Es ist Februar 2018 und ich hänge zwischen den Stühlen – und am Ende des dritten Semesters. Hinter mir liegt ein sehr dunkles Wintertief, das schon im November letzten Jahres begann. Und vor mir liegt eine Klausur sowie gefühlt 20 Abgaben für die Uni. Die Studi-Krankheit hat mich eingeholt: Ich beschwere mich viel über Freiheiten, die mich einschränken, dreistes Lehrpersonal und das ohnehin beschissene System – und denke dabei so oft zurück an die Fabienne vor einem Jahr, die morgens mit freudig glühenden Wangen das Universitätsgebäude betrat.
Doch schon in meinem ersten Teil über Ersti-sein mit 25, hatte mich die Wahrheit und nichts als die Wahrheit eingeholt – und heute wird erneut abgerechnet: Wie es ist, mit 25 noch einmal Ersti zu sein? – Ein kleines Update für euch aus aus dem dritten Semester, sozusagen.
Ich hab‘ mich umgesehen, ich bin die Letzte hier
Oh Wonne, ein Fünkchen Freiheit so ungenießbar wie eine unreife Tomate. Die Träume von Spontanität und Serienmarathons unter der Woche wollen gelebt werden, aber bitte mit Sahne oder zumindest mit den liebsten Freundinnen und Freunden. „Ich muss Arbeiten“ ist ein Satz, der, als ich ihn noch aus meinem Azubinnen-Munde habe herauskullern hören, nicht halb so schmerzlich zu ertragen war, wie die kollektiven Absagen all jener Freundinnen, die gerade ihre Masterarbeit in den Briefkasten geworfen haben und unendlich zufrieden über den neuen Traumjob, den geregelten Alltag und einen regelmäßigen Gehaltscheck sind.
Will man wirklich immer das, was man nicht hat oder hätte ich einfach in der PR-Branche bleiben sollen? Ich kenne die Antwort zwar, aber dennoch: Sätze wie „früher war alles besser“ kommen mir an ganz schlechten Tagen schon öfter in den Sinn, besonders dann, wenn man eigentlich gerade in der Bib stecken sollte.
Meine umgekehrte Realität, in der jetzt alle Vollzeit arbeiten, während ich selbst den Larry in den Semesterferien schiebe, ist zwar besser damals, aber trotzdem: Ein neidischer Blick auf wirklich freie Wochenenden und Kapazitäten für Erspartes darf einem ja wohl auch mal herausrutschen, oder nicht?
Uni braucht kein Mensch
Eine Erkenntnis, die mich während meiner zusehends ernüchternden Unierfahrung ereilte und nicht mehr losließ. Vielleicht mag es an meinem vermeintlich prestigeträchtigen Studiengang an der Universität der Künste liegen und an den ganzen Mitstudierenden, die (meines Erachtens) wirklich tolle Sachen wie Visuelle Kommunikation, Freie Kunst und Modernen Tanz studieren oder daran, dass ich zusehends nur noch das Nötigste mache und doch durchkomme:
Nichts interessiert mich mehr. Ich koche mein eigenes Süppchen und verfluche die ewig alte Bologna Reform bis aufs Tiefste, denn für meine liebste Rezeptur gibt es schon lange keine Punkte mehr. Und huch, schon hat sich der Montag als Feiertag manifestiert, ich sitze meistens im Café und lese oder schreibe und verschwende höchstens einen einzigen Gedanken an die Vorlesungen und Seminare, die ich gerade verpasse. Braucht kein Mensch, die Folien gibt es Online und überhaupt: Das habe ich mir alles ganz anders vorgestellt. Irgendwie romantischer.
Master of Disaster
Mein persönlicher Gipfel? Meine Zukunft liegt so sehr im Ungewissen, dass ich den Masterstudiengang tatsächlich in Betracht ziehe. Obwohl ich nach meinem Bachelor auch direkt wieder arbeiten könnte. Es ist verhext. Wir werden sehen. Zumindest habe ich fast aufgehört mich aufzuregen. Über Kommiliton*innen und schlecht vorbereitete Vorträge. Es sind die kleinen Dinge, die mich auch im Unialltag über Wasser halten, wie zum Beispiel der herrliche Verriss aus dem Ulf Poschardt Vortrag oder die Nussmischung aus dem Automaten im Keller. Sechs Wochen Ferien natürlich nicht zu vergessen! Aber warum beschwere ich mich überhaupt? In den letzten Monaten habe ich zumindest versucht, mich in Akzeptanz zu üben und auch wenn das dritte Semester so unheimlich zäh verläuft, ist langsam ein Ende in Sicht und Licht im Dunkel. Wir schaffen das schon.
Die Türöffnerin
Hätte die Uni in unserer Gesellschaft nicht so einen furchtbar hohen Stellenwert und ich mich nach Ausbildung und Abitur nicht so furchtbar wichtig fühlen wollen mit einem Bachelor in der Tasche, wäre ich jetzt sicher an den Bürostuhl festgewachsen und um ein Paar Euronen reicher. Ich wäre dann aber auch nicht die Erste in der Familie, die einen Hörsaal besucht und einen höheren Bildungsweg anstrebt. Ich hätte mir auch nicht diesen kleinen Traum erfüllt, ein letztes Mal die Nase in den Freiheitswind zu halten und sicher würde ich auch nicht so wahnsinnig spannende Geschichten aus meinem neuen Berufsfeld erzählen. Mama, Oma, Opa & Co. sind stolz wie Bolle und ich bin es auch ein bisschen.
Auf die Geschichten aus dem wilden Berlin, darauf, dass ich mich einfach getraut habe und eigentlich nicht einmal ernsthaft dran denke, mit dem Studieren aufzuhören. Auch, weil das Ziel schon so nah und alles, was es dafür braucht, so furchtbar machbar erscheint. Und wenn es nur die Angst vor dem wirklich Erwachsenwerden ist, die mich noch hält. Ab und an kommt dann ein Text um die Ecke oder ein Seminar, was mich so richtig in den Bann zieht und 100 Prozent meiner Aufmerksamkeit innehat. Ein feines Gefühl. Nun ja, die Studienordnung für den Master ist zumindest schon mal ausgedruckt. Nun gilt es nur noch, sie zu lesen.
[to be continued]