machen! Wir sollten offen(er) mit der eigenen Menstruation umgehen und Hygieneartikel nicht krampfhaft vor Mitmenschen, Partnern und den eigenen Kindern verstecken.“ Vielleicht schwappt ein bisschen von dieser Entspanntheit dann auch in die Gesamtgesellschaft über, wo uns Binden- und Tamponwerbung immer noch vermitteln, seine Periode zu haben bedeutet, mit seidig schimmerndem Haar und voller Energie aus dem Bett zu springen. Dazu noch ein bisschen Herumgespringe in Unterwäsche und extrem gute Laune – das alles kann ein Tampon/eine Binde bewirken! Das mag einem lächerlich und unwichtig vorkommen, aber wie Kleen richtig feststellt, hat Werbung Auswirkungen auf unsere körperliche Wahrnehmung und unser Selbstwertgefühl. Die Werbung vermittelt uns, dass wir unsere Periode verstecken und kontrollieren müssen, dass wir uns doch bitte so verhalten sollen, wie man(n) Frauen am liebsten mag: gut gelaunt und perfekt.
Sich einfach mal locker machen
Wer sich periodentechnisch mal locker machen will, ist Das Tage-Buch definitiv die richtige Lektüre. Geschrieben mit viel Witz bereitet es ein manchmal doch etwas kompliziertes Thema gut auf und liefert dabei viele Tipps zum Umgang mit der eigenen Periode. Heike Kleen testet sich durch verschiedene Hygieneartikel und Menstruations-Apps, schreibt über Verhütungsmethoden („Wo geht’s zum Ende aller Tage?“) und vergisst dabei auch die „Rote Revolution“ nicht. Denn bei aller Scham, die das Thema Periode begleitet: Es tut sich etwas. Kleen stellt fest: „Die Frauen auf der ganzen Welt sind nicht länger bereit, die Tabu-Schublade aufzumachen und einen Teil ihres Lebens darin zu verstecken.“ So gibt es Menstruations-Aktivistinnen, die aus ihrem Blut Kunst machen oder mit anderen Aktionen die Enttabuisierung der Periode fordern. Auf dass der Tampon nicht mehr verschämt in der Faust verschwindet – und die gekrümmte Haltung nicht mehr mit „Bauchschmerzen“ erklärt werden muss.