Sie sind nicht so glamourös wie die Oscars, dafür aber – dank musikalischer Performances – oftmals unterhaltsamer: Die Grammys. Am Sonntag wurden die begehrtesten Musik-Trophäen der Welt in New York vergeben. Wie immer gab es dabei jede Menge Überraschungen, Enttäuschungen, Ungerechtigkeiten und emotionale Momente. Eine Übersicht.
Hoch: Carrie Fishers posthumer Gewinn
Prinzessin Leia 4ever! Carrie Fisher gewann den Preis für Best Spoken Word Album für ihre Memoiren The Princess Diarist und stach damit u.a. Bernie Sanders und Bruce Springsteen aus. Die Macht ist wahrlich mit ihr.
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Tief: Kein Grammy für Despacito
Die Grammy hätten endlich endlich die Chance gehabt, ein spanischsprachiges Lied als Song des Jahres auszuzeichnen – stattdessen gewann Bruno Mars mit That’s what I like. Und in der Kategorie, in der Despacito den Sieg so gut wie sicher hatte (Best Pop Duo/Group Performance) gewann aus unerfindlichem Grunde die zwar grundsympathische, aber nun wirklich nicht die Massen erreichende Band Portugal. The Man.
Hoch: Janelle Monáes Rede
Janelle Monáe macht nicht nur futuristische, sexy Musik, sie thematisiert auch immer wieder feministische Themen. Ob in Interviews, auf dem Women’s March oder auf der Bühne der Grammy’s. Monáe fiel die Aufgabe zu, Keshas‘ Auftritt anzusagen – und sie nutzte die Gelegenheit, um Solidarität mit Time’s Up zu zeigen (als einzig*r Ansager*in überhaupt an diesem Abend!) und ein paar Dinge klar zu machen: „And just as we have the power to shape culture, we also have the power to undo the culture that does not serve us well.“ Ihr Mission Statement: „We come in peace but we mean business.“
Hoch: Keshas’ Auftritt
Auch wenn sie keine der begehrten Trophäen mit nach Hause nehmen konnte: Kesha lieferte mit ihrer Performance von Praying den emotionalen Höhepunkt der Veranstaltung. Umgeben von Camila Cabello, Julia Michaels, Cyndi Lauper, Bebe Rexha und Andra Day und begleitet vom Resistance Revival Chorus – allesamt in weiß gekleidet – sang Kesha ihre Power-Ballade und erinnerte damit an ihren eigenen, schwierigen Kampf gegen Sony und den damit einhergehenden zermürbenden Rechtstreit. Wenn es den MeToo-Moment bei den Grammys gab, es war dieser.
Tief: Sonys scheinheiliger Tweet
Nach Keshas Auftritt war Sony sich nicht zu blöd, zu twittern: „No words. All love. #GRAMMYS“. Liebe Menschen bei Sony, nur zu Erinnerung: Ihr habt euch geweigert, Kesha aus ihrem Vertrag zu entlassen, nachdem sie den von euch beschäftigten Produzenten Dr. Luke des sexuellen, körperlichen und emotionalen Missbrauchs beschuldigte. All love? Von wegen. Der Tweet wurde mittlerweile gelöscht.
Hoch: Kendrick Lamars politischer Auftritt
Der Auftritt wäre ohne das U2-Intermezzo vermutlich noch besser gewesen, aber auch so: DAMN!
Tief: Die andauernde Missachtung von Kendrick Lamars Talent
Das Ganze fühlt sich an wie ein Déjà-Vu: In der Rap-Kategorie räumt Kendrick Lamar routinemäßig ab, aber der Preis für das Album des Jahres wird ihm immer und immer wieder verwehrt. Zum dritten Mal in Folge, um genau zu sein. Nichts gegen Bruno Mars, der dieses Jahr mit seinem Album 24K Magic gewann – aber der verdiente Sieger wäre Lamar gewesen: Er bietet den Soundtrack zur (politischen Lage) in den USA, ist originell, bahnbrechend, dringend. Doch das sind Dinge, die bei den Grammys traditionell nicht ausgezeichnet werden. Davon kann auch Beyoncé ein Lied singen, im wahrsten Sinne des Wortes. Was müssen schwarze Künstler*innen wie Kendrick Lamar, Beyoncé oder SZA noch tun, um endlich als die Ausnahme-Talente anerkannt zu werden, die sie sind?
Hoch: Rihannas Auftritt
Ohne Worte.
Tief: Alec Baldwins Woody-Allen-Kommentar
Während immer mehr Schauspieler*innen öffentlich gestehen, dass sie es bereuen, mit Woody Allen gearbeitet zu haben, bleibt Alec Baldwin treu an der Seite seines Kumpels. Am Wochenende, kurz vor der Grammy-Verleihung, warf Baldwin Allens Adoptivtochter Dylan Farrow auf Twitter vor, sie würde über den angeblichen Missbrauch durch Allen lügen. Der entsprechende Tweet wurde mittlerweile gelöscht – Sony (siehe oben) lässt grüßen.
Tief: Miley Cyrus‘ geheuchelte Solidarität
Miley Cyrus ist eine Künstlerin, die vor nicht allzu langer Zeit in einer Woody-Allen-Produktion mitspielte und mit Dr. Luke und Terry Richardson zusammenarbeitete – drei Männer, denen sexueller Missbrauch und Belästigung vorgeworfen werden. Für Miss Cyrus kein Grund, auf dem roten Teppich nicht mit dem Time’s Up-Solidaritätssymbol, einer weißen Rose, zu posieren.
Tief: Die Missachtung von SZAs Talent
2017 war SZAs Jahr: Die US-amerikanische R&B- und Soulsängerin begeisterte die Musikwelt mit ihrem Debütalbum Ctrl und wurde bei den diesjährigen Grammys so oft wie keine andere Künstlerin nominiert (ganze fünf Mal nämlich). Doch am Ende ging SZA ohne Award nach Hause. Warum? Warum?
Tief: Das generelle Frauenproblem der Grammys
Die Grammys haben ein Frauenproblem, das wurde dieses Jahr wieder ganz deutlich. Zwar waren die Nominierungen so progressiv und vielfältig wie noch nie – unter den Nominierten für das Beste Album des Jahres befand sich beispielsweise kein einziger weißer Mann! – aber letztendlich blieb alles beim Alten. Weibliche Talente wie SZA, Lorde oder Cardi B wurden ignoriert, ein Bruno Mars hingegen mit Preisen überhäuft. In der Kategorie Best Solo Pop Performance gewann der einzige nominierte männliche Künstler Ed Sheeran. Und: Alessia Cara war die einzige Frau, die in einer der Hauptkategorien (Bester Newcomer) gewann – nur vier Frauen waren überhaupt in diesen Kategorien nominiert. In einem Jahr, in dem Künstlerinnen mehr denn je institutionelle Unterstützung brauchen und einfordern, um Dinge wirklich zu verändern, werden sie vom Establishment im Stich gelassen.
Hoch: Das Fire and Fury-Castingvideo
Michael Wolffs Trump-Enthüllungsbuch Fire and Fury hat weltweit für Aufsehen gesorgt – kein Wunder also, dass es auch bei den Grammys einen Platz im Rampenlicht bekam: In einem von Moderator James Corden präsentierten Casting-Video bewarben sich verschiedene Musiker*innen wie Cardi B, Snoop Dogg, Cher und John Legend darum, das Fire and Fury-Hörbuch einzusprechen. Doch gegen eine hatten sie alle keine Chance: Hillary Clinton.