Instagram – manchmal lieber kopflos

15.01.2018 Mode

2018 scheint ein kopfloses Jahr zu werden. Es kann schließlich kein Zufall sein, dass mir mein Instagram-Feed nach einer kleinen Wochenend-Abstinenz plötzlich 5 Bilder in Folge ausspuckte, auf denen kein einziger Kopf zu sehen war. Das war heute Morgen. Auf dem Weg zum Büro, ein paar Minuten später, fragte ich mich noch immer, woran das wohl liegen könne. Ob mir da tatsächlich ein, wenn man das so überhaupt sagen kann, Posing-Trend vor die Füße gefallen war. Warum das Gesicht plötzlich keine Rolle mehr zu spielen scheint. Haben wir es hier mit bloßem Kokettieren zu tun? Mit zufällig ausgewählten Schnappschüssen, vielleicht, weil die Gesichter optisch allesamt noch in den Federn lagen? Oder mit einer bewussten Handlung. Ich tippe auf letzteres. Und finde das gar nicht mal so verkehrt. Aber trotzdem verstörend. 

Als professionelle Instagrammerin, so sagt man, müsse man entweder sehr stringent sein, also im Prinzip immer das Selbe ins Internet abfeuern (Ich am Strand auf Bali, ich am Strand auf Madagaskar, ich am Strand in Frankreich, und so weiter und so fort), oder aber vor Kompositions-Varianz nur so strotzen. Es läge also sehr nahe, hin und wieder ein bisschen künstlerischen Schwung in die Bude zu bringen und sei es nur durch das geschickte Anschneiden von Körpern oder das inszenierte Versteckspiel (Kopf hinter Handy, Kopf hinter Blume, Kopf hinter Hand). – Eine sehr sachliche Erklärung, die vermutlich wahr ist, mir aber irgendwie nicht ausreicht.

 

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Wenn ich nämlich so darüber nachdenke, weshalb ich selbst derzeit überhaupt nur sehr selten Bilder veröffentliche, dann hat das vor allem etwas damit zu tun, dass ich mein eigenes Gesicht nun schon über 1000 Mal gesehen habe, dass gefühlt immer alles gleich aussieht (ich stehe eigentlich immer irgendwo rum) und ich noch dazu schnellen Schrittes auf die 30 zusteuere, mit einem Protest-Pony, der gern gen Himmel zeigt. Ich frage mich dann manchmal: Reicht es nicht langsam mit dem Stress und auch mit dem Kopf? Ebenjener macht nämlich zunehmend, was es will und damit meine ich keineswegs den Alterungsprozess, sondern vielmehr diese sichtbare Gefühlsebene, die für gewöhnlich ja von der allseits antrainierten Foto-Schnute überdeckt wird. Ich stelle mir jetzt also vor, ich wäre durch meinen Beruf darauf angewiesen, tagtäglich gleich mehrere Fotos von mir selbst zu posten – ich würde mich irgendwann auch hinter meinen Händen verstecken. Zum Beispiel, wenn mir eigentlich übel wäre von zu viel Kaffee am Morgen. Wenn ich eigentlich todmüde wäre wegen der langen Nacht. Wenn ich eigentlich sauer wäre, weil die Katze wieder auf den Teppich gemacht hat. Wenn ich eigentlich traurig wäre, weil mein Partner ein blöder Puter war, wenn ich eigentlich Brechdurchfall hätte. Oder, viel wahrscheinlicher, wenn ich in Wahrheit wirklich keine Zeit zu duschen hatte. Es ist also vor allem praktisch, das eigene Gesicht zu verstecken und irgendwie ehrlich. Aber auch pathetisch.

Denn da klebt ja noch eine weitere Frage im Raum, die viel älter ist als Soziale Medien: Kann man die Kunst vom Künstler, bzw. der Künstlerin trennen? Darf man das? Muss man das? Überträgt man dieses bedeutungsschwangere Dilemma jetzt auf Instagram, klingt es etwas drastischer: Sind (wir) Instagramerinnen und Instagramer tatsächlich nicht viel mehr als lebende Kleiderstangen? Ist es egal, wer wir (oder sie) sind, Hauptsache die Klamotte stimmt? Oder ist es andersherum: Geben wir (sie) der Kunstform Mode oder der Fotografie durch das Weglassen unserer (ihrer) überflüssigen Gesichtszüge endlich den Fokus zurück und das Wesentliche, das Rohe wieder, das lange von Schein-Persönlichkeiten verschlungen wurde? Es stimmt ja: Weniger Kopf, mehr Körper, ergo: mehr Outfit. 

Nun, ich weiß es nicht. Ich vermute bloß, dass es eine Mischung aus allem und vor allem praktisch ist. Manchmal macht der Kopf nicht, was er er soll, manchmal schaut der eigene Kanal aus wie ein trauriger, abwechslungsloser Tropf, der nach neuen Posen verlangt, manchmal sind da Augenringe, manchmal will auch ganz grundlos kein einziges Foto gelingen und manchmal möchte man der Welt da draußen vielleicht auch einfach mal wieder mitteilen, dass man sich nicht allzu viel auf das eigene Antlitz einbildet, dass man auch mal Kaffee trinkt, Blumen bindet oder nach links schaut. Dass Aussehen (in diesem Fall speziell obenrum) nicht alles ist, so als Gegentrend zu aufgeblasenen Lippen).  Was wiederum ein bisschen schräg ist, denn das Schießen von Selbstportraits bleibt ja trotzdem wichtig, genau wie die Inszenierung der eigenen Person, egal, was wir nun von uns zeigen. Ich frage mich im Grunde also vielmehr, mit welcher Art der Selbstinszenierung ich mich in Zukunft weiterhin wohlfühlen könnte. Die kopflose Variante jedenfalls würde mir gerade tatsächlich ganz gut in die Karten spielen. 

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4 Kommentare

  1. Jenni

    Passend, dass dieser Text mir heute aus meinem Feedreader entgegenspringt: Ich habe gestern erst getwittert, dass ich mich sehr „raus“ aus diesem Selfie-Ding fühle (obwohl ich sagen muss, dass das eh noch nie wirklich meins war). Unter anderem, weil mir das einfach oft mehr (selbstgemachten) Stress als Empowerment oder ein gutes Gefühl bringt. (Und ich denke, dass es spannendere Sachen zu zeigen gibt als mich selbst.)
    Bei mir haben sich daher seit längerem – wenn ich überhaupt mal ein Bild von mir poste – auch nur die kopflose Rumpf-Varianten eingeschlichen. #rumpfies, sozusagen. Aber wenn die sich jetzt durchsetzen, bin ich ja gut aufgestellt. 🙂

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  2. Alison

    Ich hab mal irgendwo gelesen, dass sich Menschen eher inspiriert fühlen, wenn sie kein Gesicht dazu sehen. In der Art “das könnte ich auch sein“. Das gibt wohl mehr likes. Es gibt auch instagram Userinnen, die Outfit Bilder nur ohne das Gesicht zu zeigen posten. Diese Bilder werden auch sehr gerne von größeren Seiten wie Brands oder so geteilt. Ich für meinen Teil folge lieber jemanden, den ich “kenne“ sprich das Gesicht sehen kann. Aber das ist ja zum Glück jedem selbst überlassen

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