Ich wusste ganz sicher, dass William Fans Closing-Show bei dieser Fashion Week ein Höhepunkt werden dürfte, dass wir auch in diesem Jahr wieder komplett berauscht werden würden und nichts außer Stolz unser Herz erfülle. Aber das, was uns letztendlich erwartete, übertraf noch einmal alles:
Aber alles auf Anfang! William wünschte sich im Vorfeld nichts sehnlicheres, als uns zu unterhalten. „Hinsetzen und genießen“ sollten wir uns, mehr nicht. So entspannt wie er selbst, sollten wir auch sein, nur eine Kleinigkeit, mache ihn noch etwas unruhig: Ein Model wäre ihm kurz vor knapp nämlich noch abgesprungen und Ersatz schien noch nicht in Aussicht. Also scherzte ich mit vermeintlicher Hilfsbereitschaft, den Job doch ganz einfach übernehmen zu können und bugsierte mich in eine Nummer, außer der ich erstmal gar nicht rauskommen sollten. Glucksend winkte ich ab: „Kein Problem“. Empfand William ganz genauso und sah mich vor seinem inneren Auge schon perfekt zum Konzept passen. Nach Schnappatmungsanfällen und mehreren Überzeugungsversuchen, ich sei eine ganz schlechte Partie, konnte ich ihn am Ende allerdings doch noch davon abhalten, die wohl schlechteste Model-Besetzung der Welt zu werden – oder auch nicht: Denn William Fan schickte neben professionellen Models eben auch ganz normale Menschen über den „Lauftsteg“ und bildete damit den Querschnitt einer Gesellschaft ab, der sich nur hier tummeln konnte:
In einem Restaurant! Genauer gesagt, in einem asiatischen Restaurant, das fernab von hippen Rohkostläden mit dieser Lage, dieser Inneneinrichtung und diesem köstlichem Essen an so manch eine Kindheit erinnerte, an längst vergessene Abende mit der ganzen Familie, mit Frühlingsrolle und Buffet. Ich weiß jedenfalls nicht, wann ich das letzte Mal ein so traditionell eingerichtetes, asiatisches Restaurant betreten habe – und eines steht fest: William hat im Berliner Nikolaiviertel eine wahre Perle für seine Show auserkoren, die er selbst regelmäßig besucht und die mindestens jeder zweite Gast an diesem gestrigen Abend ganz sicher ein zweites und drittes Mal ausfindig machen dürfte – so viel steht schon jetzt fest.
Und so hat es dieser William Fan wieder einmal geschafft, eine ganz besondere Magie herzustellen: Der Designer erzählt seine eigene Geschichte, die uns allen so nah ist, die wir fühlen können, vor unserem geistigen Auge wieder abrufen wollen und die schönste Erinnerungen weckt. Und so stiegen wir gestern Abend in den Bus an der Haltestelle (vergangene Kollektion) ein und fuhren ins Ngon, einen (von uns) längst vergessenen Ort, der so viel mehr für William ist, als bloß ein ungewöhnlich abenteuerlicher Schauen-Ort:
Der Soundtrack von FAN DYNASTY
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Das Restaurant:
Nach dem schrillen Ausflug in sein Jugendzimmer, fahren wir nun also in das Restaurant von Williams Eltern, das im Nachbarort mit feinster, chinesischer Küche auf uns wartet.
Angekommen im Restaurant setzt sich WILLIAM FAN vertraut an Tisch 1 und fängt an seine Hausaufgaben zu machen. Langsam treffen die ersten Gäste zum Abendessen ein. William beobachtet fasziniert aus der Distanz die unterschiedlichen Charaktere. Sei es die elegant gekleidete Dame, die Großfamilie oder seine Mutter, die zu den Tischen schreitet um die Bestellungen aufzunehmen. Die Szenerie gleicht einem Zusammenspiel unterschiedlichster Handlungssträngen, die die Besucher anonym miteinander interagieren lässt.
Und dieses Bild wird mit Sternchen adaptiert: Models jeden Alters und aus unterschiedlichsten Welten betreten nach und nach das Restaurant. Und wir? Wir stecken praktisch in Williams Haut, sitzen an zugewiesenen Tischen, picken mit unseren Stäbchen kleine asiatische Dumplings, trinken Cola oder Bier und dürfen dabei dem Treiben des Restaurants zuschauen. Wir stecken mittendrin. Es ist ein warmes Durcheinander aus Gerüchen, Geräuschen und wuseligem Miteinander – aus Essen, Küchenlärm, Klangmusik mit chinesischem Gesang und Menschen. Ein ganz normaler Abend aus der Kinderheit William Fans.
Denn FAN DYNASTY widmet William seinen Eltern, die in den 60ern aus Hong Kong nach Europa kamen und als erste Generation ein China Restaurants eröffneten. Eine Besonderheit, wenn ich mich richtig an unsere eigenen Besuche im China Garten erinnere. Es waren Abende, für die man sich mal wieder so richtig aufbrezelte, die man zum Anlass nahm, um den feineren Zwirn rauszukramen.
Was im ersten Moment nur wie ein vollkommen rundes Konzept klingt, birgt so viel mehr: Denn nachdem William und sein Team es bereits geschafft haben, nicht nur Mode, Schuhe, Taschen und Accessoires aus einem Guss zu kredenzen, öffnet sich der Designer (ganz sicher bewusst) den Red Carpet Veranstaltungen und jenen Events, für die manch eine*r gern mal ein bisschen mehr ausgeben mag. Ein kluger Schachzug, um sämtliche Facetten und Alltagssituationen abzubilden, seine Kund*innen in verschiedensten Lebenslagen ein grandioses Kleidungsstück anbieten zu können und für jeden Anlass die perfekte Kreation in petto zu halten. Ein eigentlich nicht zu verbindender Mix aus Workwear und feiner Abendgarderobe funktioniert hier innerhalb nur einer Kollektion allerdings wunderbarst. Zum fünften Mal in Folge hat der Designer übrigens Josepha Rodríguez für das Styling der Show ausgewählt – und das scheint ein Match made in Heaven zu sein. So sehen wir die Stylistin kurz vor der Show komplett tiefenentspannt die Ohrringe für die Models zusammenbiegen, die uns später an kleine Glückskekse erinnern.
Apropos, es macht uns riesigen Spaß, die einzelnen Referenzen seiner Herbst/Winter 2018 Kollektion aufzuspüren und die Verbindungen herzustellen:
- Der Glückskeks findet sich nämlich auch in Form der neuen “Fortune Bag” wieder
- die klassische Kellner-Schürze wandelt William in einen facettenreich anwendbaren Latz um, der nach Lust und Laune drapiert werden darf
- die Kois aus den umstrittenen Aquarien finden sich als Plastik-Badelatsche an den Füßen wieder und unterstreichen ganz nebenbei den Trash-Faktor eines jeden Asia-Restaurants
- ebenso wie das Lurex-Material, das bei William allerdings keinesfalls billig noch altbacken daher kommt, sondern wunderbar funkelt und jeden Look im Handumdrehen für ein schickeres Event kleidet
- perfekt unterschrichen wird das Ganze übrigens von dem typischen 90s Make-Up: Die Powerwelle, konturierte Lippen und die Betonung der Wangenpartie auf der einen Seite, Schnauzbart und die weiche Föhnwelle bei den Herren auf der anderen.
- Die Kollektion von William ist auch in dieser Saison universell und unisex tragbar
- charakteristische Merkmale: Eng zusammengebundene Hosenbeine, überlange Ärmel, die sich ganz einfach hochkrempeln lassen, Layering Deluxe und Fans typisches Karomuster
William Fan scheint also nicht bloß einer der talentiertesten Köpfe der deutschen Modebranche zu sein, der Meisterschüler der Hochschule Weißensee versteht es auch mit Sternchen ein komplett in sich geschlossenes Konzept zu kreieren, vor dem wir nur unseren Hut ziehen können. Und so verknüpft er nicht nicht nur seine eigene Geschichte mit unserer und ruft ganz persönliche Assoziationen in uns hervor, William weiß auch, wer seine Kreationen kauft und lädt zu seiner Show nicht nur ausgewählte Pressevertreter*innen ein, sondern eben auch seine treuesten Kund*innen aus ganz Deutschland. Die Sorge, Mister Fan würde sich also irgendwann ganz vom Acker machen und mit seinem Talent in bedeutendere Modestädte ziehen, können wir euch an dieser Stelle übrigens ein wenig nehmen: Im Gespräch hat der Designer uns nämlich verraten, dass sein Kundenstamm vor allem hier in Deutschland beheimatet ist und er es sich aus diesem Grund wohl vorerst ganz sicher nicht nehmen lässt, weiterhin auch hierzulande zu präsentieren. Hach, William, ein Stein fällt uns vom Herzen!
Der finale Song seiner Show? „Where Do I Begin“ von Andy Williams, der auch nach Feierabend im Restaurant seiner Eltern immer gespielt wurde. Und wir sind schon jetzt ganz aufgeregt, was uns im Sommer 2018, zur nächsten Berliner Modewoche erwarten wird, liebster William. Vielleicht geht’s zurück ins Nachtleben oder nochmal zurück in sein Kinderzimmer. Wir sind gespannt!
Und noch mehr der schönsten Looks der gestrigen Show: