Kolumne // Wieso drehen vor Weihnachten alle durch?
Oder: Let’s care beyond christmas!

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Vergangenen Samstag beging ich den wohl größten Fehler, den man im Dezember jeden Jahres begehen kann: Ich betrat die Hamburger Innenstadt. Na ja. Ich versuchte es zumindest.

Wie irre ist es, dass die Menschen in ihrem Vorweihnachtsrausch derart eskalieren, dass selbst der Straßenverkehr lahmgelegt wird, um genügend Platz für die drölfmilliarden Weihnachtswahnsinnigen zu schaffen?! Sorry, aber es ist mir ein Rätsel, warum jedes verflixte Jahr wieder das Gleiche passiert und die Menschen nicht einfach mal ein paar Monate vorher ihre Geschenke kaufen gehen. Ich meine, wie läuft das ab? „Überraschung, Weihnachten findet dieses Jahr wieder statt!“ – oder wie?

Mir kann doch niemand von den Sardellen in der Blechdose aka. Menschen am Jungfernstieg erzählen, dass es ihnen Spaß macht, sich zwischen Shoppingtüten und Daunenjacken die Haare elektrisieren zu lassen, zwanzig Minuten an der Kasse anzustehen, nur um eine Socke bezahlen zu können oder zwischen den ganzen Weihnachtsbuden und wahlweise Angeheiterten oder Gestressten nur in Zehn-Zentimeter-Schritten voranzukommen. Wer macht denn sowas?! Ich offensichtlich. Dabei wollte ich nur kurz ein Ladekabel kaufen gehen. Keine Chance. Also, Rückwärtsgang eingelegt und raus aus dieser lauwarmen, nach Glühwein riechenden Menschensuppe. 

[typedjs]Wenn es darum geht, ob ich mir gern im Weihnachtswahn die Haare elektrisieren lasse, muss ich leider ablehnen.[/typedjs]

Stattdessen bin ich einfach mal spontan mit meiner besten Freundin ans Meer gefahren. Ganz im Ernst: Das ist das Beste, was man in dieser Zeit machen kann. Vorausgesetzt man muss nicht selbst noch für Mama, Papa, Oma, Bruder, Nichte, Neffe, Tante, Onkel, Cousin, Freund, beste Freundin, zweitbeste Freundin, drittbeste Freundin und Hund Geschenke klar machen.

Was mich betrifft: Ich habe diesen Stress gar nicht. Nie. Denn ich hab seit etwa fünf Jahren mit den liebsten Leuten in meinem Leben den Deal geschlossen, dass wir uns gegenseitig nichts zu Weihnachten schenken. „Och, das ist aber traurig“, sagen einige, wenn sie davon hören. Wieder andere reagieren mit der Aussage: „Oh, macht es dir denn keinen Spaß, deinen Liebsten etwas zu schenken?“. Ähm, natürlich. Aber wenn es darum geht, mich mit allen anderen in diesen Weihnachtswahnsinn zu schmeißen, dann kann ich darauf getrost und ziemlich energisch mit dem Kopf schütteln.

Soweit ich allerdings denken kann, gibt es genügend andere Tage im Jahr, an denen ich meinen Liebsten eine Kleinigkeit mitbringen kann – eben immer dann, wenn mir danach ist, wenn ich etwas besonderes gefunden habe und gleich eine Person im Kopf habe, die ich damit unendlich glücklich machen dürfte. Außerdem gibt es ja immer noch Geburtstage. Also feste Geschenk-Dates, die zwar nicht im Kollektiv mit drölfmilliarden Menschen zelebriert werden, dafür aber mit einer Handvoll Freund*innen.

Aber warum sollte ich denn meinem Onkel zur Geburt Jesu eine Krawatte mit Fischprint schenken? Wenn ich ihn gern habe und der Meinung bin, die Krawatte mit Fischprint würde sein Leben positiv verändern, könnte ich ihm die doch auch einfach im September schenken oder im März oder nicht? Doch nur weil alle anderen etwas an einem einzigen Tag zelebrieren, muss ich bei diesem Wahnsinn nicht auch noch mitmachen.

Ich verstehe vollkommen, wenn man um die Weihnachtszeit herum intensiver daran erinnert werden soll, den Armen und Bedürftigen gegenüber großzügig und hilfsbereit zu sein. Das find ich klasse. Aber auch da bin ich eher im Team „Warum nicht schon im Mai?“. Mal Hand aufs Herz, die meisten – klar, nicht alle, aber die meisten – kaufen doch eh nur unter Strom auf den letzten Drücker irgendetwas, um an diesem heiligen Abend unnötigen Quatsch überreichen zu können. Aber das ist doch bitte nicht der Sinn der Sache, oder will mir jemand widersprechen?

Lange Zeit war ich mit dieser Meinung völlig allein, aber so allmählich finde ich im Freundeskreis und in bewusster lebenden Kreisen Gleichgesinnte. Und sogar ein Brand teilt diese Einstellung zum Konsum: Natürlich das deutsche Fair Fashion Label Armedangels. Das Team hinter dem Kölner Eco-Brand hat in diesem Jahr nämlich die „No Xmas Campaign“ gestartet – und genau die ruft dazu auf, speziell in der Weihnachtszeit bewusst und nachhaltig zu konsumieren. Damit die Menschen quasi beim Shoppen nicht vollkommen ausrasten und wahllos irgendwelche Geschenke kaufen, sondern mit Köpfchen beschenken. Eben nicht aus der Not heraus und weil es dieser Tag vermeintlich vorschreibt, sondern weil das Herz es sagt und hoffentlich sogar Gutes drin steckt..

Ganz schön mutig, dachte ich noch, als ich davon hörte. Denn eigentlich ist die Modebranche ja besonders darauf aus, dass die Menschen zur Weihnachtszeit eskalieren, um Geld zu verdienen. Dass Fair Fashion Label klammert sich an dieser Stelle allerdings aus, legt mehr Wert auf Nachhaltigkeit als auf Profit und denkt langfristiger: Das passt zur Philosophie und beweist uns ein weiteres Mal, dass das Herz hier tatsächlich am richtigen Fleck sitzt.

Unter dem Motto „Let’s care beyond christmas“ rufen sie außerdem dazu auf, nicht nur im Dezember Gutes zu tun, sondern das ganze Jahr über aufmerksam zu sein oder lieben Menschen eine Freude zu machen. Und weil ich das ganz genauso sehe, kann ich an dieser Stelle nicht anders, als für diese Aktion kräftig die Werbetrommel zu rühren. Endlich jemand, der mich versteht, statt mich zu bemitleiden.

Da ich also fortan wusste, dass ich also nicht mehr ganz allein da stand, hätte ich zumindest in meinem Freundeskreis am liebsten gleich mal eine Demo gestartet – mit selbstgebastelten Schildern und allem, was dazugehört.

Aber okay, damit wäre ich in der weihnachtswütigen Menschenmasse und vor allem am Jungfernstieg in diesem Jahr wahrscheinlich eh untergegangen. Also schnappte ich mir statt eines Demoschildes meinen riesigen Armedangels-Schal, mummelte mich fernab des Weihnachtswahnsinns am Meer einfach darin ein und schrieb diese Kolumne. Dürfte ja auch als kleines Statement durchgehen, oder nicht?

– In freundlicher Zusammenarbeit mit Armedangels –

3 Kommentare

  1. toni

    Schade das hinter diesem Text eine bezahlte Kooperation steht und damit wiederrum zum Konsum (wenn auch zum nachhaltigen, was zu begrüßen ist) angeregt wird.

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  2. Lucia

    Tolle Sache, ich finde es super, dass es mittlerweile einige nachhaltige Firmen gibt, die sich gegen unser gestörtes Konsumverhalten aussprechen. Zum Back Friday gab es auch ein paar Labels, die die Leute bewusst dazu ermutigt haben, gar nichts zu kaufen. Wirklich stark!
    Ich habe diesen vorweihnachtlichen Wahnsinn auch nie verstanden und dieses Jahr haben wir innerhalb der Familie beschlossen, uns nichts zu schenken und das Geld stattdessen lieber zu spenden.
    Jetzt rede ich die ganze Zeit über das Nichtkonsumieren und wüsste dennoch gerne wo du deinen Pullover her hast 😀 Haha

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  3. Stephan Pinkwart

    Ja, der Kaufrausch zu Weihnachten nimmt immer weitere Züge und ist kaum zu bremsen. Immer wieder mehr kaufen, mehr schenken und ja nicht irgendjemanden vergessen. Immer mehr, höher, weiter. Dein Satz stimmt vollkommen, wenn du sagst, das ich auch übers Jahr die Leute beschenken kann, aber die meisten wollen halt nicht. Genauso haben wir in der Familie auch gesagt, das wir uns nichts schenken wollen und dabei bleibt es auch. Aber es werden immer noch Millionen über Millionen Leute in die Kaufhäuser stürmen und alles leerfegen 😉

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