Beziehungsstatus: Es ist kompliziert. Die Feminismen und ich, wir gehen seit Jahren durch Dick und Dünn, aber auch durch Höhen und Tiefen. Das liegt vermutlich vor allem daran, dass mir kaum ein anderes Thema, über das ich schreibe, so sehr am Herzen liegt. Daran, dass sich die Gesellschaft, in der wir leben, konstant verändert (oder auch nicht), daran, dass ich mich selbst verändere und auch die ein oder anderen Umstände. Und so kam es, dass ich jahrelang ausschließlich Girl Power auf Notizblöcke und auch ins Internet gekritzelt habe, wie selbstverständlich. Und ich würde es immer wieder tun. Nicht aber, ohne meine Zweifel an einer Bewegung auszusprechen, von der ich selbst Teil bin, nicht, ohne meine eigenen Gedanken immer wieder zu justieren – und eben auch an „die andere Seite“, an das Facettenreichtum der Menschheit zu denken. Vielleicht liegt mein permanentes Hinterfragen eines Begriffes, der für viele Betrachtende etwa weiterhin die Exklusion von Männern impliziert, sogar daran, dass ich einen Sohn habe. Einen, der gern macht, was er will. Der im Sommer seine Fußnägel mit buntem Lack verziert und sich immer wieder kleinen Mädchen entgegen stellen muss, die ihm selbiges verbieten wollen: „Das dürfen Jungs aber doch gar nicht, sagt meine Mama!“ Oder sogar lachen.
Das ist erst einmal nicht schlimm, denn keine einzige vergleichbare Situation konnte bisher nicht zum Guten gewendet, zu einem Miteinander werden. Und trotzdem frage ich mich regelmäßig: Was wird da noch alles kommen? Ist es richtig, dass wir so viel und laut über Frauenrechte und die Zukunft von Mädchen sprechen? Ja, ganz eindeutig. Eine selbsterklärende, fast rhetorische Frage – wenn man Feminismus als etwas universelles betrachtet, das über den eigenen Vorgarten hinaus gedacht werden muss. Gerade deshalb denke ich, dass die vierte Welle des Feminismus mehr als das Bestreben einer allumfassenden Gleichstellung der Frau beinhaltet. Mehr als den Women’s March, mehr als #MeToo, mehr als die Anerkennung und Achtung der Menschenwürde von Frauen auf der ganzen Welt. Wer etwa die gleichen Rechte fordert, die Männer haben, der sollte vorsichtig sein. Und zunächst einmal sicher sein, dass Männer auch dieselben Rechte wie Frauen haben. Nur so kann ein gesundes Gleichgewicht entstehen, eine Gesellschaft, von der wir träumen. Der moderne Feminismus (oder die modernen Feminismen) muss in meiner Vorstellung also sämtliche Geschlechter inkludieren. Er muss, ganz einfach gesagt, an alle denken (dürfen).
Der Feminismus, nein, mein Feminismus (denn es gibt ja so viele), muss sich vom doch sehr omnipräsenten Schwarzweißdenken distanzieren dürfen, ohne am Ende vor dem Vorwurf zu stehen, überhaupt kein Feminismus mehr zu sein. Er muss sich vor allem von dem Hass „gegen die anderen“ abwenden dürfen. Die anderen, das sind manchmal „die schlechteren Feministinnen“, manchmal „die Cis-Männer“, manchmal „die Weißen“, oder die, „die (in) Fragen stelle(n)“. Hass kann nicht (mehr) das Werkzeug unserer Wahl sein. Ja, wir dürfen weiterhin wütend sein, sogar toben. Wir müssen, weil noch längst nicht alles geschafft ist, weil sonst im schlimmsten Fall auch Rückschritt droht, weil es weiterhin indiskutable Missstände und Parteien wie die AfD gibt. Auf dieser langen, zum Teil anstrengenden Reise sollten wir aber niemals vergessen, dass wir Respekt zeigen müssen, um respektiert zu werden, dass wir besser mit gutem Beispiel vorangehen, also anderen zuhören und unterschiedliche Meinungen gelten lassen, statt jedes Für und Wider gleich im Keim zu ersticken. Am Ende, da bin ich mir fast sicher, wollen viele, viele, viele von uns nämlich das Selbe: Gerechtigkeit. Ebenjene kann aber nur hergestellt werden, wenn die Menschen verstehen. Wenn sie sich gegenseitig verstehen. Dazu allerdings muss zunächst zugehört werden. Dazu müssen wir uns gegenseitig zuhören. Vielleicht stellen wir dann ja eines Tages fest, dass es zusammen viel besser geht als gegeneinander.
Wie ich gerade jetzt darauf komme? The Red Pill ist Schuld daran, ein von Cassie Jaye gedrehter Dokumentarfilms über die Männerrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten (men’s rights movement), der am 7. Oktober 2016 in New York City uraufgeführt wurde und mittlerweile bei Amazon verfügbar ist. Heute lege ihn euch ans Herz. Nicht, weil ich allem Gezeigten und Gesagtem lückenlos zustimmen würde. Nicht, weil ich für die gezeigte Männerbewegung im spezifischen bin. Aber weil dieser Dokumentarfilm aufklärt, Gefühle zeigt, zu verstehen hilft und uns bewusst macht, dass wir (Feministinnen) fortan vielleicht noch deutlicher für Menschen kämpfen sollten, statt nur für ein bestimmtes Geschlecht. Und dass die vermeintlichen „Anderen“ nicht immer nur „die Bösen“ sind, sondern manchmal exakt im selben Boot sitzen – vielleicht nur auf der gegenüberliegenden Seite.