Doku-Tipp // The Red Pill – A Feminist´s Journey into the Men’s Right’s Movement

11.01.2018 box3, Feminismus, Film

Beziehungsstatus: Es ist kompliziert. Die Feminismen und ich, wir gehen seit Jahren durch Dick und Dünn, aber auch durch Höhen und Tiefen. Das liegt vermutlich vor allem daran, dass mir kaum ein anderes Thema, über das ich schreibe, so sehr am Herzen liegt. Daran, dass sich die Gesellschaft, in der wir leben, konstant verändert (oder auch nicht), daran, dass ich mich selbst verändere und auch die ein oder anderen Umstände. Und so kam es, dass ich jahrelang ausschließlich Girl Power auf Notizblöcke und auch ins Internet gekritzelt habe, wie selbstverständlich. Und ich würde es immer wieder tun. Nicht aber, ohne meine Zweifel an einer Bewegung auszusprechen, von der ich selbst Teil bin, nicht, ohne meine eigenen Gedanken immer wieder zu justieren – und eben auch an „die andere Seite“, an das Facettenreichtum der Menschheit zu denken. Vielleicht liegt mein permanentes Hinterfragen eines Begriffes, der für viele Betrachtende etwa weiterhin die Exklusion von Männern impliziert, sogar daran, dass ich einen Sohn habe. Einen, der gern macht, was er will. Der im Sommer seine Fußnägel mit buntem Lack verziert und sich immer wieder kleinen Mädchen entgegen stellen muss, die ihm selbiges verbieten wollen: „Das dürfen Jungs aber doch gar nicht, sagt meine Mama!“ Oder sogar lachen.

 

Das ist erst einmal nicht schlimm, denn keine einzige vergleichbare Situation konnte bisher nicht zum Guten gewendet, zu einem Miteinander werden. Und trotzdem frage ich mich regelmäßig: Was wird da noch alles kommen? Ist es richtig, dass wir so viel und laut über Frauenrechte und die Zukunft von Mädchen sprechen? Ja, ganz eindeutig. Eine selbsterklärende, fast rhetorische Frage – wenn man Feminismus als etwas universelles betrachtet, das über den eigenen Vorgarten hinaus gedacht werden muss. Gerade deshalb denke ich, dass die vierte Welle des Feminismus mehr als das Bestreben einer allumfassenden Gleichstellung der Frau beinhaltet. Mehr als den Women’s March, mehr als #MeToo, mehr als die Anerkennung und Achtung der Menschenwürde von Frauen auf der ganzen Welt. Wer etwa die gleichen Rechte fordert, die Männer haben, der sollte vorsichtig sein. Und zunächst einmal sicher sein, dass Männer auch dieselben Rechte wie Frauen haben. Nur so kann ein gesundes Gleichgewicht entstehen, eine Gesellschaft, von der wir träumen. Der moderne Feminismus (oder die modernen Feminismen) muss in meiner Vorstellung also sämtliche Geschlechter inkludieren. Er muss, ganz einfach gesagt, an alle denken (dürfen).

Der Feminismus, nein, mein Feminismus (denn es gibt ja so viele), muss sich vom doch sehr omnipräsenten Schwarzweißdenken distanzieren dürfen, ohne am Ende vor dem Vorwurf zu stehen, überhaupt kein Feminismus mehr zu sein. Er muss sich vor allem von dem Hass „gegen die anderen“ abwenden dürfen. Die anderen, das sind manchmal „die schlechteren Feministinnen“, manchmal „die Cis-Männer“, manchmal „die Weißen“, oder die, „die (in) Fragen stelle(n)“. Hass kann nicht (mehr) das Werkzeug unserer Wahl sein. Ja, wir dürfen weiterhin wütend sein, sogar toben. Wir müssen, weil noch längst nicht alles geschafft ist, weil sonst im schlimmsten Fall auch Rückschritt droht, weil es weiterhin indiskutable Missstände und Parteien wie die AfD gibt. Auf dieser langen, zum Teil anstrengenden Reise sollten wir aber niemals vergessen, dass wir Respekt zeigen müssen, um respektiert zu werden, dass wir besser mit gutem Beispiel vorangehen, also anderen zuhören und unterschiedliche Meinungen gelten lassen, statt jedes Für und Wider gleich im Keim zu ersticken. Am Ende, da bin ich mir fast sicher, wollen viele, viele, viele von uns nämlich das Selbe: Gerechtigkeit. Ebenjene kann aber nur hergestellt werden, wenn die Menschen verstehen. Wenn sie sich gegenseitig verstehen. Dazu allerdings muss zunächst zugehört werden. Dazu müssen wir uns gegenseitig zuhören. Vielleicht stellen wir dann ja eines Tages fest, dass es zusammen viel besser geht als gegeneinander.

Wie ich gerade jetzt darauf komme? The Red Pill ist Schuld daran, ein von Cassie Jaye gedrehter Dokumentarfilms über die Männerrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten (men’s rights movement), der am 7. Oktober 2016 in New York City uraufgeführt wurde und mittlerweile bei Amazon verfügbar ist. Heute lege ihn euch ans Herz. Nicht, weil ich allem Gezeigten und Gesagtem lückenlos zustimmen würde. Nicht, weil ich für die gezeigte Männerbewegung im spezifischen bin. Aber weil dieser Dokumentarfilm aufklärt, Gefühle zeigt, zu verstehen hilft und uns bewusst macht, dass wir (Feministinnen) fortan vielleicht noch deutlicher für Menschen kämpfen sollten, statt nur für ein bestimmtes Geschlecht. Und dass die vermeintlichen „Anderen“ nicht immer nur „die Bösen“ sind, sondern manchmal exakt im selben Boot sitzen – vielleicht nur auf der gegenüberliegenden Seite. 

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11 Kommentare

  1. Antje

    Puh. Habe mir bis jetzt nur den Trailer angeschaut, da die Doku noch nicht zu finden war, aber…
    Mir ist die Annahme, dass Feminismus evtl Männer und ihre Probleme exkludiert total fremd, da die Auseinandersetzung damit, toxische Männlichkeit und das Patriarchat ihrer Machtstellungen zu berauben doch nicht gleichzusetzen ist damit, dass Männer ausgeschlossen werden. Das eine Bewegung sich zunächst einmal darum kümmert, die Probleme derer mit weniger Privilegien zu bearbeiten und ihre Schutzräume gegenüber einer weiteren Besetzung „männlicher“ Thematiken verteidigt ist doch verständlich. Der Witz ist doch: das was Männerrechtler beschreiben, worunter sie leiden, sind doch eben genau Effekte des Patriarchats und einer toxischen Männlichkeit. Und ja, das ist schlimm, aber der Schluss daraus ist doch sooo falsch. Why blame Feminism oder jede Form von Bewegung die versucht, diese Machtsysteme (hoffentlich auf intersektionale Art und Weise) zum Wanken oder Einstürzen zu bringen? Wann haben Männer denn dafür gekämpft, dass es anderen Männern besser geht, anstatt weiter die Systeme zu unterstützen, die sie – je nach Stellung, Class, Race… – mit Privilegien ausstatten?!
    Sorry, aber da wäre ja jahrhundertelang Zeit und Möglichkeit gewesen, aus der männlichen Machtposition heraus egalitäre Gesellschaftssysteme aufzubauen. Aber klar, die Frauen* sollen dann wieder die Care Arbeit leisten und sich kümmern. Das ist doch absurd. (Abgesehen davon, dass sie es schon tun, denn jede Arbeit an Gleichberechtigung und Emanzipation wird auch Männern* zugute kommen.)

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  2. Kathrin

    Liebe Nike, du sprichst mir aus dem Herzen. Liebe Antje, es geht Nike glaube ich nicht darum, dass wir Feministinnen jetzt tatsächlich aktiv für Männerrechte kämpfen sollen, sondern eher um das große Ganze. Ich sehe die Enwticklung der feministischen Bewegung gerade auch manchmal kritisch, gerade WEIL Feminismus mir wichtig ist als Thema und Lebenseinstellung. Viele meiner männlichen Freunde fühlen sich zum Beispiel ausgegrenzt, wenn sie bei einer Demo für die Gleichberechtigung von Menschen mitlaufen, vor allem für uns Frauen, während eine der Veranstalterinnen plötzlich anfängt über „weiße privilegierte Männer“ zu schimpfen. Natürlich meint sie damit nicht alle. Aber wie oft habe ich sogar schon hier in den Kommentaren sowas wie „Hass“ gespürt, wenn „weißer privilegierter Mann“ als Argument, weshalb xy ein Arschloch ist, benutzt wurde… Es ist einfach nicht gerecht, anzunehmen, man sei 2017 das einzige Geschlecht, das unter Benachteiligung leidet. Es sind nur verschiedene Bereiche (hierzulande). Ich bezweifle dass meine Kumpels in unserem Alter etwas für die Strukturen des Patriarchats können, von denen du sprichst. Oder sind wir jetzt bei so etwas wie einer Erbsünde angelangt?

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  3. Antje

    Ok, nochmal Puh 😉 Liebe Kathrin, da du mich persönlich ansprichst, möchte ich nochmal antworten: ich würde dich bitten, meinen Kommentar nochmal zu lesen, du kontextualisierst ihn nämlich mit Aussagen, die ich gar nicht mache. Ich sage doch, dass Feminismus eine Befreiung für alle darstellt, weil der Sideeffekt der Emanzipation, wenn sie den intersektional geschieht, eine bessere Welt für alle – also das große Ganze – bedeuten könnte. Und ich kann an meinem Kommentar auch nicht erkennen, dass ich deine Kumpels oder meine in einer Art der Erbsünde für Dinge verantwortlich mache, wenn ich darauf aufmerksam mache, dass es doch nicht kontextlos so ist, dass auch Männer* in dieser Scheisse stecken. Nur stecken manche* einfach mal tiefer in der Scheiße, und wenn die dann noch diejenigen rausziehen sollen, die es vielleicht selbst schaffen würden, wenn sie SOLIDARISCH handeln würden, dann frage ich mich, inwiefern dass nicht nur eine Wiederholung bereits bestehender Machtverhältnisse darstellen würde. (Interessanterweise sind diese Männerrechtler alle WEISS, und zB ist es in den USA so, dass die meisten Soldaten, die im Krieg sterben, POCs und Schwarze sind. Komisch, dass die da im Trailer nicht auftauchen, oder?)
    Ich bin froh, dass ich so viele feministische/kritische (das eine, das andere oder auch beides zusammen) Freunde habe und du anscheinend auch, ist doch super! Aber: auch deine oder meine Kumpels profitieren von Privilegien (ich übrigens auch, zB wird mir als weißer Cis-Frau aus der Mittelschicht anders zugehört oder ich habe andere Zugänge zu Jobs als zB WoC oder Trans und non-binary Menschen) und da gibt es schon eine Verantwortung, wenn diese Privilegien benannt werden, einfach mal ruhig zu bleiben und sich zu fragen, was kann ich denn eigentlich tun anstatt sich persönlich angegriffen zu fühlen. Was oft durchaus schwer und ein Lernprozess ist. Und by the way: wir können ALLE etwas dafür, dass die Strukturen so sind wie sie sind, weil wir in ihnen leben und sie dadurch auch leider internalisiert haben, auch wenn wir sie nicht „erfunden“ haben.

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  4. Gisa

    Liebe Antje,
    ich glaube, ich verstehe es nicht:
    Sagt Nike etwas, das gegen das spricht, von dem du hier redest?
    Ich sehe da gar keine richtige Diskrepanz in der Kernaussage?
    Ich kann mich Nike nur anschließen. Seit ich Gender Studies zu meinem Fach gemacht habe, treffe ich häufig auf Hassende. Das fühlt sich schon lange nicht mehr kämpferisch und richtig, sondern bedrückend an.

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    1. Lilli

      Um es vielleicht mit einem sehr einfachen Beispiel zu verdeutlichen: Männerrechtler beschweren sich ja z.B sehr häufig darüber, dass nach einer Scheidung die Kinder der Frau zugesprochen werden. Dies liegt einfach daran, dass sich aufgrund der herrschenden Geschlechterrollen (Frau hütet Kinder, Mann arbeitet) die Frau schon vorher die Care Arbeit geleistet hat und dementsprechend auch nach einer Scheidung/Trennung als geeigneter gilt, weil sie bereits Abstriche gemacht hat. Strukturen, die also jahrzehntelang von Männern forciert und gelebt wurden, werden plötzlich angeprangert, weil sie den Männern im Fall von Scheidnung/Trennung plötzlich zum Nachteil werden. Statt diese Strukturen zu kritisieren, werden dann aber wieder die Frauen kritisiert und das ist doch einfach nur traurig und wie Antje bereits oben schrieb ein völlig falsch gezogener Schluss.

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  5. Antje

    Ich glaube, ich sage vornehmlich etwas gegen Männerrechtler und nichts gegen Nike. Ich kommentiere, um was hinzuzufügen, was mir eben durch den Kopf gegangen ist.

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  6. Sara

    POC, Cis-Frau, WoC, non-binary Menschen. Nach ausgiebigem google-n wieder was gelernt! was es alles für Abkürzungen gibt..

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  7. Sarah

    Ich habe den Film nicht bei Netflix, aber bei amazon prime gefunden, falls ihn jemand anschauen möchte.

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  8. Gisa

    Ich glaube, da sind wir uns ALLE einig. Deshalb steht da ja auch, dass nicht allem zugestimmt wird. Ich verstehe aber, dass man vor allem als Mutter und Freundin denken kann: das ist auch ungerecht gegenüber unserer Generation und der, die folgt, weil viele an diesen Missständen NICHT aktiv mitgewirkt haben. Ich verstehe die Doku eher als Appell an gegenseitige Empathie und finde sie deshalb neben all den wichtigen feministischen Beiträgen, die allein auf Frauen im speziellen abzielen, als hilfreich und aufklärend.

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  9. Amel Lariani

    Ich kenne die Doku und mache ähnliche Erfahrungen in der Wirtschaft. Männer, die unter der Last ihrer Aufgabe zu zerbrechen drohen, doch entspricht das nicht dem Rollenbild eines Mannes. Haben wir überhaupt noch eine gläserne Decke? Was ich sehe spricht dagegen: Finnland Santa Marin führt eine 36 Stunden Woche und 4 Tage ein und Luis Neubauer, die den Vorstandsposten ablehnt und Siemens verklagt. Die Welt ist gefangen in ihren Themen, jeder in seinem und das ganz beharrlich. Da schaue ich lieber auf das große Ganze und die Zukunft meines Sohnes, unserer Kinder.

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